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Europäisches Mobilitätspaket

Warum Lkw-Fahrer rund um Bruchsal lieber in ihrem Truck schlafen

Die Europäische Union will einen gerechteren Wettbewerb in der Speditionsbranche schaffen. Aus diesem Grund wurde das sogenannte Mobilitätspaket beschlossen. Doch was bringt das in der Praxis?

Die Fotos zeigen die Parksituation auf der Raststätte Bruchsal-West (Richtung Karlsruhe).
Lkw an der Raststätte Bruchsal-West (Richtung Karlsruhe): Die EU will die Situation der Fahrer verbessern – mit neuen Regeln. Foto: Martin Stock

Von Martin Stock

Nach drei Jahren mit langem Ringen, Diskutieren und Verändern in Gremien und Ausschüssen hat nun kürzlich das Europa-Parlament das so genannte Mobilitätspaket beschlossen. „Die Regeln sind klar, fair und durchsetzbar. Sie werden die Arbeits- und Sozialbedingungen für Kraftfahrer verbessern”, hatte Timo Harakka, finnischer Minister für Verkehr und Kommunikation und Präsident des Rates der EU, schon im Dezember 2019 verkündet, noch während der Diskussionsphase.

Das Mobilitätspaket regelt unter anderem die Arbeits- und Ruhezeiten für Fernfahrer, wo sie die Ruhezeiten verbringen müssen, die Rückkehr der Fahrer in ihr Heimatland und ebenso die Rückführung der Lkw sowie die Überwachung der Regelungen mittels moderner nicht manipulierbarer Fahrtenschreiber. Diese umfassende Reform für den Kraft- und Lieferverkehrssektor in Europa kann somit in Kraft treten – gestaffelt im Zeitraum von 2020 bis 2025. Ob dies wirklich als gut empfunden wird in der Praxis, wollten die BNN auf der Raststätte Bruchsal erfahren.

Zunächst war es schwierig, einen Fahrer zu finden, mit dem man sich verständigen konnte. Die Kennzeichen wiesen auf alle möglichen europäischen Länder hin: Spanien, Litauen, Polen, Tschechien, Bulgarien, Ungarn, Rumänien oder Türkei. Selbst bei einem deutschen Kennzeichen hieß es: „Ich verstehe nicht. Ich bin türkisch.”

Bestimmungen sorgen bei langem Heimweg für Probleme

Ein Rumänischer Kraftfahrer mit Englischkenntnissen konnte Auskunft geben. Er kochte gerade sein Mittagessen auf der Pritsche seines leeren Lkw. Die Bestimmungen seien schwierig für sie, die einen weiten Heimweg haben. Lkw-Fahrer außerhalb der Kabine in einer festen Unterkunft übernachten zu lassen, sei teuer – und ebenso die vierwöchentliche Fahrt nach Hause oder die Rückführung der Lkw nach acht Wochen. Dies behindere ihre Transporttätigkeit.

Siegfried Hegelmann, Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition in Bruchsal, lobt den Komfort in einer modernen Fahrerkabine im Gegensatz zur niedrigen Qualität von Unterkünften in den zu erwartenden Mehrbett-Containern neben der Autobahn. Das Ziel, die Situation der Fahrer zu verbessern, werde durch die neuen Regelungen nicht erreicht, sagt er. „Die Fahrer wollen meist lieber bei ihrem Truck bleiben.

Außerdem: Wer sorgt für die Sicherheit der Ladung, wenn der Fahrer über Nacht nicht da ist?” Dieses Problem sehen auch die Gesetzgeber und wollen den Bau von sicheren Abstellplätzen fördern.

Eine Lösung für dieses Problem entwickelt gerade eine Firma aus Bruchsal: Abona – in Hausgemeinschaft mit Hegelmann. Sie hat einen Truck-Tower entworfen, ein Parkhaus nur für Lkw, das auf engem Raum, in der Regel sechs bis sieben Fahrzeuge auf dem Platz von zwei, sicher unterbringt in einem ausgeklügelten „Liftsystem” auf Schwerkraftbasis . Zum gesamtem Komplex gehören auch Unterkünfte mit Duschen.

„Wir sind in Gesprächen mit Politikern und Genehmigungsbehörden, um hier in der Region einen Prototyp bauen zu können”, sagt Leonid Kuhn, Geschäftsführer von Abona. „Wir wollen in der Praxis zeigen, dass unser System funktioniert.” Lkw gebe es ja zuhauf.

Ist der Truck-Tower die Lösung?

Der Truck-Tower könnte in der Tat ein Ausweg aus der Misere sein, fast ein „Ei des Kolumbus”. Denn was nützten die gut gemeinten Regeln, wenn die Infrastruktur fehle, nämlich sichere Parkplätze und ordentliche Übernachtungsmöglichkeiten und die Kontrolle nicht erfolge, so Hegelmann.

„Dann ist das Ganze ein zahnloser Tiger”, sagt Peter Gutekunst, Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition in Kraichtal. Ihn betreffen die neuen Regeln nicht, da er nur nationale Transporte durchführt. „Bei uns sind die Fahrer zumeist abends wieder zu Hause, spätestens aber am Wochenende”, sagt er.

„Aber die Regelungen können helfen, dass Preis-Dumping vom Markt verschwindet und die hiesigen Speditionen weniger unter Preis- und Zeitdruck stehen. Wir wollen gerechte Löhne für gute Fahrer bezahlen.” Die Praxis wird zeigen, was sich durchsetzt.

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