Skip to main content

Moderator der ARD-Tagesthemen

Ingo Zamperoni spricht bei „Schoog im Dialog“ in Bühl über Politik, Glück und Ehrgeiz

Ein Moderator wechselt die Seiten: Ingo Zamperoni stellte bei „Schoog im Dialog“ in Bühl ausnahmsweise nicht die Fragen, er stellte sich ihnen – und ging keiner aus dem Weg.

Mann
Gestenreich: Ingo Zamperoni bescherte den Gästen im Bürgerhaus Neuer Markt 90 unterhaltsame Minuten. Foto: Wilfried Lienhard

Die Hände: auf Armlänge jeden Quadratzentimeter erkundend, Gesagtes unterstreichend, unablässig in Bewegung. Wie gelingt es Ingo Zamperoni wohl, vor der Fernsehkamera die gut gefüllte Kiste des Gesten-Repertoires verschlossen zu lassen? Der Tagesthemen-Moderator wechselt als Gast bei „Schoog im Dialog“ die Seiten. Im Bühler Bürgerhaus Neuer Markt stellt er 90 Minuten unterhaltsame Minuten lang mal nicht die Fragen, er stellt sich ihnen.

Der 48-Jährige macht es Gastgeberin Bernadette Schoog einfach. Nichts muss ihm die Kollegin aus der Nase ziehen, keiner Frage weicht er aus – der Gast Ingo Zamperoni wäre nicht der typische Interview-Partner für den Moderator Ingo Zamperoni. Profi, der er ist, nennt er auf die Frage nach besonders schwierigen Gesprächspartnern keine Namen, aber dass es etliche Kandidaten gibt, verrät sein Mienenspiel.

Das Ausweichen in Kombination mit der limitierten Zeit, das sei der Grund, warum die Moderatoren so oft dem Gesprächspartner ins Wort fielen. Viele Zuschauer, Zamperoni weiß es, mögen das nicht, er tue es auch nicht gern. Doch der Moderator strebe in jedem Gespräch nach Erkenntnisgewinn. Und deshalb heiße es dranbleiben, nachfragen, immer die tickende Uhr im Kopf.

Mann und Frau auf Bühne
Bernadette Schoog und Gesprächspartner Ingo Zamperoni im Bühler Bürgerhaus Neuer Markt. Foto: Wilfried Lienhard

Es ist ein Puzzleteil im Versuch, eine überkomplex gewordene Welt zu erklären. Ein anderes Teil war das Studium der Amerikanistik, Jura und Geschichte. „Was heute passiert, kann man nur verstehen, wenn man weiß, was vorher war“, sagt Zamperoni. Das gilt auch für die Situation in den USA. Sie sind ein Lebensthema des gebürtigen Wiesbadeners, beruflich und privat.

Er hat in Boston studiert, war Auslandskorrespondent in Washington, hat zwei Bücher über das Land geschrieben und produziert mit seiner Ehefrau Jiffer Bourguignon den Podcast „Amerika, wir müssen reden“. Die Familie spielt auch eine Rolle in der Fernsehdoku „Trump, meine amerikanische Familie und ich“.

Lage in den USA schlimmer gekommen, als Zamperoni befürchtet habe

In der Sommerpause, verrät Zamperoni, fliege er wieder in die Staaten, der zweite Teil seiner Doku stehe an. Allzu optimistisch klingt er nicht. Es sei noch schlimmer gekommen, als er es befürchtet habe, sage der Trump wählende Schwiegervater mit Blick auf den demokratischen Präsidenten Joe Biden.

Auch mit einem solchen Satz belegt Zamperoni die wachsende ideologische Drift, der Wechselwähler werde zu einer unbekannten Gattung. Donald Trump wiederum wolle vor allem die Schmach der angeblich gestohlenen Wahl tilgen: „Verlieren, das kann er gar nicht ab.“ Trump brauche zudem Aufmerksamkeit: „Was er noch weniger mag als schlechte Presse, ist gar keine Presse.“

Ein Freund kritischer Medien ist der Ex-Präsident nicht. Doch auch in Deutschland ist der Wind rauer geworden. Dabei seien seine Kolleginnen die Zielscheibe härterer Kritik, sagt Zamperoni, dieser Sexismus „ist ganz furchtbar“. Sein Geburtstag ist der Tag der Pressefreiheit. Ein netter Zufall, mehr nicht, sein Plädoyer für einen ausgewogenen, auf Fakten basierenden Journalismus hielte er auch mit einem anderen Geburtsdatum kein bisschen anders.

Moderator staunt selbst über seinen Karriereweg

Es scheint, als staune er selbst über das, was er erreicht hat, seit er sein erstes Praktikum beim SWF in Mainz machte und in Wiesbaden für die Schülerzeitung „Mülltonne“ schrieb. „Ich habe sehr viel Glück gehabt in der Lotterie des Lebens“, sagt Zamperoni. Ist das Koketterie?

Auf Schoogs Frage gesteht er auch die richtige Portion Ehrgeiz ein: „Aber man kann sich noch so anstrengen, wenn man kein Glück hat, wird’s nichts.“ Die Tagesthemen seien außerdem zuallererst eine große Teamleistung: „Am Ende bin ich nur der, der die Sache verkauft.“ Zamperoni meint, was er sagt, das wird spürbar. Zur richtigen Einordnung seiner selbst helfe es, sich nicht zu wichtig zu nehmen: „Es ist nur Fernsehen.“

Und wie ist das nun mit den Händen vor der Kamera? Am Büchertisch, an dem Zamperoni für ein gemeinsames Foto anstandslos auch in jedes gezückte Handy lächelt, verrät er sein Rezept fürs Gestenfasten. „Ich knete die Moderationskarten, mit denen kann man hinterher nichts mehr anfangen.“ Sagt’s und lächelt sein so jungenhaftes wie natürliches Lächeln.

nach oben Zurück zum Seitenanfang