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Nach Funden in Karlsruhe

Warum in Corona-Zeiten mehr Menschen Kampfmittel finden - und wie sich Städte auf Blindgänger vorbereiten

Trotz Corona-Pandemie gehen Bautätigkeiten in Karlsruhe und anderswo in der Region weiter. Immer im Hintergrund: Die Möglichkeit, dass sich plötzlich eine Weltkriegsbombe im Erdreich findet. Während die Kommunen sich unterschiedlich auf Evakuierungsszenarien in Corona-Zeiten einstellen, berichtet der Kampfmittelräumdienst des Landes: Nie finden die Menschen so viele Kampfmittel wie jetzt.

Der Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg soll kontrolliert gesprengt werden
Explosive Angelegenheit: Blindgänger erfordern teils kontrollierte Sprenungen. Foto: Kampfmittelräumdienst Rheinland-Pfalz

Irgendwo westlich von Stuttgart, mitten im Wald, ist auf einem mehrere Hektar großen Areal der Kampfmittelräumdienst des Landes Baden-Württemberg untergebracht. Momentan herrscht auf dem Gelände eine gewisse Unordnung – für Lagerarbeiten und Aufräumen bleibt den Mitarbeitern im Moment keine Zeit.

Denn Kampfmittel werden auch während Corona gefunden – sogar mehr sonst, sagt Ralf Vendel, Leiter der Dienststelle. „Es sind sicher bis zu 20 Prozent mehr Funde, die uns derzeit gemeldet werden“, schätzt er.

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Ralf Vendel vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Baden-Württemberg. Archivbild Foto: Daniel Naupold/dpa

Die Leute hätten derzeit offenbar mehr Zeit, den Garten umzugraben. Dabei fänden sie dann auch mal ein paar alte Geschosse oder Patronenhülsen.

Dazu komme die noch die Trockenheit: Der Wasserspiegel der Gewässer sinke ab, hier und da würde dabei auch Munition freigelegt. Also sind Vendel und seine Kollegen derzeit noch öfter als sonst außer Haus, um Fundstellen zu sichten und Fundstücke zu prüfen. Zumal sich die Arbeit derzeit faktisch auf weniger Schultern verteilt.

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Baden-Württembergs Bombenentschärfer sind teils im Home-Office

Um mögliche Infektionsketten zu vermeiden, arbeiten Baden-Württembergs Bombenentschärfer derzeit in zwei separaten Gruppen. Jeweils im Wechsel ist eine von ihnen im Home-Office und die andere in der Dienststelle – beziehungsweise unterwegs zum Fundort.

Bisweilen warten dort nicht nur ein paar Munitionsreste - sondern auch großkalibrige Bomben. Etwa Ende April im badischen Neuenburg nahe Freiburg. Bei Bauarbeiten war eine 500 Kilo-Bombe aufgetaucht. Vendels Kollegen entschieden, den Sprengkörper vor Ort zu entschärfen.

Also ließen die Behörden 1800 Anwohner evakuieren - und zwar unter Einhaltung der Corona-Regeln. Das Evakuierungszentrum durfte nur betreten, wer zuvor einen Corona-Check des Deutschen Roten Kreuzes absolviert hatte. Dort galten dann Mundschutzpflicht und Mindestabstand.

Trotz Pandemie keine große Sache also - es gab in den letzten Tagen aber auch andere Fälle: Etwa in Bonn, wo im Umfeld des Uniklinikums eine 5-Zentner-Bombe im Erdreich lag.

Was, wenn Covid-19-Patienten evakuiert werden müssen?

Der Kampfmittelbeseitigungsdienst entschied, den Sprengkörper vor Ort zu entschärfen. Weite Teile des Krankenhauses mussten geräumt werden. Die Maßnahme betraf auch Covid-19-Patienten - und zwar auch solche, die beatmungspflichtig sind. Entsprechend aufwendig gestaltete sich deren Verlegung - schließlich gelten die Isolationsbestimmungen auch während einer Bombenräumung.

"Üblicherweise sind Krankenhäuser auf ein solches Szenario aber durchaus vorbereitet", erklärt Norbert Schmidt, der am Klinikum Mittelbaden leitende Fachkraft für Arbeitssicherheit ist. Sowohl für das Szenario einer Räumung als auch für das Szenario einer Pandemie sei sein Haus vorbereitet, erklärt Schmidt.

Auch die Kombination beider Fälle habe man in der Vergangenheit durchgespiel. Natürlich würde das Corona-Geschehen eine Evakuierung nicht gerade erleichtern. "Es gibt Pläne, welcher Patient wohin verlegt würde, wie Isolationsmaßnahmen aufrecht erhalten werden können und welche Unterstützung wir dafür anfordern müssen", erklärt Schmidt.

Bannmeile für Kampfmittelerkundungen

Krankenhäuser gelten als Einrichtungen der kritischen Infrastruktur. Sie müssen daher eigene Notfallpläne aufstellen und Risikoeinschätzungen treffen. Was sie nicht beeinflussen können: Kampfmittelerkundungen in ihrem Umfeld.

Um in Corona-Zeiten Evakuierungen von Krankenhäusern und Wohnheimen zu vermeiden, sind in verschiedenen Bundesländern Handlungsanweisungen erlassen worden, die eine Art Bannmeile um entsprechende Einrichtungen ziehen.

So sollen in Hessen derzeit im Umkreis von 1000 Metern um medizinische Versorgungseinrichtungen keine Arbeiten zur Beseitigung von Kampfmitteln durchgeführt. Die Verfügung richtet sich vor allem an private Kampfmittelsondierer, mit deren Hilfe etwa Bauherren ihr Grundstück auf Kriegslasten prüfen lassen können.

Mit einem ähnliche Schreiben zog das Innenministerium in Baden-Württemberg am 4. Mai nach . In einer "vorübergehend empfohlenen Handlungsanweisung" findet sich die ähnlich lautende Empfehlungen. So sollten in einem Radius von 1000 Metern um Krankenhäuser, Heime oder andere schutzbedürftige Einrichtungen keine Erkundungen mehr durchgeführt werden.

Land rät derzeit von gezielten Bombensuchen ab

Weiter heißt es, die Freilegung von Bomben solle in der momentanen Corona-Situation unbedingt vermieden werden. Sofern von ihnen keine unmittelbare Gefahr ausgehe, könnten Kampfmittel zu einem späteren Zeitpunkt beseitigt werden. Auch in Baden-Württemberg richtet sich die Handlungsanweisung an private Dienstleister, die Kampfmittelerkundungen vornehmen.

Einen verbindlichen Charakter hat die Empfehlung indes offenbar nicht. Weswegen auch in der Pandemie jederzeit Blindgänger gefunden und größere Räumungen nach sich ziehen könnten.

Das KIT-Erweiterungsgebiet liegt am Adenauerrring.
Auf dem KIT-Gelände am Adenauerring liegen möglicherweise vier Blindgänger im Erdreich. Foto: N/A

Genau dieses Szenario droht derzeit in Karlsruhe: Dort wurden auf einer Baustelle im Bereich der Innenstadt vier mutmaßliche Blindgänger entdeckt . Sollte sich der Fund bestätigen, stünde im Bereich der Innenstadt-Ost sowie der Oststadt eine größere Räumung an.

Unsere Redaktion erkundigte sich schon vor einigen Tagen im Zuge einer Recherche, wie die Stadt Karlsruhe sich auf eine mögliche größere Evakuierung wegen eines Bombenfundes vorbereite - und ob es Überlegungen gebe, im Falle eines Bombenfundes Bauprojekte ganz oder teilweise ruhen zu lassen.

In Karlsruhe hängt Vieles von den Umständen ab

Die Stadt teilte hierzu mit:

"Aufgrund der Vielzahl an Baumaßnahmen ist auch dieses Szenario im Verwaltungsstab bereits behandelt worden. Die richtige Maßnahme hinge von den konkreten Umständen eines Fundes ab. Eine notwendige Evakuierung muss aber auch im Rahmen der geltenden Corona-Verordnung möglich sein. Ein betroffenes Krankenhaus oder Altenheim würde insofern weitere Herausforderungen mit sich bringen, die dann bewältigt werden müssten."

Auch andere Städte in der Region bereiten sich auf entsprechende Szenarien vor.  Die Stadt Pforzheim lässt über einen Sprecher mitteilen, dass etwaige Evakuierungsszenarien unter Gewährung der Abstandsvorschriften geplant würden. Die Stadt Rastatt teilt mit, der dortige DRK-Kreisverband habe bereits ein Konzept erstellt, mit dem in Evakuierungszentren die Abstandsregelungen eingehalten werden könnten.

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