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Medizinische Gründe

Cannabis auf Rezept hilft Patrick Emmler gegen Schmerzen

Nach vielen Jahren als Schmerzpatient und den damit verbundenen riesigen Problemen im Alltag hat Patrick Emmler aus Bühl von seiner Baden-Badener Ärztin Cannabis auf Rezept erhalten. Klassische Schmerzmittel aus der Apotheke konnten ihm nicht helfen. Jetzt führt Emmler wieder ein normales Leben, privat und beruflich.

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Ganz legal raucht Patrick Emmler am Johannesplatz in Bühl Cannabis. Das Rezept hat er von einer Baden-Badener Ärztin, das medizinische Gras liefert eine Rastatter Apotheke. Foto: Ulrich Coenen

Joint am Johannesplatz

Patrick Emmler sitzt vor dem Eiscafé am Johannesplatz. Vor ihm auf dem kleinen runden Tisch steht eine Tasse Cappuccino. In seiner rechten Hand hält der 39-Jährige einen schwarzen Vaporisator, den er langsam an die Lippen führt. Tief und entspannt atmet Emmler den Dampf ein. Seit dem Rauchverbot in Gaststätten 2007 ist das ein alltägliches Bild. Bei herrlichem Sommerwetter nehmen die Leute besonders gerne unter den Sonnenschirmen vor den Cafés und Bistros Platz, selbstverständlich nicht nur die Raucher.

Perfekte Tarnung

Weder der Wirt noch die Menschen an den Nachbartischen wundern sich. Niemand ahnt, dass Emmler Cannabis raucht. „Einen Joint zünde ich mir nur selten an“, sagt der Bühler. Für das Interview mit unserem Reporter hat er einen mitgebracht. Der steckt aber in einer kleinen durchsichtigen Plastiktüte und wird von Emmler nur zu Demonstrationszwecken bei Vorträgen eingesetzt. Der typische süßliche Cannabisgeruch macht sich wegen des Verdampfers nicht bemerkbar. Die Tarnung inmitten der Öffentlichkeit ist sozusagen perfekt.

Völlig legal

Bevor dem einen oder anderen Leser an dieser Stelle ein Schrei der Entrüstung entfährt, sei ausdrücklich festgestellt: Was Patrick Emmler am Johannesplatz tut, ist völlig legal. Der Familienvater ist Schmerzpatient. Das Rezept für das medizinische Cannabis hat er ordnungsgemäß von seiner Ärztin in Baden-Baden erhalten. Seit dem 10. März 2017 dürfen deutsche Ärzte das medizinische Gras verordnen. Das erste Rezept, das Emmler bekommen hat, ist auf den 5. Februar 2019 datiert. „Seitdem bin ich nach vielen Jahren endlich schmerzfrei“, sagt er.

Unfallfolgen

Emmler leidet seit einem Unfall, den er am 5. Februar 2010 als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Bühl erlitten hat, unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung. „Der Meniskus war gerissen, ich wurde zweimal operiert, habe damals meinen Job verloren“, erinnert er sich. Bereits länger wird Emmler von einer Fibromyalgie geplagt, die Schmerzen in den unterschiedlichsten Regionen des Körpers auslöst. „Laien sprechen auch von Weichteilrheuma“, berichtet er. Emmler hat eine Odyssee in Arztpraxen und Krankenhäusern hinter sich, bekam gängige Schmerzmittel wie Katadolon und Amitriptylin verschrieben.

Schmerzklinik brachte nichts

Auch einen Aufenthalt in einer Schmerzklinik hat er hinter sich. „Alles ohne Erfolg“, sagt der Mann aus Bühl. Dass Cannabis gegen Schmerzen hilft, ist kein Geheimnis. Auch Emmler weiß das bereits seit vielen Jahren und hat es sich, wie er freimütig einräumt, schon mal auf dem Schwarzmarkt besorgt. „Das ist nicht nur illegal“, sagt er. „Niemand weiß genau, was in diesem Bahnhofsgras, das man in Bühl fast so einfach wie eine Brezel kaufen kann, eigentlich drin ist.“ Als der Gesetzgeber das medizinische Cannabis vor mehr als zwei Jahren freigab, war Emmler begeistert, aber noch lange nicht am Ziel. „Mein Hausarzt sagte mir: Ich will in meiner Praxis keine Junkies“, erinnert er sich. Rund 30 Ärzte und vier Unikliniken hat er konsultiert, um an das heiß ersehnte Rezept zu kommen. „Die Ärzte haben wegen Rechtsunsicherheit Angst“, erklärt er.

