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Online-Ausstellung über Bretten in der NS-Diktatur gut besucht

Der virtuelle Rundgang durch Brettens Stadtmuseum kommt gut an. Viele Besucher nutzen das Angebot. Mehr als doppelt so viele hat man damit erreicht als mit der stationären Ausstellung.

Einen digitalen Rundgang durch die Ausstellung „Bretten 1933-1945: Diktatur in einer badischen Kleinstadt“ ermöglicht die Online-Version. Stadtarchivar Alexander Kipphan und seine Mitarbeiterin Catherine Fournell sind über die große Resonanz sehr erfreut.
Einen digitalen Rundgang durch die Ausstellung „Bretten 1933-1945: Diktatur in einer badischen Kleinstadt“ ermöglicht die Online-Version. Stadtarchivar Alexander Kipphan und seine Mitarbeiterin Catherine Fournell sind über die große Resonanz sehr erfreut. Foto: Hansjörg Ebert

Die digitale Präsentation der Ausstellung „Bretten 1933-1945: Diktatur in einer badischen Kleinstadt“ stößt auf eine starke Resonanz. Rund 938.000-mal haben Nutzer auf eine der Seiten dieser Ausstellung geklickt.

Weit über 4.000 Besucher hat das System seit der Eröffnung des virtuellen Rundgangs am 18. Dezember gezählt. Das sind mehr als doppelt so viele, wie die Ausstellung zwischen Mai und Oktober in natura gesehen haben.

Mit dieser Resonanz sind Stadtarchivar Alexander Kipphan und seine Mitarbeiterin Catherine Fournell überaus zufrieden.

 Es gibt auch Anfragen aus England und den USA.
Alexander Kipphan
Stadtarchivar

„Die meisten Besucher kommen aus Bretten und der Region, es gibt aber auch Anfragen aus England und den USA“, bekundet der Stadtarchivar, dem es besonders wichtig ist, dass die Ausstellung international zugänglich ist. Insbesondere im Blick auf jüdische Nachfahren von Holocaust-Opfern.

Aus diesem Grund hat sich Catherine Fournell die Arbeit gemacht, sämtliche Ausstellungstexte ins Englische zu übersetzen. „Eine muttersprachliche Historikerin hat das Ganze dann noch einmal durchgeschaut“, sagt die Archivmitarbeiterin.

3D-Kamera hat die Brettener Ausstellung aufgenommen

Das Team 360Grad um Stefan Schillinger aus Schopfloch im Schwarzwald hat die virtuelle Ausstellung mit einer 3D-Kamera aufgenommen und erstellt.

Der Besucher kann den Eingangsbereich und sechs weitere Räume betreten. Per Mausklick öffnen sich Infotafeln und Vitrinen, an die man sich heranzoomen kann, als ob man davor stünde. So lassen sich die Infos etwa über die politische Gleichschaltung, die NS-Propaganda im Alltag, das Schicksal der jüdischen Mitbürger oder die Zwangsarbeiter in Bretten eingehend studieren.

„Wir wollen mit dieser Ausstellung gerade in Zeiten, in denen sich die Demokratie wieder stark machen muss, sachlich aufklären, wie es zur Machtübernahme in Bretten kommen konnte und was für Folgen das hatte“, erklärt Kipphan. Die digitale Aufbereitung erlaube dies nun auch nach dem Ende der analogen Variante. So könne sich gerade auch die jüngere Generation über dieses finstere Kapitel der deutschen Geschichte informieren.

Verfolgung geschah auch in Bretten vor der Haustür

„Für Schüler ist besonders eindrücklich, wie jüngst bei der Stolperstein-Verlegung für Mina Schabinger zu erleben, dass die Verfolgung von Minderheiten auch hier in Bretten gleichsam vor der Haustür stattgefunden hat“, bekundet Catherine Fournell. Das Thema dürfe nicht in Vergessenheit geraten, auch wenn die letzten Zeitzeugen sterben.

In diesem Zusammenhang ist es dem Stadtarchivar wichtig, etwas richtigzustellen, was in jüngster Zeit in verschiedenen Medien kursierte. „Es gab einen kleinen Fehler auf dem alten Stolperstein für Mina Schabinger, auf den uns die Historikerin Lea Münch im vergangenen Jahr aufmerksam gemacht hatte“, berichtet er.

So sei der Vorname nicht korrekt gewesen und Mina Schabinger der T4-Aktion zugeordnet worden. So wird der systematische Massenmord der Nazis an kranken und behinderten Menschen von 1939 und 1942 bezeichnet.

„Mina Schabinger war zwar für die T4-Aktion vorgesehen, die Familie konnte das aber wohl durch ihr beherztes Eingreifen verhindern“, erläutert der Archivar. Kein Zweifel bestünde jedoch an der Tatsache, dass Mina Schabinger, die aus Bretten stammt, psychisch krank war und der Glaubensgemeinschaft der Sieben-Tage-Adventisten angehörte, Opfer der dezentralen Euthanasie der Nazis wurde.

Stolperstein-Aktion seit 20 Jahren in Bretten

Zu diesem Fazit kommt auch die Historikerin Lea Münch, die die Leidensgeschichte von Mina Schabinger sorgfältig recherchiert hat. Ihr Fazit: Beim Ableben der Adventistin handelt es sich um einen intendierten Medikamententod, der durch strukturelle Vernachlässigung in vielen Bereichen zumindest begünstigt oder beschleunigt wurde. Damit sei Mina Schabinger als Opfer der dezentralen Krankenmorde in der Heilanstalt Hoerdt im Elsass anzusehen.

„Es gibt aus unserer Sicht auch keinen Anlass, irgendetwas an der bisherigen Praxis der Stolperstein-Verlegung zu ändern“, wehrt sich Kipphan gegen einschlägige Kritik. Die Aktion laufe unter der Regie des Melanchthon-Gymnasiums seit 20 Jahren sehr gut, die Schüler seien mit großem Engagement dabei. Und hätten in Absprache mit dem Stadtarchiv die Geschichte von Mina Schabinger auch richtig wiedergegeben.

Werden weitere Ausstellungen in Bretten online zugänglich gemacht?

Ob auch die künftigen Ausstellungen im Städtischen Museum im Schweizer Hof online zugänglich gemacht werden, ist laut Kipphan noch offen. Wünschenswert sei das allemal. Doch das müsse die Stadt im Einzelfall entscheiden, ob sie dafür Zeit und Mittel bereitstellen wolle.

Gleiches gilt für eine Kommentarfunktion für die Online-NS-Ausstellung. Auch das müsse sorgfältig bedacht werden. Denn eine solche Sparte müsse man pflegen, Schmähkommentare aussortieren und mögliche Fragen beantworten. Und auch das bedeute eine nicht unerhebliche Arbeit.

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