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Viel Wärme, viel Regen

Wenn im Murgtal der Glockenapfel blüht

Zehn Sommertage mit mehr als 25 Grad Celsius, aber auch sehr viel Niederschlag: Der Oktober im Murgtal war über weite Strecken kein herbstlicher Monat. Dies bestätigen die Messwerte der Wetterstation in Ottenau.

Apfelblüte am 17. Oktober 2023 in Forbach.
Apfelblüte in Forbach im Oktober 2023. Foto: Ingrid Roth

„So was haben wir noch nie erlebt, und wir wohnen schon 40 Jahre hier und machen viel im Garten.“ Ingrid Roth aus Forbach hat am 17. Oktober 2023 zweimal den Auslöser der Kamera gedrückt. „Im Eckerling in Forbach gab es tatsächlich noch eine kleine Apfel- sowie Kirschblüte. Das ist schon außergewöhnlich für den Herbst.“

Drei Blüten am Glockenapfelbaum hat sie gezählt und eine Blüte am Süßkirschenbaum. „Dabei hat der schon gar keine Blätter mehr.“

Immerhin ein paar Liter Apfelmost in Forbach

Ein besonderes, ein schlechtes Apfeljahr war es dieses Mal. Ehemann Joachim Roth bilanziert: Immerhin noch 200 Liter Most hat die Presse in Langenbrand aus dem Obst von seinen zehn Bäumen gequetscht.

Es gibt viele Murgtäler, die mussten sich dieses Jahr überhaupt nicht bücken. Das lag maßgeblich an der nassen und kalten Witterung während der Blüte.

Die Witterung im Sommer hingegen war letztlich Voraussetzung für die herbstlichen Blütenträume im Roth’schen Garten. Dies erläutert Hannelore Dütsch-Weiß. Sie ist Fachfrau im Landwirtschaftsamt in Rastatt. „Die Pflanzen sind irritiert und ‚wissen‘ nicht recht, was sie tun sollen“, erklärt sie: „Manche Knospen treiben aus und blühen, andere nicht, aber es findet keine einheitliche Blüte statt.“

Dütsch-Weiß nennt das Phänomen eine „Verirrung“. Denn eigentlich sind Obstgehölze in den gemäßigten Breiten so „programmiert“, dass sie nach einer winterlichen Ruhephase wieder austreiben. Eine Ruhephase habe es durch die Trockenheit zu Beginn des Sommers gegeben. Folge: „Die Kältesumme für einen einheitlichen Austrieb fehlte zwar, aber die Bedingungen (Temperatur, Wasser, Nährstoffe) waren bestens.“

Und so war der Oktober im Murgtal: Eine äußerst milde Witterung mit teilweise schon sommerlichen Zügen prägte diesen Monat. Dies bestätigen die Messdaten der Station von Dieter Kraft in Ottenau. Der Maximalwert wurde dort am 13. mit für einen Herbstmonat rekordverdächtigen 30,3 Grad Celsius aufgezeichnet. Auch sehr viel Niederschlag wurde gemessen. Und: „Zehn Sommertage zeichnete unsere Station auf“ – also Tage mit mehr als 25 Grad Celsius: „Auch dies wird mit Sicherheit in unsere Annalen eingehen.“

Die Durchschnittstemperatur an der Wetterstation Ottenau lag bei 14,9 Grad Celsius. Überwiegend war es einfach deutlich zu mild, allerdings auch begleitet von einem kurzen, aber heftigen Temperaturrückgang zur Monatsmitte. Der Minimalwert des Monats wurde am 16. mit herbstlich kühlen 2,1 Grad Celsius aufgezeichnet. Danach wurde es spürbar niederschlagsreicher und deutlich milder.

Wetter im Oktober 2023
Wetter im Oktober 2023 Foto: BNN-Infografik

Bis zum Monatsende summierte sich der Gesamtniederschlag auf 130,4 Liter pro Quadratmeter. Das ist fast doppelt so viel wie normal (68 Liter pro Quadratmeter). Dieter Kraft: „Allein in der letzten Dekade fielen dabei unglaubliche 88,4 Liter pro Quadratmeter! In Summe betrachtet war der Oktober 2023 somit deutlich zu mild und sehr, sehr niederschlagsreich.“

Der Pflanze nutzt das nichts, weil ja bald Winter kommt.
Hannelore Dütsch-Weiß
Expertin im Landwirtschaftsamt Rastatt

Findet da noch eine Bestäubung statt? Das ist durchaus möglich. Wenn noch Insekten fliegen, freuen sie sich über Futter. Aber: „Der Pflanze nutzt das nichts, weil ja bald Winter kommt“, schränkt die Expertin ein. „Denn es ist dann zu wenig Licht und Wärme für eine vernünftige Entwicklung da.“

Der Temperatursturz um gut 28 Grad vom 13. auf den 16. Oktober war da ein erster Fingerzeig auf die nahende Kälteperiode. Vom Bodenfrost war man am 18. Oktober mit 3,3 Grad in fünf Zentimetern Höhe aber noch ein Stück entfernt

Mit dem nahenden Winter gehen die ausgetriebenen Blüten zwar verloren, aber der Baum hat in der Regel genügend Blüten, vor allem, da er dieses Jahr durch niedrigen Ertrag viele anlegen konnte. „Der Obstertrag nächstes Jahr hängt davon nur sehr wenig ab, da gibt es einflussreichere Faktoren“, gibt Dütsch-Weiß zu bedenken.

Bei Beeren ist eine zweite Blüte erwünscht

Somit muss man die herbstliche Blüte nicht verhindern. „Theoretisch könnte man natürlich die Trockenheit verhindern. Praktisch ist das unrealistisch, da man regelmäßig sehr viel Wasser bringen müsste, das bei Dürrephasen ja nur begrenzt verfügbar ist. Mal abgesehen vom Aufwand und praktischen Problemen.“

Anders als bei Obstbäumen ist bei Beerensträuchern eine zweite Blüte durchaus erwünscht: wenn sie früh genug erfolgt und die Früchte dann im späten Sommer noch heranreifen können. „Bei Himbeeren tragen die vorjährigen Triebe im Sommer und die diesjährigen ab etwa August, bis es zu kalt ist.“ Darüber hinaus gibt auch speziell gezüchtete Sorten, die mit einer nennenswerten Herbsternte aufwarten können.

Gibt es keine Obstbäume, bei denen so etwas auch möglich ist? Hannelore Dütsch-Weiß: „Eine Sommer- und eine Herbsternte ist mir in unseren Breiten nur noch von Feigen bekannt, die eigentlich bei uns bisher klimatisch grenzwertig sind. Manche Sorten haben da auch Ertrag an den letztjährigen im Sommer und an den diesjährigen Trieben dann im Herbst.“

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