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Viele Nebenjobs fallen weg

"Besser als nichts": Darlehen für Studenten in Not sind in Karlsruhe nicht sehr populär

Corona-bedingt brechen viele klassische Studentenjobs derzeit weg - und damit häufig auch bitter nötige Einnahmen für Wohnung und Studium. Wie hart die Krise Studenten in Karlsruhe trifft, lässt sich derzeit noch schwer beziffern. Von der baden-württembergischen Landesregierung auf den Weg gebrachte zinslose Darlehen sind da vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Vor dem Umbau herrscht auf der Kaiserstraße Ost in der Corona-Zeit Ruhe. Doch dies wird sich bald ändern. Der Nusselt-Hörsaal wird abgerissen, rechts daneben das türkisfarbene Institutsgebäude der Maschinenbauer.
Vor dem Umbau herrscht auf der Kaiserstraße Ost in der Corona-Zeit Ruhe. Doch dies wird sich bald ändern. Der Nusselt-Hörsaal wird abgerissen, rechts daneben das türkisfarbene Institutsgebäude der Maschinenbauer. Foto: jodo

Studenten? Die verdienen sich in Nebenjobs vielleicht noch ein bisschen was dazu und leben doch ansonsten vom BaföG, oder? Tatsächlich sieht die Realität anders aus. Nur eine Minderheit der Studierenden in Deutschland erhält Mittel nach dem BaföG.

Im Zuständigkeitsbereich des Studierendenwerks Karlsruhe, der acht Hochschulen in Karlsruhe und Pforzheim umfasst, haben im Jahr 2019 gerade einmal etwa  etwa 3000 von insgesamt rund 50.000 Studierenden Mittel nach dem BaföG erhalten.

Der aktuelle Höchstsatz des BaföG beträgt 835 Euro. Diese Summe erhält wiederum nur eine Minderheit der Geförderten. Wegen des Einkommens der Eltern oder aufgrund eigenen Vermögens ist die Förderung meist niedriger. In der Praxis bedeutet das: Für viele Studenten geht eigentlich nichts ohne Nebenjob.

Der AStA spricht von vielen Studienabbrüchen in der Corona-Zeit

Corona-bedingt fallen die derzeit aber oft weg - etwa in der Gastronomie, als Trainer oder als Werkstudent. "Für viele Studierende ist die Situation derzeit definitiv hart", erklärt Adrian Keller, der beim Allgemeinen Studierenden Ausschuss (AStA) am KIT als Pressesprecher fungiert.

Der AStA beobachtet, dass  Studenten derzeit vermehrt wegen finanzieller Unwägbarkeiten das Studium ab- oder zumindest unterbrechen. "Der entsprechende Beratungs- und Informationsbedarf ist bei uns derzeit sehr hoch."

Zumindest in der Tendenz bestätigt dies auch das Studierendenwerk Karlsruhe. Dort wachse derzeit die Zahl der Anfragen, ob und wie eine Rückerstattung des Semesterbeitrags möglich sei - ein Indiz dafür, dass viele Studenten sich während des laufenden Semesters exmatrikulieren möchten. "Konkrete Anträge auf Rückerstattung haben bislang allerdings noch nicht so viele gestellt", heißt es weiter. Stichhaltige Zahlen lägen derzeit gleichwohl noch nicht vor.

Auch an der größten Hochschule der Region, dem KIT, lasse sich noch keine stichhaltige Prognose stellen, heißt es aus der Pressestelle der Universität. Die Frist für Ein- und Umschreibungen laufe bis zum 31. Mai, erst danach sei eine verlässliche Aussage möglich.

Geplatzte Praktika und Auslandssemester

Auffällig sei momentan, dass  Studenten weniger Anträge auf Beurlaubung stellten oder um die Stornierung entsprechender Anträge bäten. Grund dafür seien wohl vorwiegend geplatzte Praktika und Auslandssemester.

Pressekonferenz Theresia Bauer
Theresia Bauer (Bündnis 90/Die Grünen), nimmt an einer Pressekonferenz teil. Foto: Marijan Murat/dpa

Das viele Studenten wegen finanzieller Engpässe vor erheblichen Problemen stehen, hat auch die Politik erkannt. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer brachte am Dienstag ein Hilfspaket auf den Weg: Studenten, die wegen Corona ihren Nebenjob verloren haben, können beim Land ein zinsloses Darlehen von bis zu 900 Euro erhalten - jeweils 450 Euro für April und Mai. Ab Montag können Studenten aus Karlsruhe und Pforzheim beim Studierendenwerk Karlsruhe Anträge auf das Darlehen stellen. Entsprechende Hinweise sollen sich dann auf dessen Homepage finden.

Insgesamt eine Million Euro stellt das Land Baden-Württemberg dafür zur Verfügung. "Studienabbrüche aus finanziellen Gründen müssen unbedingt verhindert werden", betonte die Ministerin. Zugleich forderte sie den Bund auf, ein eigenes Förderprogramm, basierend auf nicht abgerufenen BaföG-Mitteln, auf den Weg zu bringen.

2019 blieben im BaföG-Topf 900 Millionen Euro über

Tatsächlich sind etwa 2019 in Deutschland etwa 900 Millionen Euro an BaföG-Mitteln nicht ausgegeben worden. Diese könnten nun im Sinne eines "offenen BaföGs" kurzfristig und unbürokratisch Studenten in Not zugänglich gemacht werden, befindet beispielsweise der AStA am KIT: "Die Darlehen des Landes sind sicher besser als nichts, aber führen am Ende eben doch zu Schulden, die abbezahlt werden müssen", sagt Pressesprecher Adrian Kellermann.

Sein Eindruck aus Beratungsgesprächen: Wer nicht kurz vor dem Abschluss stehe und auf ein baldiges Berufseinkommen hoffen kann, werde im Zweifel eher das Studium abbrechen, statt Schulden zu machen.

Etwas optimistischer äußert sich unserer Redaktion gegenüber die Fachschaft Sport an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe. Es sei "positiv, dass Baden-Württemberg jetzt aktiv wird und die Möglichkeit gibt, sich zumindest über Wasser zu halten." Auch die Fachschaft findet allerdings: "Es sollten aber auch die BaföG-Mittel klar gemacht werden."

Karliczek will lieber Kredite für Studenten vergeben

Die Chancen darauf dürften eher schlecht stehen. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios plant zwar auch der Bund aktuell ein Hilfspaket für Studenten. Statt einer Ausweitung des BaföG will Bildungsministerin Anja Karliczek allerdings Überbrückungskredite über die KfW-Bank anbieten.

Antragssteller könnten dann bis einschließlich März 2021 bis zu 650 Euro monatlich in Anspruch nehmen. Der Betrag müsste später zurückgezahlt werden. Anträge sollen ab dem 8. Mai möglich sein, die Auszahlung zum 1. Juni beginnen. Bereits vor Bekanntwerden der Pläne hatte der AStA am KIT KfW-Kredite als "absolut keine Option bezeichnet."

Vermutlich werden jetzt bei den meisten finanzielle Reserven und auch die Eltern angezapft werden müssen

Ein Sprecher der Fachschaft Sport an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe

Wie groß die Not unter Studenten in Karlsruhe und Pforzheim derzeit tatsächlich ist, lässt sich derzeit noch schwer konkretisieren. So erklärt etwa die Fachschaft des Studiengangs "Informationsmanagement und Medien" an der Hochschule Karlsruhe auf Anfrage, in ihrem Umfeld seien Pandemie-bedingte Geldsorgen aktuell kein großes Thema.

Die Fachschaft Sport von der PH berichtet indes, viele Studierende ständen derzeit ohne Job da. "Vermutlich werden jetzt bei den meisten finanzielle Reserven und auch die Eltern angezapft werden müssen", heißt es von der Fachschaft. "Wenn die Beschränkungen nicht allzu lange anhalten, können es viele wahrscheinlich überbrücken, aber lange dürfen die Einkünfte nicht wegbrechen", so der Eindruck dort.

Wohnheimzimmer in Einzelfall vorzeitig kündbar

Das Studierendenwerk Karlsruhe, seinerseits finanziell getroffen durch die Schließung etwa der Mensen, hat unter dem Eindruck der Corona-Krise mittlerweile die Kündigung von Studentenzimmern erleichtert. In 22 Wohnheimen in Karlsruhe und Pforzheim bietet es 2.775 Wohnheimplätze an.

Können Studenten nachweisen, dass Corona-bedingt der Nebenjob weggebrochen ist und ist ein direkter Nachmieter vorhanden, gestattet das Studierendenwerk derzeit eine vorzeitige Kündigung.

Voraussetzung dafür sei jeweils die Prüfung des Einzelfalles. "Einen generellen Anspruch auf die Realisierung einer vorzeitigen Entlassung aus dem Mietvertrag gibt es nicht", sagt eine Sprecherin der Einrichtung. Auch Stundungen oder spätere Mietzahlungen seien derzeit kein Thema, erklärt sie unter Verweis auf die auch für das Studierendenwerk schwierige Lage. In Härtefällen sei es aber immer möglich, das Gespräch zu suchen.

Das Gros der Studenten in Karlsruhe und Pforzheim ist von den Erleichterungen des Studierendenwerks ohnehin nicht betroffen - und dürfte aktuell vermehrt auf eigene Ersparnisse und Zuwendungen der Eltern zurückgreifen müssen, um die gegenwärtige Lage durchzustehen. Hält die Krise an, dürften also vor allem Studenten aus weniger vermögenden Familien erhebliche Probleme bekommen.

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