Skip to main content

Karlsruher Schiedsrichter

Ein Trio des TSV Palmbach pfeift im Fußball hochklassig

Im Fußball gibt es immer weniger Schiedsrichter. Den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten, wird immer schwieriger. Der TSV Palmbach aus dem Karlsruher Bergdorf ist eine rühmliche Ausnahme, was die Abstellung von Schiedsrichtern betrifft. Gleich drei Schiedsrichter des Vereins pfeifen mindestens Verbandsliga.

None
OLYMPUS DIGITAL CAMERA Foto: None

Der TSV Palmbach hat nur 530 Mitglieder, aber der kleine Verein ist eine Größe bei den Schiedsrichtern im Fußballkreis Karlsruhe. Gleich drei Referees des TSV pfeifen mindestens Verbandsligaspiele: Nikolai und Michael Kimmeyer und Philipp Reitermayer.

Vor fast genau zwei Jahren war Fußballprofi Kevin Pannewitz vom FC Carl Zeiss Jena im Drittligaspiel der Thüringer bei der SG Sonnenhof Großaspach nicht schlecht verwirrt. Als der Defensivmann der Gäste nach der Halbzeitpause auf seine Position auf der Außenbahn zurückkehrte, sah er an der Linie den gleichen Mann mit Fahne winken wie in den ersten 45 Minuten auf der Gegenseite.

Nun ist es aber ja so, dass Linienrichter die gesamten 90 Minuten auf einer Seite ihre Aufgabe erfüllen. Die Frage des verdutzten Spielers war also nicht unberechtigt: „Hast du jetzt auch die Seiten gewechselt?“ Hatte Michael Kimmeyer natürlich nicht, sondern er befolgte exakt die Regeln – wie sein Zwillingsbruder Nikolai auf der Gegengeraden.

Kimmeyer-Zwillinge sorgen bei Spielen schon mal für Irritationen

Pannewitz ist nicht der einzige Fußballer, den die Präsenz der doppelten Kimmeyers schon irritiert hat. „Das ist uns immer wieder passiert“, erzählt Michael grinsend. Und passiert ihnen immer noch, denn die beiden 28-Jährigen vom TSV Palmbach bilden bei so manchen Spielen weiter ein Gespann.

Auch interessant:

Zwar nicht mehr wie an jenem 17. Februar 2018 beim 0:0 von Jena in Großaspach als Assistenten des Bruchsalers Tobias Fritsch, der als einziger Referee des Badischen Fußball-Verbands (bfv) auch Drittligaspiele leiten darf. Aber in der Kombination mit Nikolai als Schiedsrichter und Michael als Linienrichter in der Regionalliga doch recht regelmäßig.

Seit mehr als zehn Jahren als Schiedsrichter im Einsatz

Vor mehr als zehn Jahren haben die Kimmeyer-Twins die ersten Jugendspiele gepfiffen und sich dann kontinuierlich nach oben gearbeitet. Während Nikolai trotz seiner Ausbildung zum Fluglotsen in der Hierarchie zuletzt weiter klettern konnte, fand Michael während und nach dem Medizinstudium weniger Zeit für die Schiedsrichterei.

Ich finde es schön, dass Nikolai so erfolgreich ist.
Michael Kimmeyer gönnt seinem Zwillingsbruder Nikolai den Erfolg

Er pfeift selbst höchstens noch Verbandsligaspiele und winkt bis zur Regionalliga. Er sagt: „Ich finde es schön, dass Nikolai so erfolgreich ist.“ Vor fünf Jahren, gibt er zu, wäre es ihm auch vor dem Hintergrund des bekannten Konkurrenzkampfs unter Zwillingen schwerer gefallen, den Aufstieg des Bruders neidlos anzuerkennen.

Nikolai Kimmeyer assistiert auch in Zweiter Bundesliga

Nikolai Kimmeyer hat es inzwischen auch zum Assistenten in der Zweiten Bundesliga gebracht. Nach einer speziellen Rückrunden-Vorbereitung mit Intervall- und Dauerläufen, die er teilweise zusammen mit Fritsch absolvierte, der passenderweise wie er inzwischen in Mainz wohnt, war Kimmeyer am vergangenen Dienstag bei der Begegnung Jahn Regensburg gegen Hannover 96 im Einsatz.

An diesem Sonntag nimmt er die Aufgaben des Vierten Offiziellen beim Zweitligaspiel Darmstadt gegen Osnabrück wahr. Und wenn es mal passt, winkt er in der Dritten Liga zusammen mit einem ganz alten Spielkameraden, den er fast so lange kennt wie seinen Zwillingsbruder.

Die Kimmeyer-Twins und Philipp Reitermayer kennen sich seit Kindertagen

Denn der TSV Palmbach stellt in Philipp Reitermayer (26) einen weiteren Unparteiischen, der Spiele in der Regionalliga leitet und in der Dritten Liga als Linienrichter eingesetzt wird. Oder der auch Nikolai Kimmeyer bei Regionalligaspielen assistiert. „Wir sind ein Stück weit stolz darauf, dass wir einen kleinen Dorfverein deutschlandweit vertreten können“, spricht Michael für das TSV-Trio.

Wir sind ein Stück weit stolz darauf, dass wir einen kleinen Dorfverein deutschlandweit vertreten können.
Michael Kimmeyer

Natürlich ist der Verein aus dem Karlsruher Bergdorf stolz darauf, gleich drei Schiedsrichter in seinen Reihen zu haben, die Verbandsliga aufwärts pfeifen. „Aber wir sehen das mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt Thomas Schneider, der Abteilungsleiter Fußball des 530 Mitglieder zählenden Clubs. Dessen erste Mannschaft führt aktuell die Tabelle in der B-Klasse 2 an. Schneider: „Es ist auf der einen Seite eine Riesensache, dass sie so hochklassig pfeifen. Aber andererseits fehlen sie uns als Spieler. Sie sind alle gute Fußballer.“

Die Zwillinge haben ihren Kumpel für die Schiedsrichterei gewonnen

Reitermayer war von den Kimmeyers überzeugt worden, auch eine Karriere als Schiedsrichter zu beginnen. Alle drei waren in der Jugend Auswahlspieler und im Stützpunkttraining, „aber wir wussten, dass es für eine größere Karriere nicht reichen würde“, geben alle drei zu. Und da es nach und nach immer schwieriger geworden sei, Spielen und Pfeifen bei bis zu drei Einsätzen an einem Wochenende unter einen Hut zu bringen, entschieden sie sich mit 18 Jahren für die leitende Laufbahn.

Es stand nie zur Debatte, deswegen die Pfeife an den Nagel zu hängen.
Auch der gelegentliche Zorn von Spielern, Trainern und Zuschauern nimmt die Freude am Schiedsrichter-Dasein nicht

Bereut haben sie den Schritt in keiner Minute. Auch nicht in jenen Momenten, in denen sie sich durch ihre Entscheidungen den Zorn von Spielern, Trainern und Zuschauern zugezogen haben. Oder wie vor sechs Jahren, als Michael bei einem Landesligaspiel nach einer Gelb-Roten Karte von dem vom Platz Verwiesenen „was auf die Nase gekriegt“ hat. Auch danach „stand nie zur Debatte, deswegen die Pfeife an den Nagel zu hängen.“

Die in höheren Ligen durchaus attraktive Entlohnung – für die Spielleitung in der Dritten Liga gibt es 1.000 Euro, der Assistent erhält 500, ein Linienrichter in Liga zwei 1.250 – sei dabei nicht der wesentliche Grund. Denn es gebe ja viel mehr positive Aspekte als negative.

"Wir sind ja alle auch Fußball-Fans"

Die „gute Kameradschaft“ hebt Reitermayer hervor: „Ein Gefühl von Gemeinschaft, das auch gut tut.“ Zudem mache die akribische Vorbereitung auf die einzelnen Spiele Spaß, verbunden mit dem sportlichen Ehrgeiz, „fehlerfrei zu pfeifen und in der nächsten Saison dann vielleicht wieder eine Stufe höher zu klettern.“ Unisono sagen die drei Palmbacher: „Wir haben Einsätze in großen Stadien, die wir als Fußballer nie erreicht hätten.“ Und Michael präzisiert: „Dritte Liga, Wedaustadion Duisburg, 20.000 Zuschauer. Das sind die Spiele, weshalb wir das machen. Wir sind ja alle auch Fußball-Fans.“

Wenn 20.000 pfeifen, ist es wegen deren Anonymität für einen Schiedsrichter einfacher, als wenn auf dem Dorfsportplatz eine Person lautstark kritisiert. Das nimmt man sich mehr zu Herzen.
Michael Kimmeyer

Und das sind auch die Spiele, die einen Schiedsrichter einerseits gelassener, andererseits aber auch angespannter agieren ließen. „Wenn 20.000 pfeifen, ist es wegen deren Anonymität für einen Schiedsrichter einfacher, als wenn auf dem Dorfsportplatz eine Person lautstark kritisiert. Das nimmt man sich mehr zu Herzen. Dagegen weiß ich, dass ich in einem großen Stadion als Assistent stets auf der richtigen Höhe bin, im Gegensatz zu vielen anderen Zuschauern“, sagt Michael Kimmeyer, der als Unfallchirurg im Karlsruher Vincentiuskrankenhaus arbeitet.

Erfahrungen als Schiedsrichter im Alltagsleben hilfreich

Nicht nur im Alltagsleben im Allgemeinen, sondern im Speziellen auch für seinen Beruf seien die Erfahrungen als Schiedsrichter sehr nützlich, sagt der Assistenzarzt. „Wie während eines Spiels muss ich in der Klinik mit unterschiedlichen Charakteren kommunizieren, mal in einfacheren Worten etwas erklären, mal in komplexeren Zusammenhängen argumentieren.“ Und wenn alles Reden nicht hilft, gibt’s für uneinsichtige Spieler wie für renitente Patienten auch schon mal eine Verwarnung und notfalls einen Platzverweis.

nach oben Zurück zum Seitenanfang