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Barrierefreiheit in der Kunst

Gehörlose erleben Theater an der Badischen Landesbühne in Bruchsal dank Dolmetschern neu

Die Badische Landesbühne in Bruchsal beschäftigt jetzt Gebärdendolmetscher. Sie sollen Barrieren abbauen und Kultur leichter zugänglich machen. Wie funktioniert das?

Die Gebärdensprachdolmetscher Marion Schick und Ralf Wiebel (beide ganz ins schwarz) folgen Evelyn Nagel und Markus Hennes auf Schritt und Tritt
Die Gebärdensprachdolmetscher Marion Schick und Ralf Wiebel (beide ganz ins schwarz) folgen Evelyn Nagel und Markus Hennes auf Schritt und Tritt Foto: Badische Landesbühne Bruchsal

Soll er seiner Ehefrau eine Niere spenden? Das ist doch riskant. Gerade jetzt, kurz vor der Eröffnung des von ihm entworfenen Hochhauses in Paris. Also lieber eine Niere aus dem Internet? Dieser Abend bei der Badischen Landesbühne (BLB) geht dem Publikum nicht nur an „Die Niere“, sondern auch ganz schön an die Lachmuskeln.

Für das Publikum aus Heidelberg und Mannheim ist es zudem ein ganz besonderer Abend: Sie sind gehörlos und haben so gut wie nie die Gelegenheit, eine barrierefreie Theaterinszenierung zu besuchen.

Dolmetscher geben Geschehen auf der Bühne in Bruchsal spontan wieder

Marion Schick und Ralf Wiebel sind es, die wie schwarze Schatten die Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne begleiten und als Gebärdensprachdolmetscher simultan übersetzen. Nein, sie haben nicht den Text auswendig gelernt. Vielmehr nehmen sie genau das auf, was die Akteure gerade sagen, auch deren Gefühle.

Das geben sie mit Mundbild, Gebärden, Gestik und Mimik wieder. Es scheint, als tauchten die Gebärdensprachdolmetscher in die Figuren hinein, um deren Stimmungen durch ihre körperbetonte Gebärdensprache noch zu verstärken.

Intendant der Badischen Landesbühne wünscht sich mehr Teilhabe

Zum zweiten Mal bietet die BLB nun eine Aufführung für gehörlose Menschen an; im Frühjahr folgt ein Stück im Jungen Theater. Denn es ist der Wunsch des neuen Intendanten Wolf E. Rahlfs, mehr kulturelle Teilhabe zu ermöglichen und verschiedene inklusive Angebote ins Programm aufzunehmen.

Mittlerweile, so Dramaturgin Fränzi Spengler, gibt es deshalb eine Kooperation mit dem Landesverband der Gehörlosen Baden-Württemberg. „Dort haben wir über die Dolmetschervermittlungszentrale Marion Schick gefunden.“ Nachdem dann das Zentrum für kulturelle Teilhabe eine Förderung zugesagt hatte, stand dem Projekt nichts mehr im Weg.

Wir wussten überhaupt nicht, was uns erwartet, doch wir alle haben uns darauf eingelassen.
Fränzi Spengler
Dramaturgin an der Badischen Landesbühne

Ein Weg freilich, der die BLB vor ganz neue Herausforderungen stellte. Welches Stück eignet sich? Wo sollen die Gebärdensprachdolmetscher platziert werden? Wie arbeiten sie mit den Schauspielern zusammen?

„Wir wussten überhaupt nicht, was uns erwartet, doch wir alle haben uns darauf eingelassen“, sagt Dramaturgin Spengler.

„Es ist so toll, dass die BLB den Mut hatte, das Dolmetschen mit uns auszuprobieren“, so Marion Schick. Mit Erfolg. Denn auch wenn sie und Ralf Wiebel den Schauspielern auf Schritt und Tritt folgen, werden sie von ihnen kaum wahrgenommen.

„Ich denke gar nicht mehr an euch, so sind wir schon zusammengewachsen“, merkt Schauspielerin Alice Katharina Schmidt an.

Dolmetscher machen Erlebnis an der Landesbühne in Bruchsal intensiver

Und genau dieses Zusammengewachsene, dieses zusätzliche körperbetonte Dolmetschen macht das Theatererlebnis für hörende Zuschauerinnen und Zuschauer sogar noch intensiver, verstärkt es doch das Spiel der Schauspielerinnen und Schauspieler.

Auch Melanie und Marcus Stoll, die eigens aus Heidelberg gekommen sind, schwärmen: „Ein wundervoller Abend“. Besonders die transferierten Sprachwitze haben ihnen gut gefallen. „Wir haben sonst kaum Gelegenheit, Theater in der Welt der Hörenden zu erleben“, sagt Marcus Stoll. „Dabei ist es so schön, wenn auch wir an der Welt der Hörenden teilnehmen.“

Die Badische Landesbühne zeigt „Die Niere“ im Hexagon des Bruchsaler Stadttheaters am Sonntag, 29. Oktober, und Donnerstag, 14. Dezember, jeweils ab 19.30 Uhr. An anderen Spielstätten läuft das Stück ebenfalls.

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