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Vorstandschef im Porträt

Neuer EnBW-Chef Andreas Schell: Energiegeladen mit einer Extradosis Sauerstoff

Ein Konzernboss, der unter anderem in Simbabwe studiert hat, der 4.000er erklimmt und passionierter Triathlet ist. Der „Neue“ bei der EnBW macht neugierig. Ein Porträt von Vorstandschef Andreas Schell.

Natürlich fährt er ein Elektroauto: Andreas Schell ist der neue Vorstandschef des größten Konzerns im Verbreitungsgebiet von BNN und BT.
Der Boss fährt ein Elektroauto: Andreas Schell ist der neue Vorstandschef des größten Konzerns mit Sitz im Verbreitungsgebiet von BNN und BT. Foto: Rake Hora

Die Tatsache, dass Andreas Schell an diesem Dienstag (15. November) beim Karlsruher Energiekonzern EnBW Vorstandschef wird, hat sich längst herumgesprochen. Neulich hat ihn ein EnBW‘ler auf der Straße gegrüßt. „Ich arbeite für Netze BW“, dem Tochterunternehmen.

Wäre nur der positive Corona-Test nicht dazwischen gekommen: Geplant war am ersten Arbeitstag, dass er in Stuttgart und Karlsruhe ist - nun aber nur virtuell. Schell war kurz zuvor noch einige Tage im Allgäu wandern („Die Berge sind ein Hobby“) – jetzt will er durchstarten.

Schon für den ersten Tag hat sich der 53-Jährige viel vorgenommen: Ein Treffen mit dem Vorstandsteam, das versteht sich von selbst. Weniger selbstverständlich für den Boss eines 26.000-Mitarbeiter-Konzerns ist, dass er auch mit den EnBW-Azubis sprechen will. Er möchte unter anderem in der EnBW-City genannten Stuttgarter Dependance Hallo sagen und in Karlsruhe.

Schell hat übrigens für sich eine Wohnung in Stuttgart gesucht. Ein, zwei Jahre, dann werde man weitersehen, sagt Schell und weiß sehr wohl, dass der Wohnort bei einem Konzern wie der EnBW ein kleines Politikum sein kann. „Ganz klar, der Hauptstandort der EnBW ist und bleibt für mich Karlsruhe“, schiebt er schnell nach.

Schell ist neugierig. Daher hat er sich von Karlsruhe schon einige Eindrücke verschafft. Vor allem der Botanische Garten habe es ihm angetan. Andere Ecken kannte er schon, weil Freunde im südlichen Landkreis leben.

Mit der EnBW kam Schell erstmals 1996 in Berührung – zu seiner damaligen Daimler-Zeit ließ er sich eine Photovoltaikanlage aufs Hausdach montieren („Ich war einer der Pioniere“) und kam so mit dem Energiekonzern in Kontakt.

Zeit in Simbabwe war für Andreas Schell prägend

Aufgewachsen ist Schell im schmucken hessischen Fachwerkstädtchen Herborn, genauer gesagt: im kleinen Stadtteil Seelbach. „Das ist als musikalischstes Dorf Hessens bekannt“, sagt Schell und strahlt, so dass man spürt: Der Mann spult gerade in Gedanken seine Kindheit ab: Wie er mit dem Fahrrad, die Trompete auf dem Gepäckträger, zum Fußballtraining gefahren ist. Wie er später mit dem Musizieren in einem Amateurorchester sein Studium mitfinanziert hat. Überhaupt, weil er mit seinem jüngeren Bruder eine schöne Kindheit gehabt hat. Immer wieder komme er zurück nach Herborn-Seelbach. „Dort bin ich der Andreas.“

Schell hat Jahre später an der TU Clausthal und in Simbabwe – ja, Simbabwe, doch dazu später mehr – Maschinenbau studiert. Und, wie so technikbegeisterte Kinder eben sind, hatte er im Elternhaus einen Märklin-Baukasten, eine Märklin-Eisenbahn, einen Kosmos-Chemiekasten „und alles, was man dazu legal unter 18 in der Apotheke kaufen konnte“. Seine Schwarz-Weiß-Fotos hat er im kleinen Labor selbst entwickelt – das war noch spannend ohne Smartphone-Sofort-Effekt. Die Älteren wissen das noch.

Schell klopfte Schlitze im Betrieb des Vaters

Prägend war aber sicher die Selbstständigkeit des Vaters, der als Elektroingenieur einen Installationsbetrieb hatte. Prägend deshalb, weil der Junior Schlitze klopfte und Kabel verlegte, so sein Taschengeld verdiente. Prägend auch, weil er mitbekam, wie das ist, was man neudeutsch „24/7“ nennt. Dasein für den Job rund um die Uhr.

Einmal, um 22.30 Uhr, war in Herborn-Seelbach Stromausfall. Ausgerechnet zur Zeit des Volksfestes. Der Vater fuhr raus; die Buden leuchteten, das Karussell drehte sich wieder – die Menschen waren glücklich. Man könnte auch sagen: die Kunden.

Solche Erfahrungen stecken in Schell drin. „Der Kunde zahlt letztlich die Gehälter im Unternehmen. Da muss man genau hinhören“, sagt Schell und deutet mit dem Zeigefinger auf sein rechtes Ohr.

Seinerzeit, als Chrysler zu Daimler gehörte, sei er in einem amerikanischen Kundencenter gewesen. Eine Frau habe damals geklagt: Autoschlüssel fliegt in eine Pfütze, funktioniert nicht mehr und der Ersatz ist teuer. „Da bekommst Du die Wahrheit aus Sicht des Kunden mit.“

Schell will auch mal ins EnBW-Kundencenter

Deshalb habe er sich bei der EnBW fest vorgenommen: „Ich werde auch mal im Kundencenter sitzen.“ Zuhören, mit dem Team überlegen, weil es immer etwas zu verbessern gebe. Schell sagt, er sei überzeugt, dass er die Mannschaft mitnehmen könne. Auch vor dem Treffen mit dem Journalisten am EnBW-Ladepark in der Stuttgarter Innenstadt hatte Schell einen Kunden gefragt, wie der denn mit der EnBW-Ladetechnik klarkomme.

Er sei ein großer Optimist, auch in (Energiekrisen-)Zeiten. Und ja, vielleicht wolle er manche Themen zu schnell angehen. „Aber meine ganz große Stärke ist: Begeisterung zu wecken, für die gemeinsame Sache.“ Das hört man auch aus der Belegschaft von Rolls-Royce Power Systems, wo Schell in den vergangenen Jahren Vorstandschef war.

Zuvor war Schell bei Daimler und bei UTC Aerospace Systems. Er wirkte in Großbritannien, vor allem aber über zehn Jahre in den USA. Auch bei Rolls-Royce wurde sehr viel Englisch gesprochen. Daher die Anglizismen, die Schell immer mal wieder durchrutschen. So habe er, ein Beispiel dafür, seine „Passion“ – Leidenschaft – gefunden, als er im Maschinenbau-Hauptstudium sich auf Energiesteuertechnik konzentrierte.

Die Kinder, heute 17 und 18 Jahre alt, sind in den USA geboren, die Zeit war schon deshalb familiär prägend. Schell erzählt aber auch viel, und zwar „mit Passion“, über Simbabwe. Er hat dort während der Studienzeit Bekannte besucht, war von Land und Leuten begeistert – und hat schließlich ein knappes Jahr lang dort studiert. Diversität, von der heute jeder Personalchef spricht, habe er dort erlebt.

Hoch auf den Nachbarberg des Kilimandscharo

Gewohnt hat er mit Einheimischen im Studentenwohnheim. Und wenn der Strom ausfiel, was öfters vorkam, hätten sie auf dem Hof ein offenes Feuer gemacht und dort Sadza – einen Maismehlbrei – gekocht. Mehrfach hat Schell Afrika bereist, ist als Bergsteiger hoch auf den Mount Meru, den mit 4.566 Metern kleinen Bruder des benachbarten Kilimandscharo.

Schell sagt, er brauche die regelmäßige Extra-Portion Sauerstoff beim Sport: bergsteigen, wandern, segeln auf dem Bodensee. Er werde sich als Triathlet auch weiterhin ein Ereignis pro Jahr vornehmen und morgens Trainingseinheiten einplanen wie die vielen anderen Termine am Tag. „Ich mach meinen Sport nicht, um in ein Ranking zu kommen“, betont Schell. Er sei aber wichtig für einen gesunden Ausgleich im stressigen Manager-Job.

Obwohl seine Jungs schon älter sind, unternehme man als Familie viel gemeinsam: Bregenzer Festspiele, Musicals, Städte-Besichtigungen, auch wenn man seine Söhne nicht mehr für jede Kirche, jeden Dom der Welt begeistern könne.

Schell ist ein moderner Manager-Typ: nahbar, ohne mehrere Vorzimmer oder gar Panzerglas, was es bei der EnBW schon gab. Was er von den EnBW’lern erwartet? „Dass Zusagen eingehalten werden. Einen Fehler zu machen, kann passieren, aber er sollte sich nicht wiederholen.“ Er werde in die EnBW-Betriebsrestaurants gehen. Und aktiv durch die Gänge der EnBW-Zentrale schlendern, um auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuzugehen. Das kann also durchaus einen Überraschungs-Effekt geben, wenn „der Neue“ unvermittelt vor einem steht.

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