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BNN-Umfrage

Droht nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs Billig-Architektur?

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie und die Niederlassungsfreiheit darstellt. Droht nun eine Billig-Architektur? Die BNN fragten die regionalen Vorsitzenden der Architektenverbände und einen Oberbürgermeister, der gleichzeitig Architekt ist, nach den Folgen.

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Spektakuläre Architektur wie die Bühler Großsporthalle von Löweneck und Schöfer, die von der Architektenkammer ausgezeichnet wurden, könnte es in Zukunft in dieser Form nicht mehr geben. Foto: Ulrich Coenen

Die Entscheidung kam nicht überraschend. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie und die Niederlassungsfreiheit darstellt. Die Kommission der Europäischen Union hatte 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angestrengt, weil die HOAI verbindliche Mindest- und Höchstsätze für Planungsarbeiten vorschreibt. Die HOAI regelt also die „Preise“ und beschreibt die zu erbringende Leistung der Architekten, wie dies ähnlich in Gebührenordnungen für Ärzte und Rechtsanwälte üblich ist. Nun ist die Bundesregierung gefordert, die Honorarordnung an das Urteil anzupassen.

Urban Knapp (BDA)

Urban Knapp, Vorsitzender der Kreisgruppe Baden-Baden/Rastatt/Ortenaukreis des Bundes Deutscher Architekten (BDA), fürchtet einen Schaden für die Baukultur, wenn die Bundesregierung die HOAI streichen sollte. „Wenn die Mindestsätze fallen, muss jeder Architekt überlegen, wo er Zeit einsparen kann und das geht am besten bei der aufwendigen Entwurfsarbeit“, meint Knapp. „Die Büros müssen in diesem Fall schauen, wie sie überleben können.“ Diese widerspreche aber dem Wunsch der Öffentlichkeit nach einer Verbesserung der gebauten Umwelt. „Gut Ding will Weile haben“, stellt Knapp im Hinblick auf die Entwurfsarbeit fest. „Wir verlassen mit der Abschaffung der Mindestsätze eine für Deutschland typische Tugend. Was dann passiert, wird spätestens bei der nächsten Baukrise klar. Dann geht es bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand nicht länger nur um Kompetenz, sondern vor allem um den Preis.“ Doch auch für die Auftraggeber, die meist Laien seien, sieht er Nachteile: „Weil die HOAI den Leistungskatalog der Architekten genau definiert, konnte sich der Bauherr bisher blind darauf verlassen, was er erhält.“

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Urban Knapp ist Vorsitzender der Kreisgruppe Baden-Baden/Rastatt/Ortenaukreis des Bundes Deutscher Architekten (BDA) Foto: N/A

Volker Bergmaier (BDB)

„Ich befürchte eine Basar-Mentalität, wenn um Honorare gefeilscht wird“, erklärt Volker Bergmaier, Vorsitzender der Kreisgruppe Bühl/Achern des Bundes Deutscher Baumeister (BDB). „Der Sinn erschließt sich mir nicht. Spannend wird die Frage, wie sich Staat und Kommunen bei öffentlichen Aufträgen verhalten.“ Vor allem für kleine Büros sieht Bergmaier eine große Gefahr. „Können die sich bei den unsicheren Honoraren in Zukunft ihre ein oder zwei Mitarbeiter noch leisten?“ fragt er. „Unter Umständen wird an der Qualität gespart. Die Arbeit des Architekten ist mit viel persönlichem Engagement verbunden. Es wäre sehr bedauerlich, wenn dieses aus wirtschaftlichen Gründen eingedampft werden muss.“

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Volker Bergmaier ist Vorsitzender der Kreisgruppe Bühl/Achern des Bundes Deutscher Baumeister (BDB). Foto: Ulrich Coenen

Nobuhiro Sonoda (Architektenkammer)

Nobuhiro Sonoda ist Vorsitzender der Kammergruppe Baden-Baden/Rastatt der Architektenkammer Baden-Württemberg. „Das ist eine traurige Geschichte“, meint er. Merkwürdig findet Sonoda, dass die Richter eine deutsche Regelung gekippt haben, die deutschen Architekten wirtschaftliche Vorteile verschafft, während Architekten in anderen europäischen Ländern, Dinge dürfen, die ihm und seinen Kollegen in Deutschland verboten sind. Sonoda nennt das Verbot, gewerblich zu arbeiten und wünscht sich nun einheitliche europäische Regeln. „Ich bin vom Gerichtsurteil alles andere als begeistert“, sagt er. „Architekt ist ein Beruf mit Herzblut und es erscheint mir unsinnig, an den Planungskosten zu sparen, die nur einen Bruchteil der Kosten eines Gebäudes ausmachen. Natürlich könnte man die Planung automatisieren. Dann würde es nur noch Haustypen A, B und C geben, wie es auch Automodelle gibt. Ich bezweifele aber, das Bauherren und Öffