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Radrennbahn in Karlsruhe

Historiker findet Hinweise auf zwei unentdeckte Radrennbahnen in Karlsruhe

Zwischen 1890 und 1910 war die Blütezeit des Radsports in Karlsruhe mit zahlreichen großen Sportveranstaltungen. Nun entdeckte ein Historiker neue Hinweise auf zwei Radrennbahnen in Rintheim sowie an der Durlacher Allee.

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8_PBS_oXIVa_1314 Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

Als Jürgen Schuhladen-Krämer im Radsportbuch „Tritt um Tritt“ von Sportveranstaltungen auf einer Rennbahn an der Karlsruher Markgrafenstraße las, wurde der Historiker des Stadtarchivs Karlsruhe hellhörig.

Zuvor war dem Stadtgeschichtsschreiber nämlich lediglich eine Rennbahn am Lauterberg bekannt. Doch Schuhladen-Krämer nahm den Hinweis aus dem Buch des langjährigen Radsportarchivars Wolfgang Schoppe ernst und begab sich im Archiv und in der Badischen Landesbibliothek auf Spurensuche. Nach mehreren Stunden Volltextsuche im Zeitungsarchiv der Bibliothek ist er sich sicher: An der Markgrafenstraße wurden keine Rennen veranstaltet.

In Karlsruhe gab es zwei bislang wenig bekannte Radrennbahnen

Dafür gab es Anfang des 20. Jahrhunderts in Rintheim sowie an der Durlacher Allee zwei Radrennbahnen. „Diese Bahnen waren selbst in der Karlsruher Sportchronik bislang nur eine Randnotiz wert“, freut sich Schuhladen-Krämer über seinen Coup.

Dabei war vor allem die Radrennbahn an der Durlacher Allee eine echte Attraktion. Zwischen 1904 und 1909 gingen dort zahlreiche viel beachtete Fahrrad- und Motorradrennen über die Bühne.

Doch der Reihe nach: Bereits 1890 wurde unter Oberbürgermeister Wilhelm Lauter eine Radrennbahn um den Schwanensee im Stadtgarten angelegt. Dort sollten Karlsruher zur Vermeidung von Unfällen Übungsfahrten mit dem Fahrrad unternehmen.

Ab 1885 begann der Siegeszug der Fahrräder

Mit der Entwicklung der so genannten Niedrigräder – die den heutigen Rädern ähneln und die Hochräder ablösten – erfuhr die von Karl Drais mit der Erfindung einer Laufmaschine im Jahr 1817 eingeleitete muskelbetriebene Mobilität einen regelrechten Schub.

Ab etwa 1885 waren Fahrräder ein weit verbreitetes Fortbewegungsmittel, und schon kurz nach der Eröffnung der Lauterburgbahn gingen dort die ersten Rennen über die Bühne. Bereits 1896 wurde die Stadtgartenbahn allerdings wieder abgebaut. Die offizielle Begründung lautete „mangelnde Rentabilität“, aber offenbar gab es sehr wohl einen Markt für Radrennbahnen.

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8_PBS_oXIVa_1317 Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

1901 wurde Holzbahn in Rintheim gebaut

Nach Schuhladen-Krämers Recherchen wurde 1901 in der verlängerten Karl-Wilhelm-Straße in Rintheim eine neue Rennbahn gebaut. Treibende Kraft hinter dem Bau der Anlage auf Höhe des Hauptfriedhofs war nach den Einträgen in den Bauakten zunächst einmal Jakobine Wösch aus Rintheim, die auch im dortigen Radrennverein aktiv war.

Mitinitiator der Bahn war Wöschs Lebensgefährte, der Radsportler Theodor Kögel. „Der hat kurze Zeit auch in der Markgrafenstraße gewohnt. Vielleicht gab es deshalb einmal einen falschen Eintrag“, nennt Schuhladen-Krämer einen möglichen Grund für Schoppes Recherche-Irrtum. Dass es in der Markgrafenstraße eine weitere Rennbahn gegeben hat, schließt Schuhladen-Krämer wegen der dichten Bebauung im Stadtzentrum aus.

Ebenso, dass Radrennen auf einer holprigen Straße stattfanden, denn bereits zu jener Zeit hatten Radsportler hohe Ansprüche an ihre Wettkampfstätten.

Die Rintheimer Bahn war allerdings lediglich eine Holzkonstruktion und laut einer Erwähnung in einer Festschrift zunächst einmal für Sicherheitstrainings der Fahranfänger gedacht.

