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Klimawandel oder Kunst?

Wer hinter den Pinguinen an der Murg steckt

Pinguine am Murgufer? Klimawandel, Kunstprojekt oder doch Narretei: Eine Frage, die sich in den vergangenen Tagen so mancher gestellt hat. 

Pinguine an der Murg
Seit 23 Jahren schon „verirrt“ sich eine Gruppe Pinguine ans Murgufer in Bad Rotenfels und wird zum Hingucker für Spaziergänger und Autofahrer. Foto: Joachim Kocher

Von der B462 aus sind sie gut zu erkennen: Im typischen schwarz-weißen Frack heben sie sich als helle Flecken vom grünen Hintergrund des Murgufers ab. Aber Moment, kann das sein? Pinguine an der Murg?

Pinguine sollten zuerst Fischreiher vertreiben

Ja, es kann. Alljährlich gibt sich die zwölfköpfige Gruppe ein fünftägiges Stelldichein. Und das seit mittlerweile 23 Jahren.

Wer nicht gerade auf der Bundesstraße vorbeisaust, sondern einen Spaziergang an der Murg entlang macht, erkennt schnell: Die Tiere zwischen „St. Laurentius“ und der Schmelzerbrücke sind nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Styropor. „Bitte stehen lassen – der Besitzer“, steht auf einem Schild.

Er kam aus dem Norden und liebte Pinguine.
Waltraud Radke
Witwe des Erschaffers Rudi Radke

Der Besitzer: Das war lange Zeit Dachdeckermeister Rudi Radke. „Er kam aus dem Norden und liebte Pinguine“, erzählt Radkes Witwe Waltraud. Und als Fastnachter war er auch ein passionierter Schelm. Irgendwann sei die Idee entstanden, Pinguine aus Styropor zu basteln und im Murgvorland aufzustellen. Und das aus einem ganz praktischen Grund.

„Der Fischreiher hat uns regelmäßig den Teich hinterm Haus leer geräumt“, erinnert sich Enkelin Jenny Piontek. Er sollte mithilfe der Pinguine vergrämt werden. „Und das hat auch geklappt!“

Einmal sorgen Pinguine für Auffahrunfall

Der schöne Nebeneffekt: Passanten und Autofahrer waren von der Kunstaktion begeistert. „Mein Opa hat sich immer gefreut, wenn er mitbekommen hat, dass die Leute die Pinguine entdeckt haben“, sagt Piontek. Einmal, in den Anfangsjahren, sei ein Autofahrer sogar so abgelenkt gewesen, dass es auf der Bundesstraße gekracht hat.

Gruppenfoto einer Familie (nur Frauen verschiedener Generationen), die Pinguinfiguren in den Händen hält.
Die Pinguine sind ein echtes Familienprojekt: Waltraud Radkes (sitzend, mit Urenkel Felix) Mann Rudi hatte mit der Tradition begonnen. Inzwischen kümmern sich die Enkelinnen Romina Haberland und Jenny Piontek sowie Urenkelin Jona um die Tiere aus Styropor. Foto: Swantje Huse

Als Radke 2013 stirbt, ist für die Familie klar, dass sie die liebgewonnene Tradition weiterleben lässt. „Nur zwei oder drei Mal konnten wir die Pinguine wegen Hochwasser nicht aufstellen“, sagt Waltraud Radke. Und während der Pandemie waren die Vögel coronakonform in kleinen Gruppen aufgestellt. Mit dem Tod ihres Mannes hat Waltraud Radke die Pinguine an ihre Kinder und Enkelkinder weitergegeben.

Seitdem werden die zwölf Styroporvögel immer vor dem Schmutzigen Donnerstag aus einer Kiste im Stall geholt und farblich wieder auf Vordermann gebracht. Die Aufgabe der Männer in der Familie ist es dann, sie in einer hübschen Gruppe aufzustellen. „Bei Frost ist es gar nicht so leicht, den Eisenstiel in den Boden zu kriegen“, weiß Jenny Piontek. Die Frauen sammeln die Pinguine dann am Aschermittwoch wieder ein.

Pinguine sind für das Landratsamt kein Problem

Genau deshalb ist die temporäre Kunstaktion auch kein Problem für die Behörden. „Uns sind die Pinguine ein Begriff“, sagt Michael Janke. Er ist Pressesprecher des Landkreises Rastatt, in dessen Zuständigkeit das Murgufer gehört.

Da es Überschwemmungsgebiet ist, dürfte dort eigentlich nichts installiert werden. „Weil die Aktion nur kurzfristig ist, gibt es aber kein Problem“, so Janke. Zumindest, so lange nicht weitere Styroporherden das Ufer besiedeln.

Die Pinguine sind jedenfalls wieder in ihrem Stall verschwunden – und kommen dort erst rechtzeitig zum Schmutzigen Donnerstag 2025 heraus. Waltraud Radke schaut zum Himmel und schmunzelt: „Und dann sitzt mein Mann wieder da oben und lacht.“

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