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Magisches Goecke-Stück

Europaweit einmalig: Sâo Paulo Dance Company begeistert im Festspielhaus Baden-Baden

Hochkarätigen Tanz, darunter eine magisch wirkende Choreografie des umstrittenen Marco Goecke, zeigt die Sâo Paulo Dance Company bei ihrem europaweit einmaligen Gastspiel im Festspielhaus Baden-Baden.

Drei Tänzer im Stück „Cartas do Brasil“ im Festspielhaus Baden-Baden.
Eine flotte Szenenfolge mit formidablem Tanz steuert das Stück „Cartas do Brasil“ zum Gastspiel der Sao Paulo Dance Company bei. Choreograf ist Juliano Nunes, der einst am Staatstheater Karlsruhe tanzte. Foto: Marcelo Machado

Wind und Wellen, Geräusche und aufgeregte Rufe, schreiende Vögel. Die Menschen laufen wie auf der Flucht. Rennen und tippeln, manchmal auf der Stelle, manchmal vorwärts, als kämpfen sie gegen starken Widerstand, schieben sich zeitlupenhaft mühsam voran.

Eine „Odyssee“ eröffnet das Tanz-Gastspiel

Mit der Choreografie „Odisseia“ beginnt das Programm der Sâo Paulo Dance Company, die derzeit im Festspielhaus Baden-Baden ihr einziges Gastspiel in Europa gibt. Im Festspielhaus gastiert die Companhia de Dança, wie sie zuhause genannt wird, nun zum dritten Mal innerhalb von zwölf Jahren.

Mit „Odisseia“ umfasst die Choreografin Joëlle Bouvier das Thema der Migration und Flucht zu einer modernen Odyssee, die vom Aufbruch ins Unbekannte erzählt. Den antiken Mythos verwandelt sie in zeitlos schöne Bilder, die dem Aufbruch einen poetischen Zauber verleihen, in dem seidenzarte Fahnen zu Wellen werden oder sich zu einem beschirmenden Dach aufplustern und plötzlich aus der Menge gefaltete Papiervögel aufsteigen.

Verbindung aus antikem Epos und modernem Aufbruch

In dieser fein gesponnen Ensemblearbeit werden die 13 Tänzer frontal aufgestellt, zu Knäueln verklumpt, einzeln herausgelöst und dann wieder in Gruppenornamente formiert.

Das mit knapp 40 Minuten längste der vier gezeigten Stücke setzt die Fusion aus antikem Epos und modernem Aufbruch auch in der Musikauswahl aus Bach, dessen Adaption durch den brasilianischen Nationalkomponisten Villa-Lobos in seinen „Bachianas Brasileiras“ und einem gesungenen Gedicht von Vinicius de Moraes fort.

Programmauswahl ist sehr exakt ausgewogen

Elegant gelöst hat die Company die Frage der Programmauswahl. Vier Stücke: zwei von Frauen, zwei von Männern, zwei von Brasilianern, zwei von Europäern. Vier Handschriften, die sich auf ein animiert tanzendes Ensemble verlassen können. Nach Bouviers letztlich doch etwas lang geratener „Odisseia“ folgt das keine zehn Minuten dauernde Pas de deux, das Marco Goecke aus dem „Feuervogel“ destilliert hat.

Wie man mit Goeckes Arbeiten seit seiner Hundekot-Attacke auf die Kritikerin Wiebe Hüster umgeht, wird von Ensemble zu Ensemble unterschiedlich beurteilt. Die Brasilianer zeigen sein Stück, das auf Wiegenlied und Finale von Strawinskys Märchenstück basiert. Goecke schält aus der Handlung die Begegnung des Feuervogels mit dem Prinzen heraus.

Magisches Stück von umstrittenem Choreografen Goecke

Wie die Choreografie beide Figuren geheimnisvoll aus dem Dunkel holt und dorthin wieder entrückt, ihre flatternden, nervösen Flügelschläge und gehackten Attacken einerseits und statuarische Kälte andererseits in Nähe umwandelt, das ist pure Magie. Zudem wird das Stück von Thamiris Prata und Nielson de Souza meisterhaft behandelt, als sei diese Choreografie, die als einzige nicht als Auftragswerk der Company entstand, für sie maßgeschneidert.

Beitrag von einstigem Staatstheater-Tänzer

Beide fügen sich, so das Konzept der Truppe, nach der Pause in das Ensemble der beiden brasilianischen Arbeiten ein. Juliano Nuñes tanzte nach seiner Ausbildung an der Mannheimer Tanzakademie kurzzeitig auch am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Seine Choreografien werden mittlerweile von London bis St. Petersburg gezeigt.

Bei seinem brasilianischen Debüt stützt er sich ebenfalls auf Villa-Lobos. In „Cartas do Basil“ zeigt er sich in großbogigen Formationen und flott aufeinanderfolgenden originellen Duos, Dreier- und Vierer Szenen klassisch orientiert. Das Stück voller neoklassischer Formstrenge und Noblesse bleibt vor allem als formidabel getanzte Ensembleleistung in Erinnerung.

Nach der selbstgenügsamen Eleganz der „Cartas do Brasil“ macht Cassi Abranches ihre „Agora“ mit ihren wiegenden, hüftschwingenden Sambaschritten, den sportiven, fast kampfbereiten Schrittfolgen, vorwärts und rückwärts gleichermaßen temporeich, sowie mit wagemutigen Sprüngen und Überwürfen zu einem Tummelplatz brasilianischer Lebensfreude. Die trommelnde Intensität des südamerikanischen Folkfocks von Sebastián Piracés liefert dazu den aufregenden Background.

Service

Weitere Termine: 20. Mai, 19 Uhr. www.festspielhaus.de

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