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Versorgungsprobleme halten an

Warum in Bühl viele Eltern weiterhin händeringend einen Kinderarzt suchen

Wer in Bühl einen Termin beim Kinderarzt möchte, braucht Geduld. Trotzdem dürfen sich keine neuen Ärzte niederlassen. Eine Vertreterin der Kassenärztlichen Vereinigung hat im Gemeinderat erklärt, woran das liegt.

Ein Arzt untersucht in einer Kinderklinik ein Kind.
Zulassungsstopp: Viele Eltern suchen in Bühl einen Kinderarzt. Neue Ärzte dürfen sich trotzdem nicht niederlassen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Extrem lange Wartezeiten bei Fachärzten. Eine Unterversorgung im kinder- und jugendärztlichen Bereich in Bühl, die im vergangenen Dezember Schlagzeilen machte. Mit Franziska Rellig stand jetzt eine Sicherstellungs-Koordinatorin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) dem Gemeinderat Rede und Antwort. Eine Lösung hatte sie nicht im Köcher.

Zwar gebe es bei Sonderbedarf die Möglichkeit, trotz Zulassungsbeschränkung eine personelle Aufstockung zu erwirken, doch fehle es schlichtweg an interessierten Ärztinnen und Ärzten.

Bevor die Aussprache erfolgte, nahmen die Stadträte bei einem Vortrag Einblicke in die gesetzlichen Kriterien der Bedarfsplanung haus- und fachärztlicher Versorgung. Sie befassten sich mit der Rolle der KVBW und hörten von deren Initiativen, dem Ärztemangel entgegenzutreten.

Ein Drittel der Ärzte im Raum Bühl ist älter als 60 Jahre

Relligs Statistiken zeugten von einem wachsenden Altersproblem. In Bühl und Umgebung liegt der Anteil der über 60-jährigen Allgemeinmediziner bei 34 Prozent, in den Nachbarbezirken sind die Kollegen im Schnitt bereits durchweg älter.

Im Planungsbereich Bühl praktizieren 35 Hausärztinnen und -ärzte. Vier Positionen sind nicht besetzt, für Bühlertal und Lichtenau bestehen zwei Förderplätze. In der fachärztlichen Versorgung bilden der Landkreis Rastatt und Baden-Baden einen großen Planungsbereich.

Die Hütte brennt lichterloh.
Margret Burget-Behm, CDU-Stadträtin

Mit Ausnahme eines fehlenden Kinder- und Jugendpsychiaters, zeigte Relling auf, seien alle Fachgruppen voll besetzt, inklusive die der Kinder- und Jugendärzte. Das bedeutet: Zulassungsstopp. „Genau das ist unser Problem“, diagnostizierte Margret Burget-Behm (CDU), selbst Ärztin. Sie forderte: „Da muss dringend etwas getan werden, die Hütte brennt lichterloh. Wir brauchen eine größere Versorgungsdichte.“

„Es gibt viele Kinder, die haben keinen Kinderarzt mehr“, schilderte Claudia Wendenburg (CDU) die Misere. Diese müssten notgedrungen von Haus- oder Fachärzten ohne spezielle Kinderausbildung versorgt werden.

Den Fachkräftemangel spürt die Hals-Nasen-Ohren-Ärztin auch in der eigenen Praxis: „Seit vier Jahren suche ich einen Partner.“ Es sei wichtig, den Arztberuf wieder attraktiv zu gestalten.

Das System als solches ist krank.
Barbara Becker, SPD-Stadträtin

Karl Ehinger (FW) forderte die KVBW auf, sich für eine Erhöhung der Medizin-Studienplätze stark zu machen: „Der Numerus clausus ist zu hoch.“ Walter Seifermann (GAL) regte an, das Gesundheitswesen durch einen Bürokratieabbau effizienter zu gestalten, um so den Ärzten mehr Zeit für die Behandlung von Patienten zu geben. Ulrich Nagel (SPD) sprach von einem funktionsunfähigen „wahnsinnigen Regulierungssystem“.

So kritisierte Timo Gretz (SPD), dass Familien mit einem Ausweichen auf weiter entfernt gelegenen Kinderarztpraxen aufgrund langer Fahrtzeiten nicht geholfen sei. „Das System als solches ist krank“, urteilte Barbara Becker (SPD) und zog Parallelen zum Schulwesen. Burget-Behm war der Ansicht, die KVBW solle ihren Sicherstellungsauftrag zurückgeben, wenn sie ihn nicht erfüllen könne.

Mehrere Ratsmitglieder berichteten von Schwierigkeiten, einen zeitnahen Facharzt-Termin zu erhalten. Franziska Rellig riet, den Terminvermittlungsservice der KVBW in Anspruch zu nehmen. Ihr abschließender gesellschaftlicher Appell blieb ein schwacher Trost: „Wir können nur gemeinsam etwas gegen den Ärztemangel tun.“ Oberbürgermeister Hubert Schnurr (Freie Wähler) hielt fest: „Wir müssen an die Bundespolitiker rangehen.“

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