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Corona und die Folgen

Bühler Gastronom sieht 2020 wirtschaftlich so gut wie gelaufen

Die Gastronomie-Branche ist sauer auf die Politik, weil sie bei den Corona-Lockerungen mit keinem Wort bedacht wurde. Experten von der Dehoga sind verstimmt. Doch es gibt auch Betriebe, die kreative Auswege aus der Krise gefunden haben.

Die Türen müssen geschlossen bleiben: Die Gastronomie darf weiterhin keine Gäste empfangen.
Die Türen müssen geschlossen bleiben: Die Gastronomie darf weiterhin keine Gäste empfangen. Foto: Daniel Karmann/dpa

Die Hotel- und Gaststättenbranche sieht sich in der Corona-Krise von der Politik im Stich gelassen. Die Branche sei neben dem Einzelhandel am stärksten betroffen, was sich aber im politischen Handeln nicht niederschlage, sagt Markus Fricke: „Wir werden bei der Kommunikation links liegen gelassen. Das tut weh.“

Wird es viele Betriebe bald nicht mehr geben?

Der Geschäftsführer der Baden-Badener Kreisstelle der Degoha fürchtet einen großen Schaden: „Ein Drittel unserer Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand. Wenn sich die Situation bis Ende Mai nicht ändert, wird es diese Betriebe nicht mehr geben. Es geht hier um das Überleben zahlreicher Familienbetriebe.“

Alle Informationen gibt es auf bnn.de/coronavirus

Das sei „kein Jammern auf hohem Niveau“, sondern die Beschreibung einer sehr kritischen Lage. „Natürlich fehlen den Betrieben die Einnahmen, aber was noch schlimmer ist: Die Ausgaben laufen weiter.“ Es werde weitere Erleichterungen geben müssen.

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Vorwürfe an die Politik

Fricke wirft der Politik vor, dass die vielen Menschen, die in Hotellerie und Gastronomie arbeiteten, allein gelassen würden: „Sie hängen völlig in der Luft. Es gibt noch nicht einmal einen Fahrplan, wie es weitergeht.“ Die Soforthilfe sei sehr gut gewesen, aber es brauche auch Perspektiven zum Wiederbeginn.

Wie will man erklären, dass ein Friseur-Besuch ein geringeres Gesundheitsrisiko als ein Besuch in einem Restaurant ist, in dem es überhaupt nicht beengt ist?
Markus Fricke

Fricke beklagt für ihn nicht nachvollziehbare Unterschiede in der Bewertung der Branchen: „Natürlich ist der Gesundheitsschutz die wichtigste Aufgabe, und die Gastronomen sind auch bereit, im Interesse des Gesundheitsschutzes zurückzustecken. Aber wie will man erklären, dass ein Friseur-Besuch ein geringeres Gesundheitsrisiko als ein Besuch in einem Restaurant ist, in dem es überhaupt nicht beengt ist?“

Man werde die Corona-Verordnung des Landes sehr genau lesen müssen: „Der Gesundheitsschutz lässt sich in der Gastronomie nicht schlechter darstellen als in einem Buchladen oder einem Supermarkt.“

Vielen Gastronomen in Mittelbaden geht es schlecht

Der Bühler Dehoga-Kreisvorsitzende Jürgen Kohler vom „Engel“ in Vimbuch ist in mehrfacher Hinsicht von der Krise betroffen. „Der Betrieb ist seit Wochen zu, und meine Frau Alexandra und ich mussten uns für dreieinhalb Wochen in Quarantäne begeben“, sagt Kohler, den das Virus über längere Zeit ans Bett fesselte.

Vielen Kollegen gehe es wirtschaftlich schlecht, „und es werden wohl einige Häuser überhaupt nicht mehr aufmachen können. Auch bei uns sieht es nicht einfach aus, denn wir haben ja erst ein neues Hotel eröffnet mit den entsprechenden finanziellen Verpflichtungen“, so Kohler. Auch im Bühler Bürgerhaus Neuer Markt, in dem Kohler seit der Eröffnung 1989 die Gastronomie innehat, ist seit Mitte März Stillstand - und daran werde sich bis Ende August wohl nichts ändern. Immerhin sei er wieder „gesundheitlich hergestellt“, und dafür sei er wirklich dankbar.

Forderung nach ermäßigtem Spitzensteuersatz

Allgemein sehe es in der Gastronomie sehr dunkel aus. Auch auf Sicht sieht Kohler viele Unwägbarkeiten, denn „ganz abgesehen vom fehlenden Kerngeschäft in der Tourismusregion Schwarzwald ist auch im Sektor Firmengeschäft weit und breit nichts absehbar“. Das Jahr 2020 sei wohl für die Gastronomie so gut wie gelaufen.

„Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich die Politik sputen muss, wenn verhindert werden soll, dass viele Betriebe wegbrechen. Wir benötigen eine schnelle Soforthilfe. Ohne ein Sofortprogramm werden auch hier in der Region einige sterben.“ Ein sinnvolles Sofortprogramm könne ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent sein, der im Übrigen überfällig sei.

Bühler Hotel vermarktet Zimmer als Homeoffice

Und was tun, wenn man gerade ein neues Hotel eröffnet hat und plötzlich dürfen kaum noch Gäste aufgenommen werden? Für Alexander Baumann von der Betreiberfamilie des Apart-Hotels Adoro in Bühl lag die Antwort rasch auf der Hand: Die Zimmer werden als Homeoffice vermarktet – eine Lösung, die sich in diesem Fall angeboten hat, aber nicht für jedes Hotel geeignet ist.

Markus Fricke berichtet von vereinzelten Angeboten. Ein flächendeckendes Phänomen werde daraus wohl nicht werden, da dies bei manchen Häusern mit einem großen Aufwand verbunden wäre.

Hotel stand zu Beginn der Krise leer

Das Apart-Hotel Adoro profitiert von seiner starken Ausrichtung auf Geschäftsreisende. Nach der Eröffnung sei die Nachfrage hervorragend gewesen, berichtet Alexander Baumann: „Von Montag bis Donnerstag hatten wir eine Auslastung von 90 bis 100 Prozent, freitags waren es 80 bis 90 Prozent, und sonntags zog es wieder an.“

Dann aber war wegen der Corona-Pandemie erst mal Schluss, das Hotel stand leer. „Wir dürfen nur noch Gäste aufnehmen, die aus besonderen Gründen unterwegs sind, also Geschäftsreisende mit wichtigen Gründen.“ Mittlerweile hätten wieder fünf bis zehn Geschäftsreisende eingecheckt, die aus unterschiedlichen Gründen in großen Bühler Unternehmen benötigt würden.

Wir wussten, dass wir alle Voraussetzungen für ein Homeoffice mitbringen, etwa extraschnelles Internet
Hotelbetreiber Alexander Baumann

Wie aber ist es zur Idee des „Hotel-Office“ gekommen? Nach dem Beginn der Corona-Einschränkung sei überlegt worden: „Was können wir tun?“, erzählt Baumann. „Wir wussten, dass wir alle Voraussetzungen für ein Homeoffice mitbringen, etwa extraschnelles Internet.“

Die Idee sei dann zwar zunächst auf Eis gelegt worden, doch als er einen Artikel über ein Hotel in Norddeutschland gelesen habe, das diesen Weg gegangen sei, sei sie rasch umgesetzt worden. „Unser Hotel ist speziell auf Geschäftsreisende zugeschnitten, in den Zimmern ist alles Notwendige vorhanden“, sagt Baumann.

Veränderungen in großen Betrieben machen sich bemerkbar

Ein wichtiger Pluspunkt sind in den Augen von Jürgen Kohler die Kochnischen in den Adoro-Zimmern. Der Dehoga-Kreisvorsitzende hat im vergangenen Jahr seinen eigenen Hotelneubau eröffnet. Die Zimmer als Homeoffice zu vermarkten, sei für ihn keine Option: „Unser Haus ist anders ausgelegt.“

Es sei das erste Bühler Hotel mit einer eigenen Wellness-Anlage, es richte sich neben Business-Gästen auch an Feriengäste. Aktuell übernachteten unter der Woche vielleicht eine Handvoll Geschäftsreisender. Die geringe Zahl erklärt Kohler so: „Wie es den großen Bühler Betrieben geht, merken wir als erste.“

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