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Krieg in der Ukraine

Stromausfall im Cyberkrieg? Gemeinden im Norden von Karlsruhe planen für den Katastrophenfall

Ohne Strom bricht die Versorgung der Bürger zusammen. Durch den Ukraine-Krieg wird das Katastrophenszenario eines kompletten Systemausfalls für die Gemeinden realistischer. Manche Gemeinden bilden schon Krisenstäbe.

Strommast bei Blankenloch
Ernstfall: Wenn durch einen Cyberangriff kein Strom mehr in die Gemeinden nördlich von Karlsruhe gelangt, kann auch die Wasser- und Treibstoffversorgung zusammenbrechen. Foto: Nico Fischer

„Blackout“ heißt der von Marc Elsberg 2012 veröffentlichte Roman, der die Katastrophe eines flächendeckenden Stromausfalls in Städten und Gemeinden nachzeichnet. Das Schreckensszenario des österreichischen Autors ist Science Fiction.

Seit dem Krieg in der Ukraine nimmt aber die Gefahr eines Cyberangriffs, der die Infrastruktur und das alltägliche Leben durch einen Blackout lahmlegt, zu. Auch die Gemeinden im Norden Karlsruhes könnten davon betroffen sein.

Die Gemeinde Weingarten hat auf ihrer Internetseite einen Aufruf des Bürgermeisters veröffentlicht. Demnach müsse in Europa mit einem flächendeckenden Stromausfall gerechnet werden, der durch Angriffe von Hackern auf die kritische Infrastruktur der Gemeinden entstehe. Die Folgen seien nicht abschätzbar, warnt der Aufruf.

Schon vor einiger Zeit seien in Weingarten mit Notstrom betriebene Pumpen installiert worden, die die Wasserversorgung aufrecht erhalten. „Unsere Trinkwasseraufbereitungsanlage wird im Notfall nicht funktionieren. Das bedeutet ein direktes Einspeisen von Grundwasser“, erklärt Bürgermeister Eric Bänzinger (parteilos). Durch die Verstoffwechselung von Nitrat zu Nitrit könne es zu einer bedenklichen Sauerstoffabsenkung im Körper von Babys und kleinen Kindern kommen.

Der Bürgermeister rät, selbst Vorsorge zu treffen und sich für zehn Tage mit ausreichend Lebensmitteln und Wasser einzudecken. „Niemand kann einer so großen Anzahl von Menschen im Krisenfall ausreichend helfen“, sagt Bänzinger und meint, dass die Bürger dann für eine gewisse Zeit auf sich gestellt sein werden.

In Linkenheim-Hochstetten entsteht ein Krisenstab

In Linkenheim-Hochstetten wird derzeit ein Krisenstab aus Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung und des Bauhofs zusammengestellt. Dieser wird im Ernstfall eines Blackouts die Organisation der Krisenmaßnahmen übernehmen. „In den vergangenen zwei Jahren wurden die Großschadensereignispläne für Stromausfälle erneuert“, sagt Bürgermeister Michael Möslang (CDU). „Die nächste Übung erfolgt Mitte April.“

Auch die Gemeinde Pfinztal sieht im Blackout durch Cyberangriffe eine Bedrohung: „Heizungen fallen aus, Telefone würden nicht mehr funktionieren. Geschäfte können nicht mehr verkaufen, da die Kassen nicht mehr funktionieren, Lebensmittel würden schnell verderben. Tanken wäre unmöglich, da die Pumpen mit Strom laufen“, erklärt Gemeindesprecherin Elke Fleig. „Im Krisenfall würden wir unsere Notstromversorgung für Rathaus, Bauhof und Feuerwehr in Betrieb nehmen und einen Krisenstab bilden.“

Jörn Müller-Quade, Professor für Kryptografie und Sicherheit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), schätzt die Bedrohung gerade durch den Ukraine-Krieg als real ein. Es gebe immer mehr Racheakte von Hackergruppen, und das mit den Möglichkeiten eines Staates, auf „State Level.“ „Die Folgen eines Blackout sind dramatisch“, sagt der Forscher. Die Versorgung könne binnen Tagen zum Erliegen kommen, auch weil die Kühlketten für frische Waren zusammenbrechen. Das wichtigste sei Prävention: „Wir müssen es dem Angreifer so schwer wie möglich machen und die Sicherheit der kritischen Infrastruktur stärken“, sagt er.

Feuerwehr und THW haben Treibstoff in Reserve

Auch das Technische Hilfswerk (THW) in Dettenheim ist in die Gemeindepläne zum Blackout eingebunden. „So ein Szenario ist realistisch“, sagt der stellvertretende Ortsbeauftragte Dennis Fetzner.

Nebel zieht über ein Solarfeld mit darüber laufender Stromleitungen. Der Krieg in der Ukraine beschleunigt in Deutschland die Auseinandersetzung um den Ausbau der erneuerbaren Energien. +++ dpa-Bildfunk +++
Ernstfall: Wenn durch einen Cyberangriff kein Strom mehr in die Gemeinden nördlich von Karlsruhe gelangt, kann auch die Wasser- und Treibstoffversorgung zusammenbrechen. Foto: Nicolas Armer/dpa

Mit Aggregaten könnten über einen gewissen Zeitraum zum Beispiel Krankenhäuser und Schulen versorgt werden. Treibstoff dafür hätten Feuerwehr und THW in Reserve, zudem könnten die unterirdischen Tanks in Tankstellen aufgebohrt und Benzin herausgepumpt werden.

„Cyberwar ist schon lange ein Begriff“, sagt Müller-Quade, „aber er wird wahrscheinlicher.“ Das KIT forscht schon seit Jahren an der Resilienz, der Widerstandsfähigkeit von Versorgungseinrichtungen. Die Forschungen des KIT sei Grundlage für den Roman „Blackout“ gewesen. Die Kriegsführung sei durch die Digitalisierung unübersichtlicher geworden, sagt er. „Es ist schwer zu erkennen, wer für einen Angriff verantwortlich ist. Manchmal schiebt es die Staatspropaganda den Hackergruppen in die Schuhe, obwohl es sich um eine geheimdienstliche Operation handelte“, erklärt der Professor. Und die Ziele seien andere geworden, nicht mehr so zentral: „Wer angreifbar ist, wird angegriffen.“

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