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Stationäre Einrichtung

Im alten Mooser Pfarrhaus sollen Jugendliche eine neue Perspektive finden

Was tut die Kirche mit einem leerstehenden Pfarrhaus? Vermieten. Aber an wen? In Moos wurde jetzt eine Lösung gefunden, die für alle Beteiligten zu einem Gewinn werden kann. Aber um was geht es da?

Gebäude
Neue Nutzung: Das Pfarrhaus in Moos wird zur Heimat der Gesellschaft für systemische Jugendhilfe. Die richtet dort sieben betreute Wohnplätze ein. Foto: Jörg Seiler

Einige Monate ist das Mooser Pfarrhaus leer gestanden, doch im August füllt es sich mit jungem Leben. Dann zieht die „Gesellschaft für systemische Jugendhilfe gGmbH“ in das stattliche Gebäude neben der barocken Pfarrkirche St. Dionys. Noch wird dort in den Räumen gemalert und geputzt, aber es macht schon einen sehr ansprechenden Eindruck. Alles ist hell, licht und großzügig. Martin Schloß, der neue Hausherr, freut sich auf das Domizil. Es war für ihn mehr oder minder Liebe auf den ersten Blick. „Ich habe mich sofort wohlgefühlt“, berichtet der Geschäftsführer der systemischen Jugendhilfe und meint mit einem Augenzwinkern: „Wir verdoppeln die Einwohnerzahl“.

Zuvor Tagungsstätte der Christlichen Arbeiterjugend

Ganz so ist es dann nicht, aber nimmt man die sieben Jugendlichen in einem Alter von 15 bis 17 Jahren plus Betreuer, so macht sich das bei den rund 800 Einwohnern im Bühler Stadtteil doch etwas bemerkbar. Etwa bis Mitte vorigen Jahres nutzte die Christliche Arbeiterjugend (CAJ) die Räume des Pfarrhauses für Tagungen, doch wegen der Corona-Pandemie ging das Geschäft gegen null.

Als der Vertrag auslief, habe die CAJ nicht mehr verlängert, berichtet Verena Friedmann vom Pfarrgemeinderat und Stiftungsrat der Seelsorgeeinheit Bühl/Vimbuch. Ein Nachmieter musste her. Da sei es Fügung gewesen, dass ein Mitglied des Stiftungsrats die Anzeige entdeckt habe, mit der Martin Schloß nach einer neuen Heimat für die von ihm im Jahr 1997 gegründete systemische Jugendhilfe suchte.

Deren stationäre Einrichtung war in den vergangenen acht Jahren in einer Immobilie in Durmersheim untergebracht, doch da habe der Besitzer Eigenbedarf angemeldet, berichtet Schloß. Die Suche nach einem neuen, geeigneten Standort gestaltete sich nicht einfach. Es geht darum, ein adäquates Umfeld zu finden. Das heißt: geordnete Strukturen und kein Problemviertel.

Denn aus sozial schwierigen Quartieren kommen viele der jungen Menschen. Wenn ihre pädagogisch-therapeutische Betreuung dann just in einer vergleichbaren Umgebung stattfindet, ist das eher kontraproduktiv. Dazu benötigt die Jugendhilfe ein gewisses Raumkontingent. Schloß spricht in diesem Zusammenhang von rund zehn Zimmern, die dem betreuten Einzelwohnen dienen, ebenso der Verwaltung, den Mitarbeitern und den Besprechungen.

In Moos geht um mehr als einfach nur vermieten

„Wir freuen uns über eine adäquate Nachnutzung“, betont Verena Friedmann. Möglich wurde die auch, weil das in Moos untergebrachte Pfarrarchiv mit Bühl und Kappelwindeck neue Domizile gefunden hat. Angetan ist auch der Leiter der Seelsorgeeinheit Bühl/Vimbuch, Pfarrer Andreas Schneider: „Wir sind über diese Lösung sehr froh.“

Schneider verdeutlicht im Gespräch, dass es nicht schwer gewesen sei, Nutzer für das Pfarrhaus zu finden. „Der Markt ist da.“ Aber es gehe der Seelsorgeeinheit um die soziale Komponente. Da ist die Vermietung an die Jugendhilfe der richtige Weg. Dass es da Vorbehalte geben kann, versteht sich von selbst. Aber: „Die Mooser haben gesagt, es wird klappen. Das finde ich toll“, freut sich der Pfarrer.

Wir sind kein klassisches Heim.
Martin Schloß, Geschäftsführer der systemischen Jugendhilfe

Die jungen Leute, die ins Pfarrhaus einziehen werden, erhalten dort das, was man gemeinhin als Hilfe zur Selbsthilfe bezeichnet. Zu den Hauptthemen zählen Alkohol und Drogen, Gewalt, Rechtspopulismus, Sexismus, Scham und Schulschwänzen. Auf eines legt Jugendhilfe-Gründer Schloß besonderen Wert: „Wir sind kein klassisches Heim.“ Bei einer Verweildauer der Jugendlichen von mindestens drei Monaten bis zu elf Monaten arbeiten die Betreuer um Teamleiterin und Sozialpädagogin Elisa Calabrese mit ihren Schützlingen ein sehr komplexes Themenfeld auf.

Erkenntnis spiele dabei eine wichtige Rolle, so Calabrese, ebenso die Familienarbeit. Immer im Fokus: das Umfeld der jungen Leute, denn das prägt. Daraus resultiert auch der Ansatz, den Jugendlichen eine temporäre Heimat abseits der Umgebung zu bieten, in der sie in ihre Situation gekommen sind.

Jugendliche sollen eigenständiges Leben führen

„Wir arbeiten wenig mit Strafen“, sagt Schloß. Das allerdings schützt nicht vor Konsequenzen. Nachgewiesener Drogenhandel in der Einrichtung bedeutet den sofortigen Rauswurf, ebenso Gewalt gegen Betreuer. Und: „Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen. Delikte werden sofort angezeigt.“ Kernziel sei es, dass die Jugendlichen letztlich wieder ein verantwortungsbewusstes, eigenständiges Leben führen. Dazu werden Ziele definiert.

Und ganz wichtig ist es für die systemische Jugendhilfe, dass sie eng mit den Nachbarn zusammenarbeitet. Im September ist ein Hock geplant. Dazu will die Einrichtung im Dorf Präsenz zeigen. „Wir haben eine Kunst- und eine Musikgruppe.“ Und wer will, kann zum Beispiel in einem der umliegenden Vereine aktiv werden. Zur Schule geht es natürlich auch. „Alle Jugendlichen sind bereits an den Schulen in der Umgebung angemeldet“, sagt Calabrese.

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