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Einnerung an Vergangenheit

Lesung an Brettener Schule erzählt vom Schicksal der verfolgten jüdischen Familie Oppenheimer

Am 22. Oktober 1940 wurde die jüdische Familie Oppenheimer in das südfranzösische Gurs deportiert. Die Heidelberger Familie traf damit das Schicksal aller badischen Juden. Eine szenische Lesung am Edith-Stein-Gymnasium erinnerte nun an ihre Geschichte.

Gert Weisskirchen und die Vorleser Anton Ottmann, Ursula Ottmann sowie Friedrich Becht (von links).
Bei einer Veranstaltung am Brettener ESG präsentieren Sprecher Gert Weisskirchen und die Vorleser Anton Ottmann, Ursula Ottmann sowie Friedrich Becht (von links) einige Auszüge und Passagen aus Briefen der verfolgten jüdischen Familie Oppenheimer. Foto: Florian Ertl

In der sogenannten „Wagner-Bürckel-Aktion“ wurde innerhalb weniger Stunden nahezu die gesamte jüdische Bevölkerung Badens, der Pfalz und des Saarlandes in das südfranzösische „Camp de Gurs“ verbracht. Die Mehrzahl der 6.538 Deportierten wurden Opfer der NS-Vernichtungsmaschinerie.

Briefe berichten von Sorgen und Sehnsüchten

Das Schicksal der Familie Oppenheimer beschäftigte am Donnerstag die Schülerinnen und Schüler des Edith-Stein-Gymnasiums (ESG). Während ihrer Zeit in Gurs hatten Mutter und Vater mit Briefen Kontakt zu ihrem Sohn Hans gehalten, der zwischenzeitlich als Arbeiter auf einem Bauernhof in den französischen Alpen „stationiert“ war. Eltern und Sohn schrieben sich zwei Jahre lang mindestens einmal in der Woche. In ihren Briefen berichteten sie von ihrem Alltag, ihren Nöten, Sehnsüchten, aber auch von freudigen Ereignissen und Tagen voller Hoffnung.

So etwas darf sich nie wiederholen. Nie wieder!
Michael Nöltner
Bürgermeister von Bretten

Rositta Oppenheimer bewahrte alle Briefe, auch ihre eigenen, nach Kriegsende sicher auf. Aus diesem Nachlass bereitete Anton Ottmann, Mitglied der „Heidelberger Autorinnen und Autoren“, eine szenische Lesung. Im Rahmen dieser Veranstaltung mit dem Titel „Briefe gegen das Vergessen“, erhielten die Gymnasiasten einen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der NS-Opfer.

Schüler zeigen sich betroffen

„Es ist ganz traurig, das alles zu hören. Das waren gute Menschen, die grundlos verfolgt, getrennt und dann ermordet wurden“, fand eine Zehntklässlerin. Ein Klassenkamerad zeigte sich vom eisernen Durchhaltewillen der Oppenheimers beeindruckt. „Irgendwann muss ihnen klar gewesen sein, dass es für sie keine Rettung mehr geben wird. Dass man dann dennoch noch weitermacht und nicht einfach aufgibt, ist schon beeindruckend“, so der Schüler.

Friedrich Becht, Anton und Ursula Ottman gelang es als Vorlesern, die jeweilige Stimmung der Briefe in Ausdruck und Stimmlage aufleben zu lassen. „Das ist unser Ziel. Wir wollen die Emotionen und Eindrücke der Verfasser dieser Briefe passend wiedergeben“, bekannte Gert Weisskirchen. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete lieferte als Off-Sprecher und Moderator geschichtliche Hintergrundinformationen zu, in den Briefen angedeuteten, Ereignissen.

Berichte vom Holocaust sollen immer weitererzählt werden

„Unter Juden ist es ein Brauch, dass jeder, der Berichte vom Holocaust hört und weitererzählen kann, als sogenannter ´Zweitzeuge´ gilt“, berichtete Weisskirchen. Durch das Verlesen der Briefe der Oppenheimers könne die Gruppe dazu beitragen, weitere Zweitzeugen für künftige Generationen zu gewinnen. „Das Erinnern darf niemals aufhören. Das Leid dieser Menschen darf nie aus unseren Herzen und unserem Verstand weichen“, war Weisskirchen überzeugt.

Seit Mitte März dieses Jahres ist das Quartett der Vorleser mit „Briefe gegen das Vergessen“ unterwegs. Am Donnerstag wurde die Lesung nun erstmals einem jungen Publikum präsentiert. „Mit der Resonanz sind wir zufrieden. Es ist typisch, dass viele erst mal ganz nachdenklich werden, wenn sie dann das Ende dieser Geschichte erfahren“, meinte Weisskirchen.

Vater und Sohn sterben

Leopold und Hans Oppenheimer wurden 1942 an Deutschland ausgeliefert. Leopold Oppenheimer wurde am 3. November 1943 in Lublin, Polen von Angehörigen der SS hingerichtet. Sohn Hans starb am 17. November 1945, kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenau, auf einem der vielen Todesmärsche. Er wurde gerade einmal 24 Jahre alt. Seine Mutter überlebte, ebenso wie sein Bruder, der vor Kriegsbeginn ins englische Exil flüchten konnte.

Buchpassagen regen zum Nachdenken an

„Jeder von uns ist dazu aufgerufen, denen zu widersprechen, die diese Schicksale verleugnen“, sagte Bürgermeister Michael Nöltner (CDU), der als Gast an das ESG gekommen war. Hans Oppenheimer sei bei seiner Deportation nur wenig älter als die anwesenden Schüler gewesen. „Die beiden Brüder wurden im Alter von 16 und 17 Jahren von ihrem Gymnasium ausgeschlossen“, merkte Vorleser Anton Ottmann an.

„So etwas darf sich nie wiederholen. Nie wieder!“, bekräftige Nöltner und erhielt von den Schülern Beifall. Diese verließen ihre Aula schweigend. „Mir macht das schon Angst. Die Menschen lernen irgendwie nicht so wirklich aus dem, was sie schon verbockt haben. Das zeigt sich ja jetzt auch wieder“, äußerte ein Zehntklässler, der anmerkte, dass er seinen Geschwistern von dem Vortrag berichten möchte.

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