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Unerwartete Dimension

Das große Baumsterben: Welche Bäume wachsen noch in Karlsruhe?

Die Stadtbäume in Karlsruhe sind nicht nur schön anzusehen. Sie nehmen auch einige wichtige Funktionen wahr – und werden in immer größerem Ausmaß Opfer der Trockenheit. Während das Gartenbauamt darum ringt, mit Sicherungs- und Fällarbeiten nachzukommen, stellt sich die Frage: Welcher Baum funktioniert eigentlich noch in der Stadt?

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Gefahr von oben: Wegen möglicher Astbrüche sind in der Karlsruher Waldstadt Fußwege gesperrt. Foto: jodo

Die Stadtbäume in Karlsruhe sind nicht nur schön anzusehen. Sie nehmen auch wichtige Funktionen wahr – und werden in immer größerem Ausmaß Opfer der Trockenheit. Während das Gartenbauamt darum ringt, mit Sicherungs- und Fällarbeiten nachzukommen, stellt sich die Frage: Welcher Baum funktioniert eigentlich noch in der Stadt?

In der Waldstadt warnen Schilder vor Lebensgefahr , die von herabfallenden Ästen ausgeht. Die Bäume dort, vor allem die Buchen und Kiefern, sind ausgetrocknet, viele sind bereits tot . Das Szenario zieht sich durch andere Bereiche der Stadt: In der Günther-Klotz-Anlage ist ein Teil des Baumbestandes gefährdet. Neulich, am Rande von „Das Fest“, zerstörte ein herabfallender Ast beim Pressebereich einen Wlan-Verteiler.

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Am Rande von "Das Fest" ist dieser Ast aus der Krone gebrochen. Foto: Tanja Starck

Ende Juli lud die Stadt zu einem Pressetermin in der Erzbergerstraße . Unterm Blätterdach einiger vertrocknender Bäume erklärten Vertreter der Verwaltung, darunter Bettina Lisbach, Karlsruhes Bürgermeisterin für Umwelt: Es gibt da ein Problem über unseren Köpfen und unter unseren Füßen. Die Bäume sterben weg.

Die Kombination aus Kiefern und Buchen in der Waldstadt ist besonders problematisch. Beide Bäume haben erheblich mit der Trockenheit zu kämpfen.  Als Stadtbaum haben sie eher keine Perspektive mehr, mittlerweile sind ihre Bestände auch in Waldgebieten stark gefährdet - zum Beispiel im benachbarten Hardtwald.

Auf das Ausmaß war niemand vorbereitet

Natürlich nicht alle und nicht überall. Aber nach zwei niederschlagsarmen Jahren hat das Problem ein Ausmaß angenommen, auf das niemand vorbeireitet war. Die Sperrung in der Waldstadt ist ein Indiz dafür: die städtischen Grünbetriebe haben nicht die notwendigen Ressourcen, rechtzeitig alle Bäume zu fällen, die trockenheitsbedingt zum Sicherheitsrisiko geworden sind. „Momentan wäre es zu gefährlich, städtische Mitarbeiter in die abgesperrten Bereiche zu schicken“, sagt Klaus Weindel, stellvertretender Leiter des Gartenbauamtes, beim Termin an der Enzbergerstraße.

In Karlsruhe stehen insgesamt knapp 150 000 Bäume auf städtischem Grund. Dort ist Weindels Behörde für die Pflege zuständig. 26 Mitarbeiter stehen dafür zur Verfügung, die jenseits der Baumpflege aber auch noch andere Aufgaben haben. „Wir sind längst auf der Suche nach weiteren Mitarbeitern“, erklärte Weindel vor einigen Wochen, „aber spüren deutlich, dass es da einen Fachkräftemangel gibt.“

Die Ressourcen reichen kaum aus, der Lage Herr zu werden

Nach eigenen Angaben greift die Stadt auch auf externe Dienstleister zurück, um den Mehraufwand in Sachen Baumpflege und -fällung bewältigen zu können. Allerdings: Auch die sind oft ausgelastet, gerade in der Ferienzeit seien die Kapazitäten knapp.

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Einer von vielen: Ein vertrockneter Baum in der Waldstadt. Foto: jodo

Und dann ist da noch die Sache mit dem Artenschutz: In manchen Bäumen brüten geschützte Vogelarten. Sie dürfen trotz Gefährdungslage erst im Spätsommer gefällt werden.

Die Entwicklung zieht sich quer durch die Stadt

Um die Lage einigermaßen in den Griff zu kriegen, hat die Stadt eine Prioritätenliste erstellt. Darauf vermerkt sind Orte, an denen vertrocknete und abgestorbene Bäume vorrangig zu entfernen oder zumindest Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind. Schwimmbäder stehen darauf, Kindergärten und Spielplätze, die Durlacher Altstadt, der Zoo, der Wildpark und ganz prominent auch die Waldstadt.

Arbeit also quer durch die Stadt und auf Wochen und Monate hinaus. Zumal die Zahl der zu fällenden Bäume wohl eher noch größer werden dürfte.

Zehn Prozent seit 2018 abgestorben

Die genaue Dimension des Baumsterbens ist der Stadt unbekannt. Einen Eindruck immerhin vermitteln die Zahlen aus der Enzbergerstraße: Beim Pressetermin dort erklärte Gartenbauamts-Mitarbeiter Jürgen Unger, dass von den exakt 613 städtischen Bäumen entlang der Straße seit dem vergangenen Jahr etwa zehn Prozent abgestorben sind.

In Karlsruhe stehen weit mehr Bäume, als es Stadtbäume gibt. Neben den 150 000 Bäumen, die auf städtischem Grund stehen, findet sich eine unbekannte Anzahl von Bäumen auf privaten Flächen. Für deren Pflege und Sicherheit sind entsprechend die Grundstücksbesitzer verantwortlich. Für manche Waldgebiete, etwa den Hardtwald, ist das Forstamt zuständig.

Es besteht also Handlungsbedarf. Nicht nur, da von vertrockneten und abgestorbenen Bäumen potenziell Lebensgefahr ausgeht – wie in der Waldstadt. Sondern auch, weil Bäume in der Stadt mehrere wichtige Funktionen übernehmen.

Wichtiger Faktor fürs Mikroklima

Baumbestandene Grünflächen dienen der Naherholung. Und, ab einer gewissen Größe, auch als Kaltluftenstehungsgebiet. Auf Plätzen und Straßen spenden sie Schatten, binden Schadstoffe, bilden Sauerstoff und helfen, das Mikroklima zu regulieren. Ganz augenscheinlich haben sie zudem eine ästhetische Funktion. Und sind somit auch ein Stück Lebensqualität.

„Innerstädtische Begrünung wird angesichts des Klimawandels ohnehin immer wichtiger und damit auch die Pflanzung und der Erhalt von Bäumen“, erklärt Klaus Weindel vom Gartenbauamt. Bei der Ausweisung städtischer Bauvorhaben, etwa Kindergärten, seien Bäume längst als Bestandteil der Grundstückplanung vorgeschrieben.

Karlsruhe braucht neue Bäume

Welche Bäume allerdings künftig in Karlsruhe wachsen sollen, darüber herrscht im Moment noch eine gewisse Unklarheit. Über ein Viertel der gegenwärtigen Stadtbäume sind Ahornsorten (27 Prozent), es folgen Hainbuchen (12 Prozent) und Eichen (10 Prozent). Eine Liste des Arbeitskreises Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz, die GALK-Liste, ordnet etwa verschiedene Ahorn-Arten als für das Stadtklima „geeignet“ oder „geeignet mit Einschränkungen“ ein.

Eine Liste des Arbeitskreises Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz, die GALK-Liste, bescheinigt insbesondere der Hainbuche, nicht stadtklimafest zu sein und empfiehlt, sie nicht in befestigten Flächen zu verwenden. Auch manche Ahornsorten seien im urbanen Umfeld nur eingeschränkt zu empfehlen.

Das Anforderungsprofil an den Baum der Zukunft ist hoch

Bei der Stadt befinden sich daher sogenannte Zukunftsbäume in Erprobung – Bäume also, die auch in den nächsten Jahrzehnten mit den Bedingungen in der Stadt klarkommen werden. Die Schwierigkeit dabei: „Niemand kann so ganz genau sagen, wie sehr sich das Klima eigentlich, über Jahrzehnte gesehen, verändern wird“, sagt Weindel. „Entsprechend schwierig ist es, ein genaues Anforderungsprofil an künftige Stadtbäume zu formulieren.“

Denn die müssen nicht nur hitze- und trockenheitsresistent sein. Mit dem Klimawandel werde auch eine Zunahme von extremen Niederschlägen und Sturmböen einhergehen, vermuten Experten. Stadtbäume der Zukunft müssen daher auch relativ stabil sein und ein widerstandsfähiges Astwerk haben.

Es sollten schon ein paar mehr Sorten sein

Zudem wird es mehrerer neuer Sorten brauchen, um den Baumbestand in Karlsruhe nachhaltig zu sichern. Denn Vielfalt helfe, im Fall von Schädlingsbefall oder Baumkrankheiten die Schäden überschaubar zu halten, wie Weindel darlegt.

Wird das Klima nämlich wärmer, drohen den Bäumen hierzulande bislang eher unbekannte Krankheiten und Pilze. Jahrelang beispielsweise galt in Deutschland die Platane als idealer, weil robuster Stadt- und Straßenbaum. Seit Anfang des Jahrtausends macht ihr allerdings die Massaria-Krankheit immer öfter zu schaffen. Sie lässt die Äste brüchig werden und breitet sich bevorzugt während langer Trockenperioden aus.

Die Lösung liegt wohl im Süden

Wenn das Klima südlicher wird, ist es naheliegend, nach Bäumen zu suchen, die erwiesenermaßen im Süden klarkommen. Insofern ruht der Fokus bei der Suche nach neuen Stadtbäumen in Gebieten mit mediterranem Klima – im Mittelmeerraum also und in klimatisch vergleichbaren Gebieten in Asien und Amerika. Robinien etwa finden sich schon länger in deutschen Städten und dürften dort künftig wohl noch häufiger anzutreffen sein - sie sind auch in Karlsruhe ein Thema.

„Wir haben zudem unter anderem mit dem Eisenholzbaum vielversprechende Erfahrungen gemacht“, benennt Klaus Weidel einen weiteren Hoffnungsträger.

Der große Austausch beginnt in der Waldstadt

Bislang lässt sich die Stadt noch nicht so recht in die Karten schauen, wie es um die Karlsruher Baumlandschaft der Zukunft bestellt sein wird. Sie versichert aber zumindest nachdrücklich, das Thema auf dem Zettel zu haben.

An einigen Orten könnte es aber zu regelrechten Austausch-Aktionen kommen. Den Anfang nehmen wird der Wandel in der Waldstadt. „Den dortigen Baumbestand werden wir erheblich erneuern müssen“, sagt Klaus Weindel, „und dabei werden wir natürlich den zukünftigen Szenarien gemäß pflanzen und auf Vielfalt achten.“

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