1904 folgte Oval an der Durlacher Allee

Bereits 1904 gab Kögel dann den Bau einer neuen ovalen Rennbahn an der Durlacher Alllee in Auftrag.

„Die war aus Beton, hatte Steilwandkurven und war immerhin 400 Meter lang“, sagt Schuhladen-Krämer. Zum Vergleich: Heute haben die meisten Sprintbahnen für den Radrennsport lediglich eine Länge von 330 Metern.

In Zeitungsausgaben zwischen 1904 und 1909 fand Schuhladen-Krämer etliche Hinweise auf Sportveranstaltungen auf dem Oval. „Die Bahn war kommerziell ausgerichtet“, betont Schuhladen-Krämer. Anfangs gingen dort wahrscheinlich nur Radrennen über die Bühne, später wurde die Bahn auch für Steher-Konkurrenzen und Motorradrennen genutzt. Die Besitzer wechselten regelmäßig.

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8_PBS_oXIVa_1316 Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

Ab 1905 gehörte die Bahn den jüdischen Kaufleuten Levi und Lämmle, ab 1907 dem Gastwirt Ludwig Wackenhut. Dass man mit einer Radrennbahn Geld verdienen konnte, steht für Schuhladen-Krämer außer Zweifel. „Radrennen waren richtige Spektakel. Immer wieder gab es schwere Stürze, und das zog die Zuschauer besonders in ihren Bann“, sagt der Historiker. Selbst der zweifache deutsche Meister und Radsportpionier Alwin Vater aus Karlsruhe stürzte bei einem Heimrennen auf der Stadtgartenbahn im Jahr 1892 schwer.

Radfahrer verdienten vor 110 Jahren viel Geld

Geld verdienen konnten aber auch die Sportler. „Meiner Einschätzung nach wurde der Radsport viel früher kommerzialisiert als der Fußball“, sagt Schuhladen-Krämer In der Zeitung Volksfreund vom 8. Juni 1909 fand er einen Bericht über den niederländischen Radprofi John Stol.

Der als „fliegender Amsterdamer“ bekannte Profi erhielt demnach für den Gewinn des Sechs-Tage-Rennens in Berlin ein Preisgeld von 30.000 Mark. Dass Fußballer der beiden deutschen Meister Karlsruher FV (1910) und FC Phönix (1909) so viel Geld verdienten, ist nicht bekannt.

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8_Alben3_Bd_1_III_1a_5eecb16bac975 Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

Ab 1910 ebbte der Radsportboom ab

Trotz der offensichtlichen Beliebtheit der Radrennen arbeiteten die Bahn-Betreiber spätestens ab 1909 im Krisenmodus. „Nach längerem Zögern hat sich die Direktion der hiesigen Radrennbahn dann doch entschieden, dem radsportliebenden Publikum am Himmelfahrtstag ein größeres Rennen zu veranstalten“, stand im Volksfreund bereits am 12. Mai 1909 zu lesen.

Bereits seit August 1908 wurde die Bahn nachweislich auch für andere Veranstaltungen wie Hundeschauen oder das Maifest der Sozialdemokraten genutzt. Ab 1909 fand Schuhladen-Krämer bei seiner ersten Rechercherunde keine Hinweise auf organisierte Radsportveranstaltungen.

Tour de France und Deutschlandtour waren letzte Radsport-Großereignisse

Warum der Radsportboom in der Fächerstadt vier Jahre vor dem Ersten Weltkrieg ein recht jähes Ende fand und anschließend keine Renaissance feierte, kann Schuhladen-Krämer nicht sagen. Am Krieg kann es nicht gelegen haben, denn während der Weimarer Republik machte die ehemalige badische Hauptstadt ihrem Ruf als Sportstadt alle Ehre. Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten Karlsruher Sportler bald wieder für positive Schlagzeilen.

Die beiden Pokalsiege des KSC in den Jahren 1955 und 1956 sind ebenso bis heute ins Stadtgedächtnis eingebrannt wie die Silbermedaille von Carl Kaufmann im Rennen über 400 Meter bei den Olympischen Sommerspielen 1960 in Rom. Und die Radsportbegeisterung der Karlsruher zeigte sich, als die Tour de France und die Deutschlandtour in den Jahren 2005 und 2006 Station machten. Dass der Radsport einen neuen Boom erlebt, schließt Schuhladen-Krämer nicht aus. „Im Sport hängt viel von den Personen ab, die etwas anstoßen und in die Hand nehmen. Theodor Kögel war offenbar eine solche Person.“

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