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Politikverdrossenheit bei Schülern?

Gaggenauer Schülersprecher wollen demokratische Werte sichtbarer machen

Bei der Demokratie-Demo in Gaggenau waren nur wenige Jugendliche dabei. Gaggenauer Schülersprecher wollen nun Werbung für Demokratie machen.

vier junge Menschen stehen an einem Hügel und halten ein Banner mit dem Logo des Bündnisses „Gaggenau für Demokratie“
Die Schülersprecher von Gymnasium und Realschule machen sich für demokratische Werte stark: (von links) Sidra Aboulkher, Luis Wipfler, Joel Kraus und Neele Kastner. Foto: Dirk Böhmer

Demokratie ist derzeit in aller Munde. Und doch ist es auch ein sperriges Wort. Deshalb wollen die Schülersprecher von Goethe-Gymnasium und Realschule Gaggenau daran etwas ändern. Nicht nur, indem sie sich beim Bündnis „Gaggenau für Demokratie“ engagieren. Sondern auch direkt an ihren Schulen.

Jugendlichen ist Demokratie im Alltag oft nicht bewusst

„Vielen ist nicht bewusst, wie demokratisch wir leben“, sagt Sidra Aboulkher. Die 17-Jährige ist stellvertretende Schülersprecherin der Realschule und stand gemeinsam mit Neele Kastner bei der Demokratie-Demo am 17. Februar auf der Bühne, um auch den jungen Menschen eine Stimme zu geben. Das Problem dabei: Sie schauten bei ihrer Rede vor allem in die Gesichter von Menschen, die ihre Eltern und Großeltern hätten sein können. Junge Menschen waren kaum vor Ort.

Die relative späte Werbung für die Demo unmittelbar vor Ferienbeginn, die Fastnachtsferien selbst, dann die Erkältungswelle – natürlich gebe es viele Erklärungen dafür, weshalb nur wenige Jugendliche bei der ersten großen Demokratie-Demonstration auf dem Marktplatz dabei gewesen seien. Mit Sicherheit sei eine Erklärung aber auch diese: „Viele junge Leute befassen sich damit nicht so stark“, sagt Luis Wipfler, Schülersprecher an der Realschule.

Es ist wichtig, der Politik die Komplexität zu nehmen.
Neele Kastner
Schülersprecherin am Goethe-Gymnasium Gaggenau

Das wollen die vier Schülersprecher nun ändern. „Es ist wichtig, der Politik die Komplexität zu nehmen“, sagt Neele Kastner vom Goethe-Gymnasium. „Man muss sich nicht total gut auskennen, um etwas zu sagen.“ Leider seien Politik, Demokratie oder auch Nachrichten für viele Jugendliche aber ein Schreckfaktor. „Dabei kann man sich einfach mal umschauen, wie viel Demokratie um einen herum ist.“

Zwei junge Frauen stehen auf einer Bühne und halten Mikrofone in der Hand.
Bei ihrem Auftritt bei der Demonstration für Demokratie in Gaggenau am 17. Februar schauten Neele Kastner (links) und Sidra Aboulkher vor allem in die Gesichter von Erwachsenen. Foto: Stephan Juch

Die Schülersprecher sehen sich selbst als bestes Beispiel für Demokratie im Alltag von jungen Menschen: Sie selbst sind demokratisch gewählt. Genauso wie die Klassensprecher.

Zwischen Gymnasium und Realschule gibt es Unterschiede

Während die Gymnasiasten Neele Kastner und ihr Schülersprecher-Partner Joel Kraus davon berichten, dass Diskussionen rund um politische und gesellschaftliche Themen nicht nur im Unterricht, sondern auch danach stattfinden, ist das im Alltag von Sidra Aboulkher und Luis Wipfler seltener der Fall.

Bei uns melden sich von 25 vielleicht drei Schüler, die über die aktuelle Lage informiert sind.
Luis Wipfler
Schülersprecher an der Realschule Gaggenau

„Bei uns melden sich von 25 vielleicht drei Schüler, die über die aktuelle Lage informiert sind“, erzählt der 15-jährige Luis. Er mache sich deshalb durchaus seine Gedanken – immerhin ende die Schulzeit für die meisten seiner Mitschüler nach der zehnten Klasse. „Ich glaube, für viele wird das später schwierig.“

Politisches Interesse soll früher geweckt werden

Gemeinsam mit Sidra Aboulkher will er daher erreichen, dass das politische Interesse seiner Mitschüler schon viel früher geweckt wird. Neben Events wie einem internationalen Verkauf von Gerichten aus der Heimat der Schüler oder einer großen Weltkarte, die aufzeigt, wie viele Nationen die Realschule vereint, wollen die beiden auch mehr Information rüberbringen. „Wir stehen in Gesprächen mit dem Rektor, dass die achten, neunten und zehnten Klassen gezielt auf Aktionen und Demonstrationen aufmerksam gemacht werden“, sagt Luis Wipfler.

Auch am Goethe-Gymnasium wollen Neele Kastner und Joel Kraus demokratische Werte wie Vielfalt schon für die unteren Jahrgänge greifbar machen. Sie planen gemeinsam mit der Vielfalt-AG eine Wand mit bunten Handabdrücken. „Das Goethe ist bunt. Wir haben alle eine unterschiedliche Herkunft, aber gehen auf eine Schule.“

Der kritische Punkt sei nicht erst der 16. Geburtstag, der einem in Baden-Württemberg das Recht gibt, bei Kommunal- und Landtagswahlen abzustimmen. Auch bei der Europawahl sind 16-Jährige wahlberechtigt. „Es ist wichtig, die Jugendlichen schon vorher zu erreichen“, ist Joel Kraus vom Goethe-Gymnasium überzeugt. Bereits die 13- und 14-Jährigen sollten die verschiedenen politischen Systeme erklärt bekommen. „Mein politisches Engagement ist durch Gemeinschaftskunde in der achten Klasse geweckt worden.“

„Nachrichten“ werden vor allem auf Social Media konsumiert

Das Prinzip funktioniere aber lange nicht bei allen, ist die Erfahrung von Sidra Aboulkher. Ihr Eindruck: „Viele informieren sich, aber nur, wenn etwas passiert, das sie selbst betrifft.“ Ohne diesen Anreiz fehle oft die Motivation, sich mit politischen oder gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen.

Die Informationsquellen variieren dabei stark: X (vormals Twitter), TikTok, Instagram und YouTube, vielleicht auch Homepages, nennen die vier Schülersprecher. Die klassischen Medien wie Zeitung, Radio oder Fernsehen kommen in ihren Lebenswelten kaum vor. Vielleicht noch die Nachfrage bei Lehrern.

Während sie sich darüber unterhalten, entbrennt eine heftige Diskussion darüber, wie sicher diese Informationen eigentlich sind. Das Ergebnis: Eine zweite, seriöse Quelle sollte her. Doch was sind seriöse Quellen überhaupt? „Ich könnte mich nicht daran erinnern, dass wir je über seriöse Quellen im Unterricht gesprochen haben“, stellt Sidra Aboulkher fest. Und sie klingt dabei leicht erstaunt.

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