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Erinnerungen an weiche Klänge

Wie eine Glockengießerei aus dem 19. Jahrhundert Wiesental bis heute prägt

Bis 1861 arbeitet Karl Riedel als Glockengießer in Waghäusel-Wiesental. Bis heute gibt es in der Region noch einige der Riesel-Glücken - und auch in Wiesental ist die Ortsangabe „bei Glockengießers“ noch gängig.

Auf dem Türmchen der Eremitage und in der Kantine der Zuckerfabrik hingen kleinere Glocken. Sie stehen jetzt im Heimatmuseum.
Auf dem Türmchen der Eremitage und in der Kantine der Zuckerfabrik hingen kleinere Glocken. Sie stehen jetzt im Heimatmuseum. Foto: Werner Schmidhuber

In ganz Deutschland soll es nur noch sieben Glockengießereien geben. Daran lässt sich erkennen, wie selten und wie bedeutsam dieses alte Handwerk ist. Wiesental war im 19. Jahrhundert in der ganzen Region für seine erfolgreiche Glockengießerei bekannt. Der fleißige Karl Riedel stellte in seiner Werkstatt im Hinterhof der Karlsruher Straße 23 im Laufe von 25 Jahren Hunderte von Glocken her.

Karl Riedel absolvierte eine Ausbildung zum „Pionier“

Heute erinnert nichts mehr an den ortsansässigen Malocher. Zwei seiner ersten Glocken hatte der aus Neckarelz stammende junge Mann 1836 im Auftrag des Wiesentaler Gemeinderats für die damalige Barockkirche St. Jodokus und St. Nikolaus gefertigt.

Karl Riedel, 1808 geboren, arbeitete - nach einer mehrjährigen Ausbildung als „Pionier“ bei der Großherzoglichen Stückgießerei in Karlsruhe - hauptsächlich südlich von Heidelberg und Mannheim. Obgleich er selbst dem protestantischen Glauben angehörte, heiratete er 1839 das katholische Fräulein Elisabetha Köhler aus Hambrücken.

Auf dem unbebauten Grundstück gegenüber dem heutigen „Reichsadler“, jetzt das Geschäfts- und Wohnhaus Karlheinz Fühl, richtete er sich eine Glockengießerei ein, die als Besonderheit des Ortes galt. Heute ist noch die alte Ortsangabe „bei Glockengießers“ gängig.

1846 vereinbarte die Gemeinde mit Riedel den Guss einer großen neuen Glocke. 900 Kilogramm brachte das Kirchengeläut auf die Waage.
1846 vereinbarte die Gemeinde mit Riedel den Guss einer großen neuen Glocke. 900 Kilogramm brachte das Kirchengeläut auf die Waage. Foto: Werner Schmidhuber

Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Riedel 1852 erneut. Und obwohl er nach Rotenberg (heute ein Stadtteil von Rauenberg) zog, übte er seinen Beruf bis etwa 1861 weiterhin in Wiesental aus. Seine Tochter aus erster Ehe schloss 1878 mit dem 27-jährigen Peter Hormuth den Bund der Ehe.

Dem treuen Gesellen hatte der Meister seine Tochter Emma zur Frau versprochen, um diesen von einer Auswanderung nach Amerika abzuhalten und die Betriebsnachfolge zu sichern. Der Schwiegersohn, als „letzter Wiesentaler Glockengießer“ in die Ortsgeschichte eingegangen, übernahm später die Werkstatt.

Im Ersten Weltkrieg wurden einige Glocken abtransportiert

1846, nach Fertigstellung des neuen Gotteshauses, vereinbarte die Gemeinde mit Riedel den Guss einer großen neuen Glocke. 900 Kilogramm brachte das Kirchengeläut auf die Waage. Die älteren Wiesentaler konnten sich noch gut an den „sehr weichen, schönen Klang“ erinnern. Im selben Jahr fertigte er auch eine Glocke für die Wallfahrtskirche 1917, im Ersten Weltkrieg, konnte niemand den Abtransport und die Zweckentfremdung aller Wiesentaler Riedel-Glocken aus der Zeit zwischen 1836 und 1846 verhindern.

In der weiten Region gibt es noch einige Riedel-Glocken, die überlebt haben. Auf dem Türmchen der Eremitage und in der Kantine der Zuckerfabrik hingen kleinere Glocken, die der große Meister 1860 und 1861 gefertigt hatte: vermutlich seine letzten Werkstücke. Sie stehen jetzt im Heimatmuseum.

In alten Zeiten wanderten die Glockengießer mit ihren Gerätschaften durch das Land und schlugen dort ihre Gießhütten auf, wo sie gerade einen Auftrag erhielten. So könnte 1836 der 28-jährige Riedel nach Wiesental gekommen sein und sich sesshaft gemacht haben.

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