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Stadt sucht Alternative

Baden-Baden steigt aus: Künftig kein Anschluss unter der Servicenummer 115

Wer in Baden-Baden Fragen an die Verwaltung hat, kann dafür künftig nicht mehr die bundeseinheitliche Behördennummer nutzen. Welche Konsequenzen hat das für die Bürger?

ARCHIV - Teamleiterin Julia Sartorius sitzt am 12.01.2015 in Frankfurt am Main (Hessen) im Servicecenter 115 der Stadt vor ihrem Monitor. Die 86 000 Einwohner des Saale-Holzland-Kreises können sich ab Montag mit allen Behördenanliegen an die einheitliche Telefonnummer 115 wenden. Foto: Arne Dedert/dpa (zu dpa «Saale-Holzland-Kreis startet einheitliche Behördennummer 115» vom 31.07.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit
Kontakt zur Behördennummer: 2021 gingen aus Baden-Baden etwa 14.000 Anrufe ein. Da das Serviceamt durchschnittlich 78 Prozent der Fragen abschließend beantwortet, bedeutet dies für die Stadtverwaltung eine Entlastung um rund 11.000 Anrufe. Foto: Arne Dedert

Baden-Baden wird zum Jahresende 2022 aus dem kommunalen Verbund der bundesweiten Behörden-Servicenummer 115 aussteigen. Der Hauptausschuss des Gemeinderats stimmte mehrheitlich dafür, die Kooperation mit dem Servicecenter Karlsruhe zu kündigen.

Die Stadtverwaltung wird dieses Angebot jedoch nicht in Eigenregie weiterführen. Unser Redaktionsmitglied Michael Rudolphi beantwortet Fragen rund um diese Entscheidung.

Was ist die 115?

Die Behördennummer 115 ist ein direkter telefonischer Draht in die Stadtverwaltung und erste Anlaufstelle für Fragen aller Art. Ob Reisepass, Gewerbe-Anmeldung oder Wohngeld: Von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr können Bürger mit einem Anruf bei der 115 ihre Fragen zur Verwaltung klären. Anders als in einer Telefonzentrale oder Vermittlung beantwortet das Team der 115-Servicecenter den größten Teil aller Anfragen abschließend.

Seit wann gibt es dieses Angebot in Baden-Baden?

Die Stadt hat die Behördennummer 2017 in Kooperation mit dem Servicecenter Karlsruhe eingeführt.

Was kostet dieser Service?

Baden-Baden hat 2019 mit dem Servicecenter eine jährliche Pauschalabrechnung vereinbart. 60.000 Minuten kosten 95.500 Euro. Darüber hinausgehende Minuten muss die Stadt zum Vollkostenpreis abrechnen. Nach Angaben der Verwaltung fielen im Vorjahr 125.500 Euro an. Darin ist die Pauschale von 95.500 Euro enthalten. Durch die Pauschalabrechnung ergab sich eine Ersparnis von rund 25.000 Euro.

Wie stark ist die Behördennummer gefragt?

2021 gingen aus Baden-Baden etwa 14.000 Anrufe (1.250 Stunden) ein. Da das Serviceamt durchschnittlich 78 Prozent der Fragen abschließend beantwortet, bedeutet dies für die Stadtverwaltung eine Entlastung um rund 11.000 Anrufe, was etwa 900 Stunden entspricht.

Wie sind die Prognosen für die künftige Nutzung ?

Nach Angaben der Stadt ist die Zahl der Anrufe während der Corona-Pandemie stark gestiegen. Das weitere Aufkommen ist schwer abzuschätzen. Aufgrund des Durchschnittswerts der Monate September bis Dezember 2021 rechnet das Rathaus für 2022 mit etwa 12.000 Anrufen beziehungsweise 63.000 Minuten. Bilden die Anruferzahlen vom Januar 2022 die Basis, ist im laufenden Jahr mit 14.500 Anrufen oder 77.500 Minuten zu rechnen.

Was bedeutet das für die weiteren Kosten?

Das Servicecenter Karlsruhe kündigt an, die Vereinbarung zur jährlichen Pauschalabrechnung von 60.000 Minuten für 95.500 Euro spätestens Ende 2022 zu kündigen. Die Stadt müsste dann ab Januar ab der ersten Minute den aktuellen Vollkostenpreise, der bei 1,98 Euro liegt, zahlen. Ab 2023 kämen damit auf die Stadt abhängig von den Anruferzahlen Ausgaben zwischen 130.000 und 150.000 Euro pro Jahr zu.

Warum möchte das Rathaus die 115 beibehalten?

Nach Ansicht der Verwaltung ist diese Servicenummer neben der Entlastung der städtischen Beschäftigten ein wichtiges Bindeglied, um das Onlinezugangs-Gesetz umzusetzen. Die Behördennummer bietet Anrufern mehrere Kanäle zur Kontaktaufnahme (Telefon, Sprachdialogsystem, Chatbots und Rückrufservice). Zudem unterstützt die 115 digitale Verwaltungsleistungen. Baden-Baden profitiert zudem von überregionalen Multikanal-Angeboten, ohne selbst die komplette Entwicklungsarbeit leisten zu müssen.

Warum beschloss der Hauptausschuss, aus dem Angebot der 115 auszusteigen?

Die Mehrheit der Stadträte hält die Behördennummer für nicht zielführend. Nach Ansicht der AfD kommen die Anrufer in der Regel nicht zum gewünschten Ansprechpartner durch. Die Freien Bürger für Baden-Baden (FBB) und die Freien Wähler plädieren dafür, sich nicht von der weitere Entwicklung in Karlsruhe abhängig zu machen. Die CDU verweist darauf, dass viele Bürger mit dem Angebot unzufrieden seien. Die FDP spricht sich dafür aus, ein lokales Angebot aufzubauen. Ein Antrag der SPD, im 2022 die 115 zu evaluieren und dann über das künftige Vorgehen zu entscheiden, fand bei Stimmengleichheit keine Mehrheit.

Wie geht es weiter?

Das Rathaus schließt aus, die 115 aufgrund der damit verbundenen hohen Kosten und mangelnder Effizienz in Eigenregie zu betreiben. Eine städtische 115 bedeutete mindestens 7,5 Stellen mit Personalkosten von etwa 450.000 Euro pro Jahr. Der Hauptausschuss machte einige Vorschläge zur künftigen Handhabung: Bürger sollen ihre Anliegen statt per Telefon verstärkt per Mail vorbringen. Die Verwaltung soll in den Dienststellen feste Telefon-Sprechzeiten etablieren und ihre Homepage überarbeiten, um dort bereits möglichst viele Antworten auf Bürgerfragen zu geben.

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