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Umfangreiche Dokumentation

Alternative Bewegungen in Bühl: Was abseits gewohnter Wege möglich war

Mit alternativen Bewegungen in Bühl befasst sich eine private Sammlung. Sie soll an das Stadtgeschichtliche Institut übergeben werden.

An einem Baugerüst in der Bühler Hauptstraße prangt ein Protestbanner gegen die Volkszählung. Aufschrift: Wollt ihr den totalen Staat?
An einem Baugerüst in der Bühler Hauptstraße prangte ein Protestbanner gegen die Volkszählung. Foto: Sammlung Rohrbacher-Laskowski

Der Titel könnte von einem Soziologie- oder Geschichtsseminar einer Universität stammen: „Alternative politische und kulturelle Bewegungen in Bühl nach 1968“ ist die Homepage überschrieben, die ein Bühler Trio aufgebaut hat. Hier finden sich zahlreiche Bilder, Flugblätter, Broschüren und was es sonst noch alles so gab in der vordigitalen Zeit. Und weil diese Dokumente nicht nur in Bits und Bytes vorliegen, sondern auch in echtem Papier, stellt sich für Rolf Rohrbacher-Laskowski die Frage, wie diese Sammlung zukunftssicher gemacht werden kann.

Rohrbacher-Laskowski ist nicht nur Zeitzeuge, sondern auch Mitstreiter mancher dieser Bewegungen gewesen. Er war Stadtrat der seit 1984 im Gemeinderat vertretenen Grün-Alternativen Liste, beim „Kunst(T)raum“ ebenso dabei gewesen wie beim Arbeitskreis Bürgerzentrum OAG-Halle, und immer noch engagiert er sich im Alternativen Kulturverein. Seit 2015 ist er dessen Vorsitzender.

Mitstreiter mancher Bühler Bewegung

Eine zweite Leidenschaft neben der Kunst war die Basis der im Internet zu findenden Sammlung: Rohrbach-Laskowski ist ein Sammler. Was immer ihm zu Themen wie AKV, Haus der Jugend oder dem Arbeitskreis gegen Berufsverbote auf den Tisch flatterte, bewahrte er auf. Rund zehn dicke Ordner hat er damit gefüllt.

Vor etwa acht Jahren keimte die Überlegung, diese Dinge auch online zugänglich zu machen. Gemeinsam mit Claudia Merklinger und Uwe Böhm wurde die Idee zur Wirklichkeit.

Böhm entwickelte als Experte ein digitales Archiv. Gemeinsam pflegte das Trio die Dinge ein, Merklinger und Rohrbacher-Laskwoski schrieben die Texte.

Drei Frauen in schwarer Kleidung sind mit einer Schubkarre unterwegs. Eine trägt eine Gasmaske.
Die 1982 gegründete Autonome Frauengruppe Bühl machte mit Aktionen wie hier auf dem Marktplatz auf ihre Anliegen aufmerksam. Foto: Sammlung Rohrbacher Laskowski

Entstanden ist eine informative Dokumentation über gesellschaftliche und politische Entwicklungen, die sich abseits der gewohnten Pfade einer kleinen Stadt zutrugen. Alternativ nannte es sich damals, gegen Berufsverbote zu demonstrieren oder für ein selbstverwaltetes Haus der Jugend zu streiten. Der AKV und die GAL trugen die Alternative gleich im Namen.

Berufsverbot für Bühler Lehrer

Da sind einige Schätze zu entdecken. Die Autonome Frauengruppe Bühl etwa, die sich 1982 gründete und zunächst radikal am Feminismus orientierte. Die Frauen rissen das Tabu-Schild von Themen wie Gewalt gegen Frauen, Missbrauch und Vergewaltigung.

Sehr viel Material hat sich vom Arbeitskreis gegen Berufsverbote erhalten. Dabei steht der Fall von Klaus Lipps im Mittelpunkt, der am Windeck-Gymnasium unterrichtete und 1975 erstmals aus dem Schuldienst entlassen wurde. Eine besondere Perle ist hier ein halbstündiges Video aus dem Jahr 1976, das der Arbeitskreis gedreht hat.

Noch manch weitere alternative Aktion wird dokumentiert, vom Schriftwechsel zwischen dem Verband der Verfolgten des Nazi-Regimes und dem damaligen Oberbürgermeister Ulrich Wendt (CDU), der der Errichtung eines Gedenksteins an den Synagogenbrand vorausging, über die Jugend- und Bürgeraktion bis hin zur Friedensinitiative Bühl.

Komplett erhalten geblieben ist eine alternative Zeitschrift, die es vom Juni 1982 bis Dezember 1984 auf 31 monatliche Ausgaben brachte. Ihr Name: „Provinzgeflüster“, die geografische Verbreitung: zwischen Rastatt und Offenburg, ihr verantwortlicher Redakteur: Wolfgang Jokerst.

Titelbild einer Zeitschrift namens Provinzgeflüster
31 Ausgaben schaffte die Zeitschrift mit dem Titel „Provinzgeflüster“. Dies war das Titelbild der ersten Ausgaben. Foto: Sammlung Rolf Rohrbacher-Laskowski

All das ist nur ein Auszug aus der reichhaltigen Dokumentation. Nun möchte Rohrbacher-Laskowski einen Knoten auf das Paket machen. „Wir sind jetzt an einem Punkt, wo uns die Luft ausgeht“, sagt er. „Wir wollen die Sache abschließen.“ Ein Teil der Sammlung sei bereits ans Stadtgeschichtliche Institut in Neusatz abgegeben worden. Diesen Weg soll auch der übrige Bestand folgen. Während die physischen Teile ins Archiv wandern können, müsste das Digitalarchiv auf einen Server des Stadtgeschichtlichen Instituts und damit der Stadt umgezogen werden.

Bühler Material soll eingeordnet werden

Zuvor soll aber noch einmal ein genauer Blick auf die Sammlung geworfen werden. Rohrbacher-Laskowski hofft darauf, dass sich jemand findet, der mit der notwendigen fachlichen Kompetenz helfen kann, die Elemente einzuordnen. Manche Flugblätter seien beispielsweise lediglich mit Tag und Monat datiert, nicht aber mit dem Jahr. „Vielleicht gibt es auch Leute aus der Zeit und den Bewegungen, die noch Broschüren, Flugblätter oder Bilder haben, die wir noch nicht kennen“, sagt Rohrbacher-Laskowski.

Auch mögliches neues Material aus der Geschichte alternativer Bühler Bewegungen solle künftig im Stadtgeschichtlichen Institut seinen Platz haben. So sei gesichert, dass sie Interessierten zugänglich bleibe, die sich vielleicht irgendwann einmal mit diesen Kapiteln beschäftigen wollen. „Es wäre doch schade“, sagt Rolf Rohrbacher-Laskowski, „wenn das, was ich und andere gesammelt haben, im Mülleimer landen würde.“

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