Verständnis bei Baden-Badener Ärztin

Erst in einer Baden-Badener Praxis, die aber ausschließlich Privatpatienten betreut und sich unter anderem auf Palliativmedizin spezialisiert hat, fand Emmler Verständnis. Die Sache hat aber einen Haken. Seine gesetzliche Krankenkasse weigert sich die Kosten zu übernehmen, die sich seit März auf rund 2 000 Euro belaufen. „Das Widerspruchsverfahren läuft“, berichtet der Bühler. Das Cannabis mit dem wohl klingenden Namen „Penelope“ kauft Emmler in einer Apotheke in Rastatt. Der THC-Gehalt der Blüten ist mit knapp zehn Prozent deutlich niedriger als der des illegalen Marihuanas auf dem Schwarzmarkt. „Dafür sind aber die Anteile der Terpene und des Cannabidiol (CBD) im medizinischen Gras höher. Das CBD wirkt muskelentspannend, was für mich besonders wichtig ist“, erklärt er.

Wundermittel

Für Patrick Emmler ist das medizinische Cannabis ein Wundermittel. „Ich kann endlich wieder schwimmen und joggen“, sagt er. Jetzt will er sich für die europaweite Legalisierung der sogenannten weichen Droge engagieren. Die Visitenkarten sind schon gedruckt. „Patrick Emmler – Dein Cannabis Coach“ steht darauf. Im Untertitel heißt es: „Botschafter für Schmerzfreiheit.“

Netzwerker in Sachen Cannabis

Patrick Emmler sieht sich als Netzwerker in Sachen Cannabis. Beruflich ist er selbstständig im E-Commerce unterwegs. Seine Erfahrungen will er nutzen, um das stigmatisierte Gras gesellschaftsfähig zu machen. „Die Ablehnung ist groß“, sagt er. „Sogar in meiner Familie gibt es Stimmen gegen das medizinische Cannabis, das ich in der Regel viermal am Tag konsumiere.“

Emmler will völlige Freigabe

In sozialen Netzwerken wirbt der Mann aus Bühl für die Freigabe des Hanf. Auf Twitter hat er beispielsweise ein Konto eingerichtet, in dem er als Cannabiscoach postet. Längst hat er Kontakt zu Organisationen wie dem Deutschen Hanf Verband aufgenommen. Der Sozialdemokrat führt auch Gespräche mit Politikern wie zuletzt mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze und der Bundestagsabgeordneten Gabriel Katzmarek (beide SPD) in Rastatt. Weil er inzwischen durch das medizinische Gras schmerzfrei ist, will er von Bühl aus nach Berlin und Brüssel radeln, um für sein großes Ziel zu werben.

Nicht bei Dealer

Rund 200 Schmerzpatienten, die Cannabis konsumieren, gibt es nach Schätzung von Emmler im Landkreis Rastatt. Die Dunkelziffer der Menschen in Mittelbaden, die sich aus medizinischen und nichtmedizinischen Gründen einen Joint drehen und das Gras undefinierter Herkunft beim Dealer kaufen, ist nach seiner Erfahrung sehr groß.

Aus der Schmuddelecke

„Darunter sind viele Leistungsträger in der Gesellschaft, von denen man das nie vermuten würde“, sagt er. „Es ist Zeit, das Hanf aus der Schmuddelecke zu holen.“ Im Winter will er einen Vortrag im Bühler Schüttekeller halten. Der befindet sich bekanntlich im Hänferdorf.

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