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Ausbildung von Erzieherinnen

„Sancta“ in Bruchsal: Ende des Erzieherinnen-Mangels ist nicht in Sicht

Sancta-Schulleiterin Susanne Wessels spricht zum Abschied in Bruchsal über Fachkräftemangel und den Umgang mit dem Thema Missbrauch in der Erzieher-Ausbildung.

Nach neun Jahren als Schulleiterin am „Sancta“, der katholischen Fachschule für Sozialpädagogik in Bruchsal, geht Susanne Wessels wieder nach Berlin.
Nach neun Jahren als Schulleiterin am „Sancta“, der katholischen Fachschule für Sozialpädagogik in Bruchsal, geht Susanne Wessels wieder nach Berlin. Foto: Heike Schaub

Nach neun Jahren als Schulleiterin der katholischen Fachschule Sancta Maria in Bruchsal wird Susanne Wessels (61) am Freitag, 26. Januar, verabschiedet.

1888 ursprünglich als Haushaltsschule gegründet, bestimmten jahrzehntelang die Gengenbacher Franziskanerinnen die Schule. Seit 1981 gibt es die private Fachschule für Sozialpädagogik. Drei Schwestern leben immer noch in dem Gebäude an der Hochstraße. Vor zwei Jahren hat das Erzbistum Freiburg offiziell die Trägerschaft übernommen.

Auch in Kindergärten rund um Bruchsal fehlen Erzieherinnen

Aktuelle Themen wie der Missbrauchsverdacht in einer Forster Kita werden auch unter den rund 160 Schülerinnen und Schülern diskutiert. Das Thema hat sie in der Vergangenheit auch persönlich betroffen gemacht.

Susanne Wessels erklärt, wie sich in Zukunft der Fachkräftemangel bei den Kitas entwickeln wird. Bundesweit fehlen 400.000 Erzieherinnen und Erzieher. Auch in Kindergärten rund um Bruchsal ist die Lage schwierig. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft rechnet für 2025 mit 40.000 fehlenden Erzieherinnen allein in Baden-Württemberg.

Der Missbrauchsverdacht in einer Forster Kita hat Eltern und Erzieherinnen verunsichert. Wie wird das Thema in der Ausbildung angesprochen?
Susanne Wessels
Aktuelle Fälle oder Berichte in Zeitungen sind immer wieder der Aufhänger für Gespräche im Unterricht. Was darf ich, wo beginnt die Abgrenzung im Umgang? Ein „Nein“ oder ein „Stopp“ muss immer akzeptiert werden. Egal, wie alt das Kind ist. Das gilt nicht nur für männliche Erzieher, sondern kann auch eine Frau betreffen, wenn ein Kind eine der Erzieherinnen beispielsweise weniger mag. Mittlerweile haben so gut wie alle Kitas Schutzkonzepte entwickelt, mit denen das Team sensibilisiert werden soll. Da wird beispielsweise geschaut, dass der Wickeltisch so aufgebaut wird, dass die Kinder nicht auf dem Präsentierteller liegen. Andererseits sollte der Wickeltisch einsehbar sein. In der Ausbildung gehört der Bereich der sexuellen Entwicklung und der sexuellen Selbstbestimmung zu den verbindlichen Unterrichtsthemen.
Der Fachkräftemangel hat auch die Kitas erreicht. Wie sehen Sie die Zukunft?
Susanne Wessels
Die Lage ist immer noch angespannt. In Sancta Maria haben wir zwei große Klassen und wollen gerne wieder dreizügig werden. Der Zustrom ist stärker. Ich befürchte aber, dass nach Corona viele Schüler erst einmal nicht wussten, was sie machen sollten und ein weiteres Schuljahr oder eine Auszeit absolvierten. Die haben erst jetzt mit der Ausbildung angefangen. Mit verschiedenen Programmen wie der dreijährigen praxisintegrierten Ausbildung (Pia) oder dem Direkteinstieg an Kitas sollen verstärkt Quereinsteiger motiviert werden. Das funktioniert auch. Wir haben daher auch zunehmend ältere Auszubildende mit anderweitiger Berufserfahrung. Etwa 20 Prozent aller Auszubildenden sind Männer. Dass wir den Fachkräftemangel in den nächsten zehn Jahren beheben, sehe ich aber nicht, weil jetzt die Boomer-Generation auch in den Kindertageseinrichtungen in Rente geht.
Muss man katholisch sein, um bei Sancta Maria eine Ausbildung zu machen?
Susanne Wessels
Nein, als Schülerin oder Praktikant kann man jeder Religion angehören oder auch gar keiner oder gegebenenfalls aus der katholischen Kirche ausgetreten sein. Anders sieht es allerdings anschließend aus, wenn man als Erzieherin in einer katholischen Einrichtung arbeiten will und nicht mehr in der katholischen Kirche ist. Das geht nicht, weil man sich ja gerade mit dem Austritt aktiv gegen die Kirche entschieden hat. Wir haben vor allem in der Pia-Ausbildung viele Schülerinnen mit Migrationshintergrund. Das wird noch zunehmen. Im Moment ist es noch ein Problem, mit einem Kopftuch als Erzieherin in einer katholischen Kita zu arbeiten. Aber da versuchen wir, im Einzelfall individuelle Lösungen zu finden. Wichtig ist uns als katholische Schule, dass unsere Auszubildenden bereit sind, an religiösen Angeboten der Schulgemeinschaft und am Religionsunterricht teilzunehmen. Ich finde, religiöses Grundwissen gehört einfach zur Allgemeinbildung. Und weil Deutschkenntnisse sehr wichtig sind, bieten wir zusätzlich das Fach „Deutsch als Fremdsprache“ an.
Ab Februar gibt es in Sancta Maria eine neue Schulleiterin, wer ist das?
Susanne Wessels
Melanie Biniwersi, meine bisherige Co- und frühere stellvertretende Schulleiterin, wird die Leitung übernehmen. Sie ist seit 2012 Lehrerin an der Schule, ist sehr kompetent, Mutter von drei Kindern und kennt sich in der pädagogischen Praxis aus. Für mich passt der Wechsel jetzt, weil ich hoffe, kein „unbestelltes Feld“ zu hinterlassen. Und nach den aufreibenden Jahren mit Trägerwechsel und Corona ist jetzt wieder Luft für Gestaltung.
Sie kamen vor neun Jahren von einem katholischen Gymnasium in Berlin nach Bruchsal, wie geht es für Sie nun weiter?
Susanne Wessels
Der enge Kontakt mit den anderen Schulleitern, dem Schulamt, zu vielen Einrichtungen in Bruchsal und mit den Schwestern hat mir das Einleben sehr erleichtert. Katholische Schulen haben mich mein ganzes Leben lang begleitet: von der Schülerin am Ursulinengymnasium in Hildesheim bis zur Mutter von drei Kindern am Canisiuskolleg Berlin. Dort wurden 2010 Missbrauchsvorwürfe laut und der Missbrauchsskandal der katholischen Kirche kam ins Rollen. Ich habe in dieser Zeit katholische Schulen niemals als Orte der Angst und Bedrohung erfahren, sondern immer als Orte des Vertrauens. Auch das gibt es. Mein Mann arbeitet weiter in Karlsruhe, sodass ich immer wieder in der Region bin. In Berlin beginnt dann der passive Teil meiner Altersteilzeit. Dort wartet ein renovierungsbedürftiges Haus mit Garten. Ich freue mich nach so vielen Jahren auf endlich verfügbare freie Zeit, werde das Sancta aber vermissen.

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