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Bei Eiseskälte im Wasser

Extremschwimmer trotzen der Kälte im Weingartener Baggersee

Von wegen Warmduscher: Am Weingartener Baggersee trifft sich sonntags das gesamte Jahr über eine Gruppe von Extremschwimmern. Auch im Winter steigen sie ins eiskalte Wasser.

Es sind die beiden Nacktbader Uwe Schneider, 57 Jahre alt (rote Mütze) und Diana Belter, 50 Jahre alt (gelborangefarbene
Mütze) zu sehen.
Im eiskalten See: Uwe Schneider, 57 Jahre alt und Diana Belter, 50 Jahre alt gehen regelmäßig im Winter schwimmen. Foto: Vera Wellmer

Sonntag, dritter Advent. Noch am Morgen hat es geschneit, die Luft ist eisig, als gegen 14 Uhr die Sonne durchbricht und die ersten Kaltwasserschwimmer am Weingartener See eintreffen: Diana Belter und Uwe Schneider. Routiniert gehen die beiden zum Ufer und messen die Wassertemperatur. Neun Grad Celsius, kein Hinderungsgrund.

Diana Belter beschreibt das Ritual: „Wir messen immer. Dann ziehen wir uns aus. Das ist für viele absurd.“ Die beiden schwimmen nackt, allein Füßlinge und Handschuhe – und heute auch eine Mütze – isolieren die Extremitäten.

Baden im Winter: Je kälter, desto höher der Puls

Wie sich das anfühlt? „Ein bisschen stockt das Blut aufgrund der Kälte“, sagt Diana. „Es gibt unterschiedliche Phasen. Auf dem Weg hierher leichte Aufregung. Je kälter es wird, desto höher geht der Puls, was kontraproduktiv ist. Du zögerst aber nicht. Du weißt, der innere Motor springt an und spätestens nach zwei Minuten wird es angenehmer.“

Es sind die beiden Nacktbader Uwe Schneider, 57 Jahre alt (rote Mütze) und Diana Belter, 50 Jahre alt (gelborangefarbene
Mütze) zu sehen.
Als „extremst gut" beschreibt Diana Belter das Gefühl nach dem Bad im eiskalten See. Foto: Vera Wellmer

Diana und Uwe steigen ein, die Überwindung merkt man ihnen nicht an, wohl aber die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung. Seit zwei Jahren schwimmen sie das ganze Jahr hindurch, jede Woche.

Es ist wichtig, bei diesem Vorhaben nicht allein zu sein. Sie halten sich in Ufernähe und den Kopf über Wasser, eigentlich kein sportlicher Stil, doch bei diesen Temperaturen ein Muss: „Als erstes der Gehirnschutz. Die Wärme wird von der Hautoberfläche abgezogen“, erklärt Diana Belter.

13 Minuten im eiskalten Wasser des Weingartener Baggersees

Jetzt sind Diana und Uwe seit zehn Minuten im Wasser. Sie schwimmen ruhig, in Begleitung eines Blesshuhns. Vor der Kulisse der Förderanlage stimmen sich die beiden ab: „Bleiben wir noch eine Minute? Wie ist es bei Dir?“, wird gefragt. Ja, es ginge noch gut, sie verlängern von zwölf auf dreizehn Minuten. Uwe Schneider führt Statistik, mit digitaler Assistenz zeichnet der Sportler die Daten auf.

Diana und Uwe sind mit ihrem sonntäglichen Ritual nicht alleine. Goce Peshev und Dejan Mavrov gehen auch im Winter schwimmen. Mit „sehr schön“ beschreibt Goce aus Mazedonien seine Stimmung, als er am dritten Advent gegen 15 Uhr in den Weingartener See steigt.

Er sagt: „Ich bin süchtig geworden“ und: „Ich kann mir kaum vorstellen, dass ich am Sonntag nicht zum Baden komme.“ Zusammen mit Dejan Mavrov taucht er sogar ganz unter Wasser: „Zum Schluss. Wir lassen erst unserem Körper Zeit, sich an die Kälte zu gewöhnen.“

Also ich habe dreieinhalb Jahre überhaupt nichts gehabt.
Uwe Schneider, Winterschwimmer

Manch ein Badegast steht einfach mit den Füßen im kalten Wasser, sogar Kinder machen mit. Studien belegen, dass thermische Reize zur Stärkung des Immunsystems am effektivsten sind.

Erkenntnisse darüber sind nahezu 100 Jahre alt: Es gab die Schule am Meer, 1925 auf der Insel Juist gegründet, wo alle Schüler ganzjährig morgens vor dem Unterricht ein kurzes Bad in der offenen See genommen haben. Dieses Landerziehungsheim, an dem Mädchen und Jungen gleichberechtigt miteinander lernten, im Einklang mit der Natur und orientiert an den musischen, physischen und handwerklichen Fähigkeiten – fiel 1934 der rigorosen Gleichschaltungspolitik des NS-Regimes zum Opfer.

Führt die Kur zu dauerhafter Gesundheit? Uwe Schneider sagt: „Also ich habe dreieinhalb Jahre überhaupt nichts gehabt und ewig keine Medikamente genommen.“ Er ist überzeugt: „Alles, was du nicht trainierst, verkümmert.“ Und Diana Belter beschreibt ihr Gefühl danach so: „Extremst gut. Der Effekt hält noch zwei Tage an.“

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