
„Unsere ästhetische Kompetenz ist genauso formbar und entwickelbar wie unser Körper im Fitness-Studio.“ Wahrnehmung und Verkörperung waren Schlüsselbegriffe für Eberhard Eckerle. Eleganz und Ästhetik prägten auch ihn. Mit der Muckibude als Metapher wollte der Künstler vor 23 Jahren Studierenden in Karlsruhe vermitteln: Was wir wahrnehmen, ist viel mehr als nur das, was wir sehen. Und: Unsere ästhetischen Welten – wir können sie steuern.

In diesem Sinne hat Eberhard Eckerle, der im Jahr 1949 in Baden-Baden zur Welt kam, einiges „gesteuert“. Mit seinem Schaffen hinterließ er bedeutende Spuren in der Kunstwelt.
Vor allem solche aus Stahl, ein Material, auf das sich der Sohn eines Werkzeugmachers spezialisierte. Schon als Sechsjähriger habe er stundenlang gefeilt und „Gefallen an den Geräuschen und Gerüchen des Metalls“ gefunden. Das Schweißen lernte er bei einem Ferienjob in der Fabrik.
Heute prangt rot und markant seine Skulptur „Red Loops for Rotenfels“ vor dem Unimog Museum in Gaggenau. Dort ist er populär. Als die Stadt an der Murg 1986 das Jubiläum „100 Jahre Automobil“ feierte, war Eckerle künstlerischer Berater des Symposiums für Metallbildhauerei. Im gleichen Jahr wurden seine Objekte aus den Lehrwerkstätten des Benz-Werkes im Zentrum von Gaggenau aufgestellt, wo sie bis heute die Stadt prägen.
Mit seinen Plastiken, die oft einem mathematischen Ansatz folgten, zählt Eckerle zu den führenden Bildhauern in der Region. Seinem bevorzugten Material war er auf pragmatische Weise nahe. Eckerle arbeitete im Lärm der Schweiß- und Stanzgeräte des Automobilzulieferers König Metall.

Dort hatte er sein Atelier, konnte fehlgestanzte Bleche für seine akkuraten und analytisch durchdachten Arbeiten nutzen, aber auch seine komplexen Entwürfe realisieren. Für das Projekt „Kopf-Säule Tor“ etwa in Sinsheim soll er rund 60 Kilogramm Schweißdraht verbraucht haben.
Berührungsängste zwischen Kunst und Fabrik gab es nicht. Wie Eckerle überhaupt trotz zahlreicher Tätigkeiten im Ausland verwurzelt blieb mit dem Murgtal.
Gaggenauer Künstler gestorben: Eckerle blieb dem Murgtal verbunden
Sein Studium der Malerei und Zeichnung absolvierte Eckerle von 1971 bis 1976 an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Im Jahr 1976 erhielt er ein Stipendium am Royal College of Arts in London, wo er seine Auseinandersetzung mit dem Stadtraum und der Landschaft vertiefte.
In den folgenden Jahren hatte er Lehraufträge an der Universität Karlsruhe und der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim inne, im Jahr 1985 eine Vertretungsprofessur in Stuttgart. 1994 folgte Eckerle einem Ruf als Professor an die Universität Hannover im Fachbereich Architektur.
Sein Einfluss auf jüngere Generationen war groß. Auch die Tochter, Sophia Solaris, trat in die Fußstapfen des Vaters. Sie studierte an der Kunstakademie in Karlsruhe und wurde „Künstlerin in Baden-Baden 2020“.

„Öffnet Eure Augen, nehmt wahr“, erinnert sich Petra Seitz-Hupe, eine langjährige Weggefährtin, an die Haltung, mit der Eckerle die Sinne seiner Studierenden schärfte. „Verweigert den Gebrauch der Sprache für Texte zur Kunst, und sie wird schön“, schrieb er selbst.
Zu den bemerkenswertesten Beispielen, Kunst in den Alltag zu integrieren, zählt die Realisierung von 14 landschaftsbezogenen Projekten mit Lehrlingen und Meistern von DaimlerChrysler Gaggenau (vormals Mercedes Benz AG) im Bildungszentrum Haus Lautenbach (1987 bis 1991).
Zuhause ein Ökogärtner, war Eckerle den Naturwissenschaften nahe. Wenn er über seine Kunst sprach, kamen Erklärungen zu Winkelgraden, Kreisdurchmessern oder √-Berechnungen. Bierdosen verwandelte er zu hauchdünnen Tropfen. Seine Faszination galt dem „Kippen von der Geometrie ins Organische“. Und umgekehrt: Fundstücke aus der Natur wurden zu Grundlagen für Boden-Arbeiten.
Hochwasser an der Murg prägte die Kunst des gebürtigen Baden-Badeners
Quell seiner Materialsuche war die Murg. Aufgewachsen in Gernsbach, war der Eindruck des Hochwassers richtungsweisend für seine Arbeiten. So prägte lange Zeit seine Installation „Vanitas III“ aus Schwemmgut die Räume der Städtischen Galerie Karlsruhe.
Eckerle war seit 1979 Mitglied des Deutschen Künstlerbundes und des Künstlerbundes Baden-Württemberg. Besonders verbunden war Eckerle der Gesellschaft der Freunde junger Kunst in Baden-Baden. Er prägte den Verein über viele Jahrzehnte hinweg. In Karlsruhe vertrat Eckerle der Galerist Alfred Knecht. Eckerle erhielt zahlreiche Anerkennungen für seine Arbeit, darunter ein Stipendium der Cité des Arts in Paris.
Eckerle realisierte mehrere Großskulpturen in China
Sein Schaffensdrang kannte kaum Grenzen. Im Jahr 2000 realisierte er die erste Stahlgroßskulptur in China in Guilin und kehrte häufig für weitere Skulpturen in das Land zurück.
„Er hat an zwei Enden gleichzeitig gebrannt“, sagt Seitz-Hupe. Umso herber der Einschnitt im Jahr 2010: Ein Schlaganfall führte zur halbseitigen Lähmung und markierte das Ende seiner Produktivität. Vor vier Jahren zog er von Baden-Baden zu seiner Tochter nach Kassel. Dort blühte er im Kreise seiner Familie und Enkelkinder noch einmal auf, bevor er am 6. Juni 2023 verstarb.
In Erinnerung bleibt seine Kunst, aber auch die andere Seite: das Wort. „Sinnlich fein, präzise ohne Füllmasse“, schildert es Seitz-Hupe. „Er liebte den Humor und die Wortspiele von Robert Gernhardt, ebenso das wortkarge aber bildhafte asiatische Gedicht mit wenigen Zeilen.“