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Die Täter kamen mit Eimern voll Benzin

Beim Novemberpogrom 1938 brannte die Bruchsaler Synagoge in nur 20 Minuten

Einige der Täter steigen über die Mauer der Bruchsaler Synagoge. Durch ein Fenster brechen sie in das jüdische Gotteshaus ein. Gegen 4.30 Uhr am 10. November 1938 öffnen sie von innen die Tür und lassen weitere SA- und SS-Männer hinein.

Die eindrucksvolle Synagoge von Bruchsal wurde im November 1938 während der Pogromnacht zerstört.
Die eindrucksvolle Synagoge von Bruchsal wurde im November 1938 während der Pogromnacht zerstört. Foto: Stadtarchiv Bruchsal

Die Täter brachten Benzin in Eimern oder einer Gießkanne mit, verteilten es und zündeten das Gebäude in der Friedrichstraße an.

Nach etwa 20 Minuten stand die prächtig ausgemalte Synagoge in Flammen und brannte bis 6 Uhr vollständig aus. Die Männer gingen ins Gasthaus „Grüner Hof“ zurück, wo sie sich für die Brandstiftung getroffen hatten.

Feuerwehr erst informiert, als alles schon ausgebrannt war

Erst um 5.45 Uhr wird aus dem Lokal heraus „offiziell“ die Feuerwehr alarmiert. Laut Augenzeugen in jener Nacht wurde aus ausgelegten Schläuchen selbst so spät nicht gelöscht.

Und zu diesem Zeitpunkt hatten rund 30 SA-Männer schon mit fanatischer Gewalt gegen jüdische Bruchsaler Geschäfte begonnen.

Beim Schuhladen Mayer in der Schlossstraße, dem Eisenhandel Dreyfuss in der Amalienstraße oder der Tuchhandlung Oppenheimer in der Bahnhofstraße wurden die Scheiben eingeschlagen. 

Dem Rabbiner wolle man „den Hals abschneiden“

Dahinter steckten “unbekannte Täter“, wie der bewusst falsche Polizeieintrag an jenem Morgen lautete. Schäden habe es zudem keine gegeben. Von einigen beobachteten Plünderungen erwähnt der Eintrag nichts.

Die Geheime Staatspolizei nahm außerdem zahlreiche Bruchsaler fest, weil sie Juden waren. Schon vor dem Brand hatten grölende SS-Männer die Verhaftung des Rabbiners Bernhard Grzymisch vor dessen Haus gefordert. Ansonsten würde man ihm den Hals abschneiden.

Die am 10. November 1938 ausgebrannte und eingestürzte Synagoge Bruchsal, erbaut 1881, wurde später gesprengt. Nachdem die Stadt das Areal im September 1939 gekauft hatte.
Die am 10. November 1938 ausgebrannte und eingestürzte Synagoge Bruchsal, erbaut 1881, wurde später gesprengt. Nachdem die Stadt das Areal im September 1939 gekauft hatte. Foto: Stadtarchiv Bruchsal

Es gab also viele Schauplätze und Opfer beim Novemberpogrom vor 85 Jahren in Bruchsal. Dort wie in ganz Deutschland setzte die Prügeltruppe der NSDAP und Hilfspolizei namens „Sturmabteilung“ (SA) um, was von oben befohlen war: Gewalt gegen Juden und ihre Synagogen als Rache für den Tod des deutschen Gesandten von Rath in Paris, der von einem 17-Jährigen umgebracht wurde.

Herschel Grünszpan war verzweifelt, weil seine Eltern wie Tausend andere Juden von den Deutschen in ein Grenzgebiet zu Polen abgeschoben wurden.

Jürgen Stude hat in seinem Buch „Geschichte der Juden in Bruchsal“ (Verlag regionalkultur 2007) die örtlichen Ereignisse des 9. und 10. November dargestellt. Damals wurde auch die Philippsburger Synagoge angezündet und die Synagoge in Untergrombach verwüstet.

Nur zwei Brandstifter wurden 1946 verurteilt

Als Haupttäter des Bruchsaler Synagogenbrands wurden die SA-Männer Edgar Schweizer und Otto Wachter im Juli 1946 zu drei und einem Jahr Gefängnis verurteilt. Beteiligt waren mindestens elf weitere Männer aus Bruchsal oder Umgebung. Darunter ein Automechaniker, der Wirt des Grünen Hofs oder ein Vermessungsinspektor. 

CAD-Modell der Bruchsaler Synaoge
Bis zu ihrer Zerstörung durch Nationalsozialisten 1938 war die Bruchsaler Synagoge auf vielen Postkarten abgebildet. Heute ist sie nur noch auf Fotos oder eben virtuell zu betrachten, wie auf diesem CAD-Modell. Foto: Simulation Jürgen Schoner

Den örtlichen Befehl für die Brandstiftung, alternativ war auch Sprengung vorgegeben, gab der hauptamtliche SA-Führer, Ritter August von Eberlein.

Er meldete später am 10. November 1938 den Vollzug. Die Bruchsaler Täter gingen entgegen den Weisungen in Uniform ans Zerstörungswerk. Das lag wohl an einem Übermittlungsfehler in der Nacht. Denn die Nazis wollten die Gewalt als Volkszorn und nicht als Staatsterrorismus aussehen lassen.

Am Ort des Anschlags war der Bruchsaler NSDAP-Kreisleiter Emil Epp, der sich stets als fanatischer Judenhasser zeigte. Und etwa später einen Zahnarzt des Bruchsaler Gefängnis zur Rede stellte, weil er einen jüdischen Häftling behandelt hatte und erklärte: „Ich würde diese Verbrecher nicht behandeln, ich würde ihnen den letzten Zahn aus der Fresse schlagen.“

Systematische Gewalt gegen Juden seit 1933

Die Gewalt gegen die jüdischen Bürger Bruchsals, 1933 waren es 500, begann auch nicht im November 1938.

Seit der Machtübergabe an die Nazis gab es gezielte persönliche Schmähungen und Drohungen, den Ausschluss aus der Justiz, dem Gesundheits-, Bildungs- und Verwaltungssystem, perfide „Rassegesetze“ und Boykott jüdischer Geschäfte und Firmen. Wer sich nicht am Rassismus beteiligte oder gar Juden würdigte, wurde selbst verhöhnt und bedroht. Schon vor 1933.

Bereits seit August 1938 mussten jüdische Menschen, oder wen die Nazis dazu erklärten, zusätzliche die Vornamen Sara oder Israel tragen, um sie zu stigmatisieren – dies alles waren gezielte und dank fehlendem Widerstand nie gestoppte Schritte hin zu Deportation und dem millionenfachen Mord in Konzentrations- und Vernichtungslagern.

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