Von weitem sind nur tanzende Lichter am Rande einer Bundesstraße erkennbar. Bettina Volpe Freiwald und Silvia Kuhnmünch tragen gleißend helle Hand- und Stirnlampen, mit denen sie in der einbrechenden Nacht den Boden absuchen. Wonach sie Ausschau halten, ist klein mit Glubschaugen und fällt im Scheinwerferkegel oft in eine erschrockene Starre. Die beiden Frauen sammeln Frösche, Kröten und Molche und tragen sie in Eimern über die B3 bei Weingarten. Allein kämen die Amphibien nicht über den Asphalt, der sie von ihren Laichgründen am Weingartener Moor trennt.
Es braucht das richtige Wetter, damit sich die Krabbler aus ihren Erdlöchern östlich der Bundesstraße emporgraben. „Nicht zu kühl, und nicht zu trocken. fünf bis zehn Grad und Regen sind eigentlich optimal“, sagt Volpe Freiwald. Wenn die Bedingungen stimmen, kommen die Helfer mit dem Sammeln kaum hinterher.
Mehr als 4.000 Tiere an einem Abend gerettet
Hans-Martin Flinspach, auch beruflich Naturschützer beim Landkreis Karlsruhe, gibt ein paar Anekdoten zum Besten, während er beim Sammeln hilft: „Ich hatte auch schon mal einen Abend, an dem wir über 4.000 Tiere rübergetragen haben“, sagt er, mit Stirnlampe und Eimer ausgerüstet.
Es zeigt sich: Das Wetter ist der alles bestimmende Faktor in den Laichwanderungen. Da lassen sich die Amphibien auch nicht von den Jahreszeiten nach menschlicher Betrachtung festlegen. In dieser Saison ging es beispielsweise viel früher los als in den Jahren zuvor. „Schon am 27. Dezember waren die Frösche unterwegs“, erinnert sich Bettina Volpe Freiwald. Die Helferin ist seit zehn Jahren bei der Amphibienhilfe Weingarten – aber ein solch früher Beginn der Wanderungen ist auch für sie eine Rarität.
Es braucht den geübten Blick, um die Frösche und Molche in den tanzenden Schatten der Handlampen im Gras zu erspähen. Über weite Strecken sind Betonsteine unüberwindbare Hindernisse für die Tiere. Im Lichtkegel sind sie auf dem hellen Untergrund der Begrenzung problemlos auszumachen, sogar die nur fünf bis sechs Zentimeter langen Molche.
„Im Gras sind sie beinahe unsichtbar“, sagt Kuhnmünch. Die Tarnung der Frösche und Kröten ist meisterlich. Wenn sie die Lampen sehen, verharren einige der Tiere wie versteinert zwischen den Halmen auf der noch feuchten Erde. Bisweilen ist ein Springfrosch mit seiner braunen Färbung von verwelktem Herbstlaub praktisch nicht zu unterscheiden.
Umso befriedigender ist das Gefühl, 20 oder 30 Tiere mit einem Eimer über die Straße zu tragen, in Sicherheit vor den vorbeirauschenden Autos. Von denen sich übrigens die wenigsten um die erlaubten 70 Stundenkilometer an dieser Stelle scheren. Nur wenige der Fahrer bremsen ab, bevor sie die hellen LED-Lampen passieren.
Amphibienretter aus Weingarten erhalten Unterstützung
Unterstützung bei der Arbeit unterhalten die Amphibiensammler auch von der Gemeinde Weingarten. Die stellt beispielsweise die Plastikbarrieren beidseitig der Bundesstraße auf, um die Tiere am Überqueren der tödlichen Furt zu hindern. Vereinzelt sperrt die Gemeinde auch Forst- oder Waldwege. „Die Sperrungen richten wir im Naturschutzgebiet Ungeheuerklamm und am Schlossbergsee ein“, sagt Gabriele Dittert, Sprecherin der Kommune.
Landwirte erhielten während der Ernte Schlüssel, um die Sperrschranken auf den Wegen öffnen zu können. Dittert berichtet von zum Teil erheblichen Sachbeschädigungen an den Sperrungen, weil offenbar uneinsichtige Verkehrsteilnehmer die Schlösser mit Gewalt aufbrechen. Und auch eine Reparatur nicht mehr möglich war. „Für einen fünfstelligen Betrag mussten alle Schranken nach nunmehr zwei Jahren vorzeitig ersetzt werden“, sagt sie.
Das Engagement der Amphibienhilfe ist kostenfrei – aus Tierliebe opfern die Mitglieder bis etwa Pfingsten ihre Abendstunden. Ende April sind die Tiere dann schon wieder auf dem Rückweg. Die Arbeit hört nicht auf, solange die Amphibien wandern.