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Vatikan-Erklärung „Fiducia supplicans“

Denise und Julia Thiele aus Kraichtal wollen vor Gott „Ja“ sagen

Der Papst erlaubt neuerdings die Segnung homosexueller Paare. Pfarrer Wolfram Stockinger praktiziert dies in Kraichtal schon seit längerer Zeit.

Vor dem Standesamt sind Denise (links) und Julia Thiele seit April 2023 verheiratet. Von Pfarrer Stockinger bekommen sie im Juli nun den christlichen Segen.
Vor dem Standesamt sind Denise (links) und Julia Thiele seit April 2023 verheiratet. Von Pfarrer Stockinger bekommen sie im Juli nun den christlichen Segen. Foto: Denise Thiele

Jahrelang war Denise in Kraichtal Ministrantin, hat dort viele Mädchen und Jungen auf ihre Firmung vorbereitet, sie in ihrem Glauben an Gott bestärkt. Und sie träumte wie so viele junge Mädchen davon, einmal ganz in Weiß in der Kirche vor Gott zu heiraten. Irgendwann fand sie schließlich ihre große Liebe, mit der sie gemeinsam durchs Leben gehen wollte.

Trotzdem drohte der Traum von einer Hochzeit mit Gottes Segen wie eine Seifenblase zu platzen. Denn Denise hatte sich in eine Frau verliebt.

Ein Segen für ein gleichgeschlechtliches Paar? In der Kirche – katholisch wie evangelisch – undenkbar. Dennoch werden sie in Kraichtal von Pfarrer Wolfram Stockinger gesegnet.

Pfarrer Stockinger sieht Änderung als unspektakulär

Möglich macht es, zumindest offiziell, die Grundsatzerklärung „Fiducia supplicans“ von Papst Franziskus. Dank ihr können in der katholischen Kirche künftig unverheiratete und homosexuelle Paare gesegnet werden.

Für Pfarrer Stockinger von der katholischen Kirchengemeinde Kraichtal-Elsenz ist das Ganze freilich eher unspektakulär: „Ich kann schon immer alle Menschen und tausende Dinge segnen, beispielsweise Orte des täglichen Lebens und der Arbeit, Bilder, Obst und Brot. So steht es im liturgischen Buch De Benedictionibus geschrieben.“ Warum solle man dann nicht zwei Menschen, die sich gern haben, segnen, wenn sie es wollen?

Wir alle leben in dieser Wirklichkeit, auch die Kirche.
Wolfram Stockinger 
Pfarrer

Im Gegenteil. „Der Segen drückt die barmherzige Umarmung Gottes aus, weil wir ihm als Mensch wichtig sind, unabhängig davon, wen wir lieben.“ Das kann man niemandem verwehren.

Vom Sakrament der Ehe ist der Segen noch weit entfernt

Schlimm, dass in Kirche überhaupt darüber geredet werden muss, meint Stockinger. Zumal gleichgeschlechtliche Paare in der Gesellschaft längst akzeptiert und normal sind. „Wir alle leben in dieser Wirklichkeit, auch die Kirche.“

Vom Sakrament der Ehe ist der Segen allerdings noch weit entfernt, das legt die päpstliche Grundsatzerklärung fest. Stockinger möchte sich nun mit seinen Kollegen darüber austauschen, in welchem Rahmen Segnungen gleichgeschlechtlicher oder wiederverheirateter Paare stattfinden können. Beispielsweise in einer kleinen Kapelle oder – unabhängig vom Gottesdienst – in der Kirche.

Denise und Julia Thiele lassen sich im Juli segnen

Für Denise und Julia Thiele ist es auf jeden Fall im Juli soweit. Sie sind dankbar, in Wolfram Stockinger einen Pfarrer zu haben, der ihnen den Segen nicht als Pflicht erteilt, sondern „weil er uns als Menschen genauso akzeptiert wie wir sind“.

Für beide ist der Glaube Halt und Konstante im Leben. Und genau deshalb wollen sie ihre Ehe nicht nur per Standesamt vor dem Gesetz anerkannt wissen. „Wir möchten den christlichen Segen für unsere Ehe, weil wir uns mit Gott verbunden fühlen.“

Schließlich sind Denise und Julia ein ganz normales Ehepaar, stehen füreinander ein und wollen vor Gott wie viele andere auch Ja sagen dürfen. Wie sagte Franziskus zu Beginn seines Pontifikats 2013: „Wenn jemand homosexuell ist und guten Willens nach Gott sucht, wer bin ich, darüber zu urteilen?“

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