Wie sie heute aussieht, wissen die Sicherheitsbehörden nicht. Das letzte Foto, das es von der früheren RAF-Terroristin Daniela Marie Luise Klette gibt, stammt aus dem Jahr 1987.
Foto der Karlsruherin zeigt junge Frau mit langen schwarzen Haaren
Damals war die gebürtige Karlsruherin 29 Jahre alt, auf dem Bild ist eine junge Frau mit langen dunklen Haaren und einem ernsten Blick zu sehen. Auf einem anderen Foto, das zwischen 1984 und 1989 entstanden ist, lacht sie in die Kamera.
Wenig später verlieren sich die Spuren. Zusammen mit anderen Mitgliedern der sogenannten dritten RAF-Generation taucht Klette 1989/90 ab und lebt seitdem mit ihrem mutmaßlichen Lebensgefährten Ernst-Volker Staub und ihrem Gesinnungsgenossen Burkhard Garweg im Untergrund.
Für ein Fahndungsplakat erstellt das Bundeskriminalamt im Jahr 2003 Fotos, auf denen es die drei mithilfe eines Computerprogramms künstlich altern lässt.
Von Staub und Garweg gibt es zudem Fotos aus dem Jahr 2016, die bei einem Überfall des Trios auf eine Bank im niedersächsischen Cremlingen bei Braunschweig entstanden sind. Auf den leicht unscharfen Bildern sind zwei ältere Herren mit Schiebermütze zu erkennen.
Nun hat das LKA Niedersachsen einen neuen Fahndungsaufruf veröffentlicht. „Das könnten auch ihre Nachbarn sein!“, steht auf einem Handzettel, der die drei Personen zeigt – bei Klette verbunden mit dem Hinweis: „Achtung!!! Bilder älter als 30 Jahre“.
Wie wichtig die Sicherheitsbehörden den Fall nehmen, belegt die ausgesetzte Belohnung. Für entscheidende Hinweise, die zur rechtskräftigen Verurteilung der Gesuchten führen, sind 150.000 Euro ausgesetzt.
Schweigegebot der RAF wirkt noch immer
Doch selbst diese hohe Summe hat bislang zu keinem Fahndungserfolg geführt. Die Omerta, das Schweigegebot der RAF gegenüber Außenstehenden, wirkt noch immer, obwohl sich die linksextremistische Terrororganisation längst aufgelöst hat.
Wo sich die drei, mittlerweile 69, 65 und 55 Jahre alt, aufhalten, wo sie leben, ob in Deutschland oder im benachbarten Ausland, und wie sie ihren Alltag gestalten, wissen die Fahnder nicht. Schon früher gab es Spekulationen, sie könnten sich in den Niederlanden aufhalten.
Überfälle auf Geldtransporter
Bekannt ist nur eines: Um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, haben sie in den vergangenen drei Jahrzehnten mehrfach Geldtransporter oder Supermärkte überfallen. In Bielefeld und Porta Westfalica kauften sie dafür unauffällig Gebrauchtwagen.
Das LKA legt dem Trio zwölf Raubstraftaten zur Last. So gab es am 20. Juli 1999 einen Überfall auf einen Geldtransporter in Duisburg-Rheinhausen, bei dem mehr als eine Million D-Mark erbeutet wurden. DNA-Spuren weisen auf eine Beteiligung von Klette und Staub hin. Weitere Überfälle erfolgten in Bochum und Essen.
Im Juni und im Dezember 2015 misslangen dagegen Überfälle auf Geldtransporter in Groß Mackenstedt bei Stuhr und in Wolfsburg, in beiden Fällen wurde ebenfalls DNA von Klette, Staub und Garweg gefunden. Im Juni 2016 erbeutete das Trio bei einem Überfall mit einer Panzerfaust und einem Sturmgewehr auf einen Geldtransport in Cremlingen über 600.000 Euro.
Seit 2015 liegt ein Haftbefehl des Amtsgerichts Verden (Aller) wegen des Verdachts des versuchten Mordes und versuchten schweren Raubes vor.
Dass das LKA Niedersachsen nun erneut mit einem Fahndungsaufruf an die Öffentlichkeit geht, der auch in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ ausgestrahlt wurde, hat damit zu tun, dass es offenbar neue Erkenntnisse gibt. Wie der „Spiegel“ berichtet, gebe es „weitere Ermittlungsansätze“, die sich aus „Ermittlungen der letzten Monate“ ergeben hätten.
Suchte Garweg Kontakt mit seiner Familie?
So seien im familiären Umfeld der Gesuchten „umfangreiche Durchsuchungen und Vernehmungen“ vorgenommen worden. Einer der Gesuchten unterhalte „nachweislich weiterhin intensive Kontakte nach Deutschland“.
Im vergangenen Jahr hatte das LKA Niedersachsen bereits Räume von Garwegs Eltern und Geschwistern in Hamburg und Frankfurt/Main durchsucht. Dabei seien dem „Spiegel“ zufolge zwei Briefe sichergestellt worden, die Garweg zugeordnet werden.
Die Karlsruherin Klette war seit Mitte der 1970er Jahre in verschiedenen linksextremistischen Gruppen aktiv. Als 20-Jährige schloss sie sich in Wiesbaden der „Roten Hilfe“ an.
Der Verein zur Unterstützung linker Aktivisten und verurteilter Straftäter wird von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder als linksextremistisch eingestuft.
In der dortigen RAF-Unterstützerszene lernte sie Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld kennen, die später zu den Führungsfiguren der dritten RAF-Generation aufstiegen. Ihnen wird vorgeworfen, 1989 Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen und 1991 Treuhand-Chef Detlev Carsten Rohwedder ermordet zu haben.
Ob auch das Trio Staub/Garweg/Klette daran beteiligt war, ist unklar.
DNA-Spuren belegen Tatbeteiligung
Auf jeden Fall war Klette, wie DNA-Spuren belegen, am 13. Februar 1991 an einem Anschlag mit Schusswaffen auf die Botschaft der USA in Bonn beteiligt, ebenso am 27. März 1993 am Sprengstoffanschlag auf das Gefängnis im hessischen Weiterstadt.
2007 gab der Generalbundesanwalt in Karlsruhe bekannt, dass man auf einer Strickleiter DNA von Klette und Staub gefunden habe, zudem von einer dritten Person, die man nach den Überfällen des Trios schließlich Garweg zuordnen konnte.
Ist Daniela Klette noch am Leben? Ihre im Jahr 2016 gestorbene Mutter äußerte in ihrem Todesjahr gegenüber „Bild“ die Vermutung, dass ihre Tochter längst tot sei. Sie sei von einem auf den anderen Tag verschwunden. Und von der Mitgliedschaft ihrer Tochter in der RAF habe sie im Radio gehört.