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Baden-Baden

Oberbürgermeisterin Margret Mergen: "Die Entwicklung beim Neuen Schloss ist mehr als bedauerlich"

Was würde sich Oberbürgermeisterin Margret Mergen für ihre Stadt wünschen, wenn sie einen Wunsch frei hätte? Dann sollte Baden-Baden wieder die Sommerhauptstadt Europas werden - als Ort der Begegnung und des kulturellen und politischen Dialogs. Das erklärte sie im großen Interview.

Die Spannung steigt: Im Sommer 2020 fällt die Entscheidung über die Welterbe-Bewerbung mit Baden-Badener Beteiligung. Oberbürgermeisterin Mergen steht hier vor Tafeln einer Ausstellung zum Projekt, die im Rathaus Baden-Baden zu sehen ist.
Die Spannung steigt: Im Sommer 2020 fällt die Entscheidung über die Welterbe-Bewerbung mit Baden-Badener Beteiligung. Oberbürgermeisterin Mergen steht hier vor Tafeln einer Ausstellung zum Projekt, die im Rathaus Baden-Baden zu sehen ist. Foto: Pressestelle Stadt Baden-Baden
2020 wird für Baden-Baden ein wichtiges Jahr. Unter anderem fällt die Entscheidung darüber, ob die Stadt mit dem Titel Welterbe um Gäste werben darf. Mit der Baden-Badener Oberbürgermeisterin Margret Mergen sprach BNN-Redakteur Bernd Kamleitner.

Der Gemeinderat sprach sich mit großer Mehrheit für den Doppelhaushalt 2020/21 aus. Das war nicht so deutlich zu erwarten. Allerdings gab es kritische Anmerkungen. Erwarten Sie künftig als Oberbürgermeisterin mehr Gegenwind oder denken Sie, dass im Gremium mit sieben Fraktionen die erforderlichen Mehrheiten bei Entscheidungen möglich sind?

Mergen: Ich bin sehr zuversichtlich, dass auch die Gemeinderäte, die vor der Haushaltsverabschiedung kritische Anmerkungen gemacht haben, sehen werden, dass wir mit dem Haushalt viel Wichtiges und Gutes für Baden-Baden tun. Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit ist es ein Anliegen der Verwaltung, mit wenig Mitteln das Bestmögliche zu erreichen. Ich versuche allen Beteiligten immer wieder zu vermitteln, dass wir Steuergelder verwalten. Wir müssen dabei stets abwägen, ob wir uns das Gewünschte leisten können. Muss es sofort sein? Muss es so groß sein? Geht es auch einfacher? Das sind Fragen, die wir dabei stellen. Aber es ist gar nicht so leicht, sie richtig zu beantworten.

Welche Reaktionen auf kommunalpolitische Entscheidungen registrieren Sie als Oberbürgermeisterin etwa bei Vor-Ort-Terminen oder in Ihrer WhatsApp-Sprechstunde? Ist es Zustimmung und Verständnis oder bisweilen auch Unverständnis?

Mergen: Für den Dialog, den ich mit den Bürgern führe, bin ich sehr dankbar. Das geschieht ganz einfach auf der Straße bei Begegnungen im Alltag oder bei Bürgersprechstunden. Was immer sehr intensiv und lebhaft ist, sind meine Termine „OB vor Ort“. Auch bei den WhatsApp-Sprechstunden kommen oft sehr konkrete Vorschläge aus dem Alltag. Meist geht es um Dinge in der unmittelbaren Umgebung der Menschen, die mir schreiben. Sie machen Vorschläge zu Verbesserungen im Straßenraum, weisen zum Beispiel auf kaputte Geländer hin oder Blumenbeete, die alt geworden sind oder Schlaglöcher.

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Ein Blickfang in der City; die illuminierte Trinkhalle. Foto: Bernd Kamleitner

Das sind mehr so kleine Beobachtungen, zu denen meist auch ein Foto geschickt wird – ganz konkrete und praktische Dinge. Bei den Vor-Ort-Terminen kommen dagegen längerfristige Dinge zur Sprache, die den ganzen Stadtteil betreffen. Wie können wir mehr Wohnraum für junge Familien schaffen? Wie können wir die Verkehrsbelastung reduzieren oder das wichtige Vereinsleben beleben? Auch Veränderungen im Einzelhandel oder der Gastronomie sind Thema. Das ist oft ein sehr fundierter Dialog, bei dem ich das Gefühl habe, dass sich die Bürger selber Gedanken machen und nicht nur erwarten, dass wir im Rathaus die Lösung parat haben.

Wird die Arbeit der Kommunalpolitiker und der Verwaltung von den Bürgern wertgeschätzt?

Mergen: Es ist tatsächlich so, dass unsere Welt immer komplizierter wird. Wenn ich zum Beispiel nach der Bundeswissenschaftsministerin oder nach Namen von handelnden Personen auf Landes- oder EU-Ebene fragen würde, dann merkt man schon: Da wird es für manchen schon schwierig, weil sich auch sehr schnell sehr viel ändert. So geht es auch dem Bürger in der Stadt: Der weiß gar nicht genau, wer ist verantwortlich oder wer ist Ansprechpartner. Das muss er auch gar nicht wissen.

Der Bürger will, dass seine Stadt lebenswert ist

Er will, dass seine Stadt lebenswert ist. Ich habe Verständnis, dass sich nicht jeder für kommunalpolitische Entscheidungen interessiert. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich davon ausgehen, das wir im Rathaus versuchen, das Bestmögliche für Baden-Baden zu erreichen. Dafür kann ich für meine Mannschaft die Hand ins Feuer legen. Die Mitarbeiter stecken viel Zeit und Energie in ihre Arbeit, weil sie sagen, Baden-Baden ist eine tolle Stadt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass manche Bürger das nicht so sehen, weil sie gerade ein Knöllchen bekommen haben oder vielleicht keine Baugenehmigung.

Baden-Baden hofft auf eine erfolgreiche Bewerbung um den Welterbe-Titel.
Baden-Baden hofft auf eine erfolgreiche Bewerbung um den Welterbe-Titel. Foto: Bernd Kamleitner

Mit Spannung wird die Entscheidung des Welterbe-Komitees im Sommer in China erwartet. Wird das, was von Baden-Baden als Kurstadt des 19. Jahrhunderts erhalten ist, Weltkulturerbe? Sind sie zuversichtlich?

Mergen: Ich war in Paris dabei, als die Experten unsere Bewerbung gesichtet haben und auch kritische Fragen stellten. Es gibt zwei drei Möglichkeiten. Die erste: Die Unesco verleiht uneingeschränkt den Titel „Great Spas of Europe“ für alle elf Bäderstädte des 19. Jahrhunderts. Die zweite Möglichkeit ist eine komplette Ablehnung, weil die Unesco sagt, wir haben in Europa schon genug Welterbestätten. Eine dritte Variante ist auch denkbar: Die Unesco gibt die Bewerbung zurück und bittet um eine Überarbeitung. Es ist wie bei einer Fußballmannschaft mit elf Spielern: Nur wenn alle erfolgreich sind, bekommen wir den Titel. Es könnte also sein, dass die Unesco den einen oder anderen Spieler nicht für welterbetauglich hält. Nach den kritischen Fragen in Paris rechne ich mit der dritten Variante. Das wäre nicht ungewöhnlich, sondern es ist bei Bewerbungen fast der Regelfall.

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Baden-Baden aus der Vogelperspektive. Foto: Bernd Kamleitner

Baden-Baden lebt vom Tourismus. Derzeit stocken mehrere Hotelbaustellen: Der Investor des Europäischen Hofs braucht zusätzliche Geldgeber und die Pläne für ein Luxushotel im Neuen Schloss sind gescheitert. Kann die Verwaltung einen Beitrag leisten, dass Projekte wieder Fahrt aufnehmen?

Mergen: Wir unterstützen etwa den Eigentümer des Europäischen Hofs bei der Suche nach Investoren, in dem wir zum Beispiel die Ohren spitzen, ob uns Geldgeber bekannt sind, die ein größeres Engagement in Baden-Baden tätigen möchten. Beim Europäischen Hof geht es um ein sehr großes Invest. Der eigentliche Rohbau ist noch lange nicht fertiggestellt. Viel mehr können wir tatsächlich nicht tun. Der Europäische Hof ist aber sicherlich das drängendste Thema in der Innenstadt, weil es eine Baustelle im Herzen der City ist. Die Entwicklung beim Neuen Schloss ist mehr als bedauerlich. Ich würde dort gerne abends Lichter brennen sehen. Dabei ist es mir erst einmal egal, ob jemand als Hotelgast oder einfach nur so im Neuen Schloss wohnt. Die Immobilie sieht nach außen hin heute noch genau so aus wie zu Zeiten des Markgrafen in den 80er Jahren. Vom Erscheinungsbild hat es sich nicht verändert. Das ist kein befriedigender Zustand.

Als Stadt können wir beim Neuen Schloss alleine nichts machen

Sehen Sie eine Alternative, was statt einem Luxushotel aus dem Neuen Schloss werden könnte?

Mergen: Da zitiere ich unseren Baubürgermeister Alexander Uhlig: Es war einmal ein privates Wohnhaus – und das wird es nach meiner Einschätzung auch erst einmal bleiben. Jegliche Nutzung ist einfach zu teuer. Da müssen erst einmal rund 100 Millionen Euro investiert werden und dann muss der laufende Betrieb finanziert werden. Das könnten weder Bund noch Land noch die Stadt tragen. Tolle Ideen wie etwa Gründerzentrum oder Bildungszentrum liegen genug auf dem Tisch, aber wer will das schultern? Wenn es ein gemeinsames Konstrukt gäbe und mehrere Akteure am Tisch säßen, könnte es mit einer geteilten Belastung vielleicht mal was werden. Als Stadt können wir auf keinen Fall alleine was machen.

Im Dornröschenschlaf: das Neue Schloss in Baden-Baden.
Im Dornröschenschlaf: das Neue Schloss in Baden-Baden. Foto: Bernd Kamleitner

Und wie sieht es beim Babo-Hochhaus aus?

Mergen: Ich bedaure sehr, dass sich da nichts tut. Ich hatte im Zuge der Sanierung Oos gehofft, dass das Hotel kommt. Der Eigentümer hatte damals viele hochtrabende Pläne. Offenbar hat er die Herausforderungen mit deutschem Baurecht und Denkmalschutz mit Auflagen falsch eingeschätzt. Die Kommunikation mit ihm ist schwierig. Auch Bemühungen, ihn dazu zu bringen, es zu veräußern, sind genauso wie bei der Investorin des Neuen Schlosses gescheitert. Manchem Eigentümer scheint es egal zu sein, dass sie eine leer stehende Immobilie haben. Für die Stadt könnte ich mir einen solchen Zustand über Jahre hinweg nicht vorstellen.

Gibt es auch andere Erfahrungen?

Mergen: Zum Beispiel die Appartements im ehemaligen Gasthaus „Zum Nest“ in der Rettingstraße. Als ich nach Baden-Baden kam, war die Immobilie alles andere als ansehnlich. Jetzt ist es ein Prunkstück geworden und ich bin dem Eigentümer sehr dankbar, dass er mit viel Geduld und wahrscheinlich viel Geld das Projekt realisiert hat. Das sind Dinge, über die ich mich sehr freue – ebenso über den geplanten Hotelneubau auf dem Areal des Alten Gefängnisses.

Der Augustaplatz in Baden-Baden.
Der Augustaplatz in Baden-Baden. Foto: Bernd Kamleitner (Archiv)

In naher Zukunft soll der Augustaplatz neu gestaltet werden.

Mergen: Das ist Bestandteil der Sanierung der Südlichen Neustadt. Der Platz entstand in den 70er Jahren, als noch die Bundesstraße 500 durch die Lichtentaler Straße ging – mit einem Verkehrsaufkommen von über 20.000 Fahrzeugen pro Tag. Damals wollte man die B 500 vom Platz trennen, den Augustaplatz quasi von der Straße abschotten. Es gab deshalb keinen Gehweg und auch keine Querungshilfe. Jetzt haben wir seit 30 Jahren den Tunnel und wollen, dass der Platz wieder in alle Himmelsrichtungen begangen und erlebt werden kann, also auch von der nördlichen Seite mit den Cafés rüber Richtung Rizzi und Standesamt und zur Lichtentaler Allee. Das ist eines der wichtigsten Anliegen. Da müsste man die Beete und die Brunnenanlage weggnehmen, um Platz dafür zu schaffen. Es gibt Überlegungen und Pläne dazu – und ein großes Aber: Das wäre eine große Baustelle.

Oberbürgermeisterin Margret Mergen in ihrem Büro im Rathaus Baden-Baden.
Oberbürgermeisterin Margret Mergen in ihrem Büro im Rathaus Baden-Baden. Foto: Pressestelle Stadt Baden-Baden

Was bedeutet das?

Mergen: Es gibt für die Stadt Pflicht und Kür. Das wäre eine Kür-Baustelle, die kann man machen, aber sie ist keine Pflicht. Pflicht sind dagegen die Sanierung der Fieserbrücke und der Brücken am Hindenburgplatz. Das hat Priorität. Außerdem wollen wir nicht zu viele Baustellen im öffentlichen Raum gleichzeitig. Deswegen steht der Augustaplatz in der Prioritätenliste an dritter Stelle hinter der Fieserbrücke, die im nächsten Jahr saniert wird, und den Hindenburgbrücken, in die in den Jahren danach investiert wird.

Die Verkehrsproblematik ist aufgrund der Topografie in Baden-Baden nicht so einfach zu lösen. Stichworte gibt es dazu viele: Seilbahn, Stadtbahn, Einschränkung des Individualverkehrs oder Spuren für die Busse der Baden-Baden-Linie.

Was könnte der nächste Schritt nach der Inbetriebnahme des Verkehrs- und Parkleitsystems sein?

Mergen: Seit der Inbetriebnahme des Park- und Verkehrsleitsystems beobachte ich, dass wir stressfreier in der Stadt unterwegs sind. Früher gab es bei den Anzeigen nur „frei“ oder „belegt“. Heute gibt es konkrete Angaben zu den freien Plätzen. Wenn für die Kurhausgarage nur noch zehn Plätze oder weniger angezeigt werden, wird man sich also als Autofahrer schon überlegen, ob man nicht auf eine andere Parkgelegenheit ausweicht. Ich habe das Gefühl, dass wir das Drängeln in der Kaiserallee etwa jetzt zum Christkindelsmarkt nicht mehr haben.

Ein Problem in und für Baden-Baden ist das hohe Verkehrsaufkommen in der Stadt.
Ein Problem in und für Baden-Baden ist das hohe Verkehrsaufkommen in der Stadt. Foto: Bernd Kamleitner

Die Menschen lernen, sich mit dem System besser zu orientieren und nutzen es. Ein anderes Thema ist das Stichwort Mobilität. Darüber reden wir unter anderem auch beim bevorstehenden Klimadialog am 15. Januar. Ich hätte große Sympathie, wenn wir von der Feuerwehr bis zum Ebertplatz stadteinwärts eine Busspur anlegen könnten, damit der Fahrgast dann an den sich stauenden Autos vorbeifahren kann. Das wäre vielleicht ein Anreiz zum Umstieg auf den Bus.

Die glamouröseste Veranstaltung des Jahres war die Bambi-Verleihung im Festspielhaus. Wagen Sie eine Prognose: Wird der Medienpreis im Jahr 2020 erneut im größten deutschen Opernhaus vergeben?

Brachte Baden-Baden positive Schlagzeilen: die Bambi-Verleihung im Festspielhaus.
Brachte Baden-Baden positive Schlagzeilen: die Bambi-Verleihung im Festspielhaus. Foto: Bernd Kamleitner

Mergen: Das würde mich natürlich riesig freuen, wenn das mit allen Beteiligten und natürlich vor allem mit dem Burda-Verlag gelänge. Für Baden-Baden war das eine tolle Veranstaltung. Die mediale Wirkung war klasse! Wir als Stadt sind auf jeden Fall interessiert: Baden-Baden ist bereit für den nächsten Bambi! Alles, was dazu beiträgt, würde ich gerne unterstützen.

Wenn Sie einen Wunsch für Baden-Baden frei hätten, was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

Mergen: Es gibt viele Wünsche. Ich würde mir wünschen, dass Baden-Baden auch in den nächsten 200 Jahren immer wieder so etwas wie den Titel Sommerhauptstadt Europas als Ort der Begegnung und des kulturellen und politischen Dialogs führen kann – als Ort, an den Menschen aus aller Welt kommen und sich vertragen.

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