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In Schönschrift

Die Sprüche gehören zum Baden-Badener Restaurant Leo’s wie die Speisekarte

In einem Restaurant in Baden-Baden stehen auf Tafeln nicht nur die Speisen. Mitarbeiterin Josi Salz sucht immer neue coole Sprüche aus und schreibt sie mit Kreide in Schönschrift.

Die aus Berlin stammende Josi Salz ist im Restaurant Leo’s in Baden-Baden für die Beschriftung der Tafeln zuständig. Die Texte finden auch bei Passanten viel Beachtung.
Die Frau für die Sprüche: Die aus Berlin stammende Josi Salz ist im Restaurant Leo’s in Baden-Baden für die Beschriftung der Tafeln zuständig. Die Texte finden auch bei Passanten viel Beachtung. Foto: Bernd Kamleitner

An diesem Spruch kommt kaum ein Passant vorbei, ohne stehen zu bleiben: „Man kann sich den ganzen Tag ärgern, verpflichtet ist man dazu nicht.“ Das sitzt! An der als Büroweisheit bekannten Formulierung ist in der Tat was dran, oder? Weniger Ärger am Arbeitsplatz und auch sonst im Alltag, das wäre nicht schlecht!

Zu lesen ist der mit weißer Kreide in Schönschrift auf eine große Tafel geschriebene Spruch am Restaurant Leo’s in der Baden-Badener Stadtmitte. Wenn ihn Menschen wahrnehmen, freut das Josi Salz ganz besonders.

Die aus Berlin stammende Angestellte des Restaurants an der Luisenstraße ist für die immer wieder wechselnden Aufschriften der Tafel zuständig. „Das hat sich so entwickelt“, beantwortet Salz die Frage, wie das Ritual denn eigentlich begonnen hat.

Kultlokal in München war Vorbild für Leo’s

Anfangs dienten die Tafeln an der Außenwand und im Leo’s dem Zweck, dem solche Hilfsmittel in Gastronomiebetrieben eben dienen: Sie informieren den Gast über das aktuelle Speisenangebot.

So wurde es bereits unter dem früheren und langjährigen Besitzer und bekannten Baden-Badener Gastronomen Peter Schreck praktiziert. Der hatte das Leo’s 1986 eröffnet – damals inspiriert vom Kultlokal Café Extrablatt im Münchner Stadtteil Schwabing.

Schreck wählte irgendwann zudem Sprüche aus, die dann ebenfalls zu lesen waren. So fing das Sprüche-Schreiben vor vielen, vielen Jahren an. Es wurde auch beibehalten, als Heribert und Birgit Kargl am 1. August 2017 den Betrieb übernahmen. Die Tafel-Texte gehören zum Restaurant wie die Speisekarte.

Vorliebe für schöne Schrift

Das Beschriften der Tafeln am und im Leo’s fiel in die Verantwortung von Salz, weil die Mitarbeiterin bekannt dafür ist, sehr akkurat schreiben zu können. Das erzählt die Frau, die dem Restaurant schon seit 17 Jahren die Treue hält, und an dieser Aufgabe immer noch großen Spaß hat.

Zumal Reaktionen auf die von ihre ausgewählten Sprüche sichtbar sind. Oft würde die Tafel mit der Aufschrift nicht nur aufmerksam gelesen, sondern sogar mit dem Smartphone abfotografiert. Für Salz kommt das nicht überraschend.

Eine handgeschriebene Tafel zieht magisch an.
Josi Salz Restaurant-Mitarbeiterin

„Eine handgeschriebene Tafel zieht magisch an“, findet das „Berliner Kind“, das in seiner Schulzeit in der Hauptstadt noch das Fach Schönschreiben hatte.

Wenn ich etwas gerne mache, gelingt es besser.
Josi Salz Restaurant-Mitarbeiterin

Handgemachten Sachen sind eine Leidenschaft von Salz. „Wenn ich etwas gerne mache, gelingt es besser“, lautet ihre Philosophie. Die Auswahl der Sprüche scheint ihr ebenfalls gut zu gelingen.

Anfangs notierte sie entsprechende Texte, die ihr im Alltag in unterschiedlichsten Situationen zufielen. Inzwischen konzentriert sich die Suche nach neuen Weisheiten vor allem auf das schier unendliche Angebot im Internet.

Wetter und Laune spielen bei Textauswahl eine Rolle

In dieser Tätigkeit sieht sie sich mit der langjährigen Erfahrung als Spezialistin im Suchen. Die Auswahl ist nach ihren Angaben aber von der jeweiligen Tagesform abhängig: „Je nachdem, was mir zusagt!“

Die Jahreszeit oder das Wetter und auch ihre Laune spielen dabei eine Rolle. Als nach der Wiedereröffnung des Leo’s nach dem Lockdown das Wetter mies war, war das auf der Tafel nachzulesen: „Die Wetterfee ist ein sadistisches Miststück“.

Sorgen, dass einmal Sprüche ausgehen, muss sie sich nicht machen. Im Gegenteil: Inzwischen bekommt sie sogar Vorschläge von Restaurantbesuchern. Und wie oft wird der Text gewechselt? „Da bin ich wie eine Künstlerin: Ich habe nicht jeden Tag Lust dazu“, sagt Salz und lacht.

Manche Texte bleiben auch länger stehen

Mancher Text bleibt länger auf der Tafel stehen, mancher verschwindet schneller wieder. Bisweilen geschieht ein Wechsel ganz einfach spontan. Länger als drei Wochen bleibt aber keiner, sagt Salz.

Im Außenbereich kann zudem schon mal ein Regenguss der Kreideschrift zusetzen und sie unleserlich machen. Im Inneren des Restaurants kommt es außerdem hin und wieder vor, dass Gäste der Tafel beim Vorbeigehen zu nahe kommen und die Aufschrift verwischen. In beiden Fällen muss dann natürlich Ersatz her.

Einen Lieblingsspruch hat Salz nicht

Einen Lieblingsspruch hat Salz übrigens nicht: „Es gibt so viele, die toll sind!“ Weniger angenehm findet sie die Vorgaben für die Service-Kollegen, wegen der Corona-Pandemie eine Maske zu tragen. Bei über 30 Grad könne das eine „ätzende Sache“ sein.

Die Belastung erweise sich zudem für die Betroffenen als doppelte, wenn sie sehen, wie die Gäste im Außenbereich ohne Maske sitzen dürfen.

Salz weiß, wovon sie spricht. Sie war viele Jahre im Service tätig. Inzwischen hat sie im Leo’s andere Aufgaben. Unter anderem ist sie am Morgen für den Aufbau auf der Terrasse zuständig, für Bestellungen – und natürlich für das Beschriften der Tafeln.

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