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Farbenfrohes Fastnachtstreiben

Achern liefert Straßenfastnacht wie aus dem Bilderbuch: Bunte Narren und wilde Rhythmen in milder Wintersonne

Der Mittelbadische Kinder- und Fastnachtsumzug lockt erneut Tausende von Besuchern nach Achern. Der Blick des Elferrats der Narrhalla Achern auf das vitale Treiben ist ein ganz besonderer.

Fastnachtsumzug Achern
Die Narrhalla Achern bildet das Finale des närrischen Lindwurms (auf dem Wagen vorn Stephan Keitel, links, und Ralph Kiefer). Foto: Roland Spether

Fastnachtsdienstag, 14 Uhr, Bahnhof Achern. Elf Minuten bleiben bis zum Start des Mittelbadischen Kinder- und Fastnachtsumzugs durch „Acheranien“. Ralph Kiefer und Stephan Keitel wirken noch ein klein wenig nervös.

Der Präsident und Vizepräsident der Narrhalla Achern 1873, die das Großevent seit nunmehr 75 Jahren ausrichtet, thronen mit weiteren Elferräten und, jawohl, Elferrätinnen auf dem Vereinswagen. Der bildet traditionell das Schlusslicht des Umzugs: Von hier aus fällt der Blick auf den wogenden Lindwurm, wo Wikinger, Gnome, Hexen, Gardemädels und weitere farbenfrohe Gestalten auf ihren Auftritt warten.

Gen Innenstadt haben sich längst unzählige Zuschauer einen Platz an der Strecke gesichert. Keitel spricht von rund 25.000 Personen. All dies beschienen von einer gnädigen wie milden Wintersonne – wenn das kein gutes Omen ist.

Narrhalla Achern 1873 trägt als Veranstalter ein hohes Maß an Verantwortung

Irgendwie symbolisiert die Position am Ende auch die Verantwortung der Narrhalla, denn die erreicht an diesem Tag ihren Höhepunkt. Daher die leichte Anspannung, wie Keitel einräumt: „Das ist auch gut so, damit man nicht leichtsinnig wird.“ Die Erinnerung an den brennenden Fastnachtswagen in Kehl ist noch nicht verblasst, und ein Umzug mit rund 1.800 Hästrägern und knapp 80 Zünften will organisiert sein, von der Sicherheit bis zum Unterhaltungswert.

„Das Umzugskomitee leitet Marcus Möhrle“, sagt Keitel, der auch auf die Eigenverantwortung der Zünfte vertraut: Die Narrhalla kann nicht alles kontrollieren, obwohl viele ihrer Mitglieder als Ordner aktiv sind.

Pünktlich um 14.11 Uhr feuert Keitel eine Rakete ab, kurz darauf läutet die Schudipolizei den Narrenzug ein. Der gilt als besonderes Highlight der regionalen Straßenfastnacht, wie Ralph Kiefer nicht ohne Stolz konstatiert: Die ausklingende fünfte Jahreszeit wird hier noch einmal mit großer Vitalität und Vielfalt zelebriert; die Zünfte, Vereine und Kapellen reisen dafür nicht nur aus der Ortenau und dem Landkreis Rastatt an, sondern sogar aus Freiburg.

Ausgelassenheit zu Technorhythmen, Party-Songs, Glöckchen und Rätschen

In Sekundenschnelle setzen sich die Narren nach dem Startschuss in Bewegung. Der Spaß dominiert von Beginn an: Neben Guggenmusik wummern Technorhythmen um die Wette mit deutschen Party-Songs, dazwischen erklingen (und klappern) Glöckchen, Rätschen und Schellen der Hästräger. Viele Gesichter, soweit sie nicht hinter Masken verborgen sind, leuchten vor Ausgelassenheit, wenige erzählen von schlaflosen Nächten.

„Bei uns gibt es heute einige krankheitsbedingte Ausfälle“, sagt Kiefer. „So eine Kampagne ist ganz schön anstrengend.“ Kein Wunder, wenn man die Arbeit dahinter bedenkt. Spürbar ist aber vor allem die Freude am närrischen Miteinander, wie man schon daraus schließen kann, dass nicht nur der Vize bald wilde Tänze vollführt. Die anfängliche Nervosität scheint vergessen.

Die vorbeiwandernden und -fahrenden Zünfte werden von den Acherner Elferräten nicht nur per Mikro mit den jeweiligen Schlachtrufen willkommen geheißen, viele reagieren auch mit persönlichen Worten: Man kennt sich. Wobei die Kommunikation nicht immer einfach ist. Elferrat Manfred Heitz amüsiert sich etwa über einen „Houmock“, der nur krächzt: „Bischd heiser?“ Statt einer Antwort hört man’s husten.

Je oller, je doller.
Stephan Keitel
Vizepräsident der Narrhalla Achern

Der vertraute Umgang vermittelt jedenfalls den Eindruck einer großen Fastnachtsfamilie. Als ein Elferrat aus Bühl dem 84-jährigen Heitz eine Karotte zuwirft, die ausschaut wie ein Penis, wirkt der Senior erst verblüfft, lacht dann aber vergnügt. Dieses Urgestein kann bestimmt nichts mehr aus der Fassung bringen. Der Narrensamen bemüht sich unterdessen mit niedlichem Eifer, den älteren Herren und Damen Popcorn-Tüten von unten hoch auf den Wagen zu werfen, meist erfolglos. Zum gesetzten Alter der Räte sagt Keitel nur: „Je oller, je doller.“

Die bunte Sause verläuft ohne besorgniserregende Zwischenfälle

Schließlich begibt sich auch die Narrhalla 1873 mit ihrem Wagen ins Tollhaus, wirft Gummibärchen ins Menschenmeer und grüßt majestätisch. Das Publikum hat zu diesem Zeitpunkt so ziemlich alles erlebt, was eben zu einem Fastnachtsumzug gehört: Oft selbst kreativ kostümiert – etwa als Bienen, Piraten und Blumenmädchen –, wurden die Zuschauer bemalt, angetanzt, von düsteren Gestalten in Angst versetzt (na ja) und mit „Gutsle“ versorgt.

Bilderseite Fastnachtsumzug Achern
Im Huckepack geht es für diesen kleinen Niesatzer Schellenteufel durch Achern. Foto: Roland Spether

Natürlich durften sie zudem freches närrisches Treiben und Tanzeinlagen bewundern – und fanden sich auch mal in Seifenblasen- oder Rauchschwaden wieder. Außergewöhnlich besorgniserregende Vorfälle haben Hilfskräfte, Polizei und Narrhalla zum Glück an diesem Tag nicht beschäftigt.

Als Letzte kommen die „Promis“, Oberbürgermeister Manuel Tabor (CDU) inklusive, im Ehrenwagen am Marktplatz in den Genuss der bunten Pracht, unter ihnen Dirk Scheuß von den Eiskellerdämonen Oberachern, der dort die kurzweilige Moderation übernimmt. Insgesamt also ein wunderbares Geschenk, das die Narren den Gästen machten. Denn, wie es in einem der Lieder heißt: „Diesen Moment wird es nur einmal geben.“ Oder auch: Narri, narro!

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