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Praktisches statt Deko

„Die Menschen halten ihr Geld zusammen“: Brettener Einzelhändler sind überwiegend enttäuscht

Inflation, Kriege, Konkurrenz im Internet: Einzelhändler in Bretten berichten über eine schwierige Lage. Immerhin hält sich der Umtausch in Grenzen. Und nicht überall sieht es so düster aus.

Durchwachsen ist das Weihnachtsgeschäft bei Terrona Tee & Feinkost. Übrig gebliebene Weihnachtsservietten und -Pralinen verkauft Inhaberin Phi Pham nun mit Rabatt.
Durchwachsen ist das Weihnachtsgeschäft bei Terrona Tee & Feinkost. Übrig gebliebene Weihnachtsservietten und -Pralinen verkauft Inhaberin Phi Pham nun mit Rabatt. Foto: Catrin Dederichs

„Weihnachtsgeschäft? Welches Weihnachtsgeschäft?“, fragt Agathe Pohl. „Das Weihnachtsgeschäft ist schon lange nicht mehr das, was es einmal war.“

Agathe Pohl ist Inhaberin des Schmuck- und Uhrengeschäfts Tic Tac Pohl in der Brettener Innenstadt. Der Umsatz in der Vorweihnachtszeit war nach ihren Worten übersichtlich, auch zwischen den Jahren ist es ruhig. Ein Bild, das sich mehr oder weniger in der ganzen Fußgängerzone zeigt. Nur vereinzelt schlendern Menschen durch die Straße. In zahlreichen Geschäften lassen sich kaum Kunden blicken.

Schon vor Corona sei der Umsatz gesunken, erzählt Pohl. „Und durch Corona hat sich das Kaufverhalten weiter geändert in Richtung Internet.“ Auch ältere Menschen würden inzwischen vermehrt online kaufen. Hinzu kämen nun noch die Kriege und die Inflation. „Vielleicht ist es der allgemeinen Situation geschuldet, dass die Menschen ihr Geld mehr zusammenhalten.“

Das Christkind soll allen etwas bringen. Da spart die Oma lieber bei sich.
Sieglinde Breitenbach
aus Diedelsheim

Das bestätigt Sieglinde Breitenbach aus Diedelsheim. Bei Tic Tac Pohl besorgt sie gerade eine neue Batterie für ihren Sohn. „Wir haben sechs Enkelkinder und das Christkind soll allen etwas bringen. Da müssen wir das Geld einteilen.“ Trotzdem gibt sie jedes Jahr dasselbe für Geschenke aus. „Lieber spart die Oma bei sich“, sagt Breitenbach.

Anstatt von Weihnachtsgeschenken gab es für meinen Mann dieses Jahr eine neue Brille.
Sieglinde Breitenbach
aus Diedelsheim

Oder sie und ihr Mann kaufen das, was sowieso ansteht. „Anstatt der Weihnachtsgeschenke gab es für meinen Mann dieses Jahr eine neue Brille“, sagt Breitenbach.

Sieglinde Breitenbach klärt vorher ab, was die Enkel gebrauchen können. „Oder die Mamas kaufen das und die Oma bringt die Päckle mit“, sagt sie. Und deshalb passe immer alles und es gebe keinen Umtausch.

Zu einem Mann habe ich gesagt, wenn der Ring wieder nicht passt, muss sie das nächste Mal mitkommen.
Agathe Pohl
Inhaberin Tic Tac Pohl

Überhaupt halten sich die Rückgaben in Bretten in Grenzen. Zumindest in den Geschäften, in denen die Redaktion nachgefragt hat, also auch bei Agathe Pohl. „Eine Halskette war zu lang, ein Ring zu groß. Aber mehr war es nicht“, sagt sie. Umtausch ist bei ihr grundsätzlich möglich. „Nur zu dem Mann habe ich gesagt, wenn der Ring wieder nicht passt, muss sie das nächste Mal mitkommen.“

Gegenüber bei Nuessle Wohnaccessoires hat bisher noch niemand seine Weihnachtsgeschenke zurückgegeben, sagt Mitarbeiterin Sigrun Martin. Möglich sei das schon, der Kunde bekomme dann eine Gutschrift. Ansonsten klingt es bei ihr ganz ähnlich wie bei Pohl. „Das Weihnachtsgeschäft war nicht so, wie wir es uns gewünscht hätten. Man merkt, dass die Leute weniger kaufen.“ Entsprechend verhalten blicke sie ins neue Jahr.

Brettener Geschäfte verkaufen mehr Praktisches als Dekoration

Haushaltswaren gingen demnach noch recht gut, Geschenkartikel und Deko dagegen weniger. Das, was an Weihnachtsengeln, Tannenbäumen und Sternen übrig geblieben ist, steht in zwei Regalen im Eingangsbereich und in den Fenstern. „Die Weihnachtsartikel verkaufen wir noch zwei, drei Tage mit gut 25 Prozent Rabatt. Was dann noch da ist, kommt wieder ins Lager“, sagt Martin.

Auch bei Nuessle Wohnaccessoires sind noch Weihnachtsartikel mit Preisnachlass zu bekommen.
Auch bei Nuessle Wohnaccessoires sind noch Weihnachtsartikel mit Preisnachlass zu bekommen. Foto: Catrin Dederichs

Auch bei Phi Pham von Terrona Tee & Feinkost ist die Stimmung durchwachsen. „Die Leute schenken schon, aber nicht mehr so wie früher“, sagt sie. Teilweise sei sie zwar durchaus überrascht vom Ansturm gewesen. „Aber viele gucken, vergleichen die Preise und warten, bis es runtergesetzt ist.“ Entsprechend finden sich bei ihr ebenfalls noch Regale, gefüllt mit Weihnachtsservietten, -Kerzen und -Pralinen.

Die Gelegenheit für alle, die bisher nur geguckt und auf Rabatte gewartet haben: Die restlichen Weihnachtsartikel verkauft Pham nun mit Preisnachlass.

Zwei Großaufträge haben uns gerettet.
Phi Pham
Inhaberin Terrona Tee & Feinkost

In der Adventszeit sei sie zwischendurch im Minus gewesen, erzählt Pham. Dann seien jedoch zwei Großaufträge mit 400 Geschenken von zwei Brettener Unternehmen gekommen. „Die haben uns gerettet.“

Immerhin einen Unternehmer hat die Redaktion gesprochen, der sehr zufrieden klingt: Michael Stoll vom Mode Michel. „Wir hatten wirklich ein schönes, stressfreies Weihnachtsgeschäft“, sagt er. Vor allem Mützen, Gürtel, Hemden und Pullover seien gut gelaufen. „Und Übergangsjacken fürs Frühjahr sind schon fast weg, aber wir bekommen neue rein“, sagt er.

Michael Stoll von Mode Michel zeigt Marie-Luise und Werner Anderson die neueste Mode. Heute kommen die Stammkunden aber nur in den Laden, um einen guten Rutsch ins neue Jahr zu wünschen.
Michael Stoll von Mode Michel zeigt Marie-Luise und Werner Anderson die neueste Mode. Heute kommen die Stammkunden aber nur in den Laden, um einen guten Rutsch ins neue Jahr zu wünschen. Foto: Catrin Dederichs

Gestern hätten ein paar Kunden Ware zurückgegeben, allerdings kaum der Rede wert. „Wir haben viel Stammkundschaft. Wenn die Frau was für ihren Mann holt, kennen wir seinen Geschmack und seine Größe“, sagt Stoll. Zu den Stammkunden zählen Marie-Luise und Werner Anderson aus Diefenbach. Sie waren gerade im Käseladen und kommen auf einen Sprung bei ihm vorbei. Dort holen sie sich einen Espresso ab und wünschen einen guten Rutsch ins neue Jahr.

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