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Aussichten und Flugschneise

Neue Ausblicke dank Lothar: Wo der Jahrhundert-Orkan dem Tourismus geholfen hat

Sturm Lothar hat vor zwanzig Jahren viel kaputt gemacht im Schwarzwald – aber auch der ein oder anderen touristischen Attraktion den Weg geebnet. An diesen Orten gibt es neue Sportmöglichkeiten und die besten Aussichten:

Ohne Lothar wären diese Gleitschirmflieger vielleicht nie am Merkur abgehoben.
Ohne Lothar wären diese Gleitschirmflieger vielleicht nie am Merkur abgehoben. Foto: pr/BNN-Archiv

Sturm Lothar hat vor zwanzig Jahren viel kaputt gemacht im Schwarzwald – aber auch der ein oder anderen touristischen Attraktion den Weg geebnet.

Mit dem Kinderwagen hat man keine Chance auf dem Wildnispfad an der Schwarzwaldhochstraße. Durch enge Schluchten und über steile Leitern steigen Wanderer, umgestürzte Bäume versperren alle paar Meter den Weg. „Die Strecke ist nicht lang, aber man braucht ewig, weil man klettern muss”, sagt Gaby Baur von der Schwarzwald Tourismus GmbH. Sie schwärmt von dem „sehr hübschen” Sturmwurf-Pfad. Und ist damit nicht alleine.

Vor Lothar waren viele Bereiche an der Schwarzwaldhochstraße nicht so attraktiv wie heute.
Patrick Schreib (Baiersbronn Touristik)

Ganze Hänge waren kahl

Das Archivbild vom 04.05.2000 zeigt den durch Sturm "Lothar" fast völlig zerstörten Wald auf dem Mooskopf bei Gengenbach im Schwarzwald (Ortenaukreis).
Das Archivbild vom 04.05.2000 zeigt den durch Sturm "Lothar" fast völlig zerstörten Wald auf dem Mooskopf bei Gengenbach im Schwarzwald (Ortenaukreis). Foto: dpa/BNN-Archiv

Sturm Lothar hat im Schwarzwald 1999 ganze Berghänge glatt gebügelt – aber dem Tourismus auch neue Möglichkeiten gebracht. „Vor Lothar waren viele Bereiche an der Schwarzwaldhochstraße nicht so attraktiv, wie sie es heute sind”, sagt Patrick Schreib, Tourismusdirektor in Baiersbronn und Geschäftsführer der Nationalparkregion. Vielerorts haben die Menschen das Beste aus der Zerstörung gemacht: So zum Beispiel am Merkur, dem Baden-Badener Hausberg. Dort heben seit Anfang des Jahrtausends Gleitschirmflieger ab. Der erste war Martin Lohse, damals Vorsitzender des Gleitschirmvereins Baden. „Der Berg war komplett kahl”, erinnert sich Lohse an die Auswirkungen des zweiten Weihnachtsfeiertags vor zwanzig Jahren.

Das sah furchtbar aus.
Martin Lohse (Gleitschirmverein Baden) über die Sturmschäden

Wenige Wochen nach dem Orkan habe er sich die Gegend aus einem Kleinflugzeug heraus angeschaut. „Es sah aus, als sei ein Riese mit Quadratkilometer-großen Füßen durchgetrampelt”, beschreibt Lohse. Der Wald sei nicht komplett zerstört gewesen, vielmehr habe es überall kleinere Einbuchtungen gegeben. „Bei Kaltenbronn lagen die Bäume wie Mikadostäbe übereinander. Das sah furchtbar aus.”

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Noch zwei Jahre nach dem Orkan bot sich ein Bild der Zerstörung – hier in winterlichem Weiß.
Bildserie_Lothar_2001-Winter©CharlyEbel Foto: Nationalpark Schwarzwald/Charly Ebel

Vom Merkur aus konnte man plötzlich perfekt in die Ferne blicken: Lothar hatte ganz neue Sichtschneisen freigeschlagen. Und eine mögliche Flugbahn für den Gleitschirmverein. Als Startpunkt bot sich eine Wiese direkt neben der Bergbahn an. Mit der Stadt ging der Vereinsvorsitzende Lohse in Vertragsverhandlungen, die Oberbürgermeisterin Sigrun Lang habe die Idee unterstützt.

Verhandlungen mit Stadt und Kirche

Der Eingang zum Lotharpfad im Jahr 2018.
Der Eingang zum Lotharpfad im Jahr 2018. Foto: Nationalpark Schwarzwald/Daniel Müller

Die Wiese am Fuß des Berges, die der Verein als Landeplatz vorgesehen hatte, gehörte damals den Schwestern vom Heiligen Grab. „Ich habe die Priorin im Wohnstift besucht, ihr einen Film vom Fliegen gezeigt und erklärt, was wir vorhaben”, erzählt Lohse. „Sie fand es toll, hat im Erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg angerufen und sich für eine Verpachtung eingesetzt.”

Zwei Jahre nach Lothar weihte Lohse schließlich mit dem ersten offiziellen Flug das neue Gleitschirmgelände ein. Die Vereinsmitglieder, die zuvor jedes Wochenende in die Vogesen oder die Alpen gefahren waren, hatten nun ihr eigenes Fluggebiet direkt vor der Haustür.

Wo es dank Orkan Lothar besonders schöne Ausblicke gibt

Gute Aussichten gibt es dank Lothar aber nicht nur am Merkur. Tourismusdirektor Patrick Schreib schätzt zum Beispiel den Ausblick von der Zimmerplatzhütte. Vom Hohlohturm auf dem Kaltenbronn bot sich nach dem Sturm eine ganz neue Rundumsicht.

Der eigens dem Orkan gewidmete Lotharpfad ist ein beliebtes Ausflugsziel für Schüler, die dort etwas über die Zerstörungs- und Selbstheilungskräfte der Natur lernen können. Ähnlich sieht es am Wildnispfad aus – und bei vielen Gedenksteinen, die auch an die durch den Sturm und bei Aufräumarbeiten getöteten Menschen erinnern sollen.

Schwarzwaldhochstraße damals „so aussichtsreich wie nie”

Laut Wolfgang Weiler, Sprecher der Schwarzwald Tourismus GmbH, war die Schwarzwaldhochstraße nach Orkan Lothar „so aussichtsreich wie noch nie”. Der ganze nördliche Teil sei baumfrei gewesen. „Das war schon eine immense Chance für den Tourismus.” Nicht nur hätten sich gute Ausblicke geboten, vor allem ließ sich in der Folge das Waldwachstum beobachten. „Ein Erlebnisschauspiel”, nennt Weiler das.

Der Blick vom Lothar-Denkmal auf Gemarkung der Gemeinde Seebach.
Der Blick vom Lothar-Denkmal auf Gemarkung der Gemeinde Seebach. Foto: pr

Kletterfelsen standen plötzlich mitten im Freien und nicht mehr versteckt zwischen Bäumen, Sturmschneisen lockten Wanderer auf die Gipfel. Den vielleicht schönsten Ausblick hat man heute noch vom Westhang des Altsteigerkopfs, wo in 1075 Metern Höhe das bekannteste Lothar-Denkmal steht.

Viele andere Sichtachsen wachsen derweil langsam wieder zu. „Die Natur erholt sich erstaunlich schnell”, sagt Gaby Baur. „In den zwanzig Jahren seit dem Orkan sind die Bäumchen wieder hochgewachsen.” Am deutlichsten merkt man das vielleicht am Lotharpfad selbst: Wo bis vor einigen Jahren noch freie Sicht herrschte, gibt es mittlerweile eine erhöhte Aussichtsplattform – weil sonst vor allem junge Besucher den Schwarzwald vor lauter Bäumchen nicht mehr sehen.

Hier finden sich die Lothar-Sehenswürdigkeiten:

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