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Kommunalwahlen 2024

Gemeinsame Liste in Weisenbach: Gerechtigkeit als Königsargument

Weisenbach lässt mit seiner Entscheidung aufhorchen, die Kommunalwahl 2024 ohne Parteien anzugehen. Immer mehr Kommunen im ländlichen Raum machen von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Blick auf Weisenbach, vorn in der Mitte ist das nördliche Ortseingangsschild zu sehen.
In Weisenbach setzen Freie Wähler und CDU bei der Kommunalwahl 2024 mit einer gemeinsamen Liste auf eine einfache Mehrheitswahl. Foto: Stephan Juch

In Weisenbach wollen CDU und Freie Wähler bei der Kommunalwahl 2024 gemeinsame Sache machen. Sie planen, mit einer einzigen Liste anzutreten. Das ist in Gemeinden mit unter 5.000 Einwohnern möglich. Worin liegen die Vorteile? Was sagen andere politische Akteure zu dieser Entscheidung? Fragen und Antworten.

Weisenbach kein Einzelfall

In rechtlicher Hinsicht findet bei Gemeinderatswahlen eine sogenannte Mehrheitswahl statt, wenn nur ein einziger gültiger oder gar kein Vorschlag eingereicht wurde (Paragraf 26 Absatz 3 Gemeindeordnung Baden-Württemberg). Das war Angaben des Statistischen Landesamts zufolge bei den jüngsten Gemeinderatswahlen im Jahr 2019 bei insgesamt 120 Gemeinden der Fall (in den anderen 981 Gemeinden gab es eine Verhältniswahl mit mehreren Listen). Die Entscheidung der Gemeinde Weisenbach (rund 2.500 Einwohner) ist also kein Einzelfall.

Wann wurde diese Möglichkeit in die Gemeindeordnung Baden-Württemberg aufgenommen?
Die Wahlrechtsänderung ist erstmals bei den Gemeinderats- und Ortschaftsratswahlen 2019 praktiziert worden. In Gemeinden mit bis zu 3.000 Einwohnern, in denen keine unechte Teilortswahl stattfindet, dürfen die Wahlvorschläge doppelt so viele Bewerber enthalten, wie Gemeinderäte zu wählen sind. Die Einwohnergrenze wurde durch eine weitere Änderung des Kommunalwahlrechts im Frühjahr 2023 auf 5.000 angehoben.
Was bedeutet das in Weisenbach?
Die gesetzliche Regelung ermöglicht es, dass in Weisenbach ein gemeinsamer Wahlvorschlag mit bis zu 24 Kandidaten aufgestellt werden kann. Davon werden zwölf gewählt. Somit haben die Wähler weiterhin eine Auswahl, und der demokratische Prozess bleibt gewahrt – auch wenn es nur einen Wahlvorschlag gibt.

Mehrheitswahl weniger anfällig für fehlerhafte Stimmzettel

Was hält Bürgermeister Daniel Retsch von der Entscheidung der zwei Fraktionen in Weisenbach, künftig als Team anzutreten?
„Ich bin zwar CDU-Mitglied, damals aber auch als unabhängiger Kandidat für das Bürgermeister-Amt angetreten“, blickt Retsch zurück. Er begrüße es, dass CDU und Freie Wähler in Weisenbach jetzt noch enger zusammenrücken. Sie hätten ohnehin schon immer unabhängig vom Parteibuch ausschließlich zum Wohle der Gemeinde agiert. „Für uns ändert sich nichts“, ist der Bürgermeister überzeugt. Er sehe in der gemeinsamen Liste auch ein gewisses Mehr an Gerechtigkeit.
Worin liegt der Vorteil?
Die Mehrheitswahl ist einfacher nachzuvollziehen, erklärt Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung. Das Kumulieren von Stimmen ist hier nicht möglich. Gewählt sind diejenigen Personen, die die meisten Stimmen erhalten haben. So kann es nicht sein, dass ein Kandidat in den Gemeinderat kommt, obwohl er weniger Stimmen hat als einer, der den Einzug verpasst. Die Mehrheitswahl ist zudem weniger anfällig für fehlerhafte Stimmzettel, sagt Wehner.
Gibt es Nachteile?
Ja. Mehrere Listen bedeuten eine größere Auswahl.
Wir hoffen, dass zahlreiche Bürger auf der gemeinsamen Liste für das interessante und abwechslungsreiche Ehrenamt Gemeinderat kandidieren.
Steffen Miles
Vorsitzender CDU-Gemeindeverband Weisenbach
Was sagt der CDU-Gemeindeverband dazu, dass die Partei 2024 auf dem Wahlzettel nicht mehr auftaucht?
Laut Vorsitzendem Steffen Miles ist die Entscheidung das Ergebnis eines intensiven und konstruktiven Prozesses. Die Idee der gemeinsamen Liste sei bereits im Vorfeld zur Kommunalwahl 2019 entstanden. „Die Vorstandschaft des CDU-Gemeindeverbands Weisenbach und ich finden diese Idee deshalb mit Blick auf die kommunalpolitische und sachorientierte Zusammenarbeit in Weisenbach in den vergangenen rund 25 bis 30 Jahren nachvollziehbar und spannend. Wir hoffen zudem, dass zahlreiche Bürger auf der gemeinsamen Liste für das interessante und abwechslungsreiche Ehrenamt Gemeinderat kandidieren.“
Wer von der aktuellen CDU-Gemeinderatsfraktion in Weisenbach ist überhaupt Parteimitglied?
Nur noch ein Gemeinderat ist in Weisenbach Mitglied der CDU. „Da für uns schon immer die ehrenamtliche Arbeit zum Wohle der Gemeinde beziehungsweise der Bürgerschaft an erster Stelle standen, war die Mitgliedschaft in der CDU noch nie Voraussetzung für eine Kandidatur auf der Liste der CDU“, erklärt Miles.

Im ländlichen Raum wird es immer schwieriger, Parteilisten für die Kommunalwahl zu füllen

Was sagt die Landeszentrale für politische Bildung zum Vorhaben in Weisenbach?
„Parteien haben bei Kommunalwahlen nicht die große Bedeutung“, betont Michael Wehner. Der Professor weist darauf hin, dass es im ländlichen Raum immer schwieriger werde, Parteilisten für die Kommunalwahl gefüllt zu bekommen. Deshalb räumt die Gemeindeordnung Baden-Württemberg die Möglichkeit einer alleinigen Liste ein. Natürlich sei es aber immer besser, wenn es eine größere Auswahl an Listen gebe. Die Änderung im Vorfeld der Wahlen 2019 sei also ein Stück weit auch der Not geschuldet gewesen, so Wehner.
Macht die Möglichkeit, dem Wähler nur eine Liste anzubieten, aus Sicht des Städtetags Baden-Württemberg Sinn?
„Absolut“, findet Norbert Brugger. Der Dezernent des Städtetags beschäftigt sich unter anderem mit den Themen Gemeinderat und kommunale Selbstverwaltung. Wahlgerechtigkeit sei das Königsargument für die Variante, mit nur einer Liste ins Rennen zu gehen. Brugger glaubt daran, dass kleine Gemeinden im ländlichen Raum immer mehr Gebrauch davon machen werden: „Grundsätzlich macht das Sinn, keine unterschiedlichen Listen zu haben, weil Parteien nicht die Bedeutung haben bei Kommunalwahlen.“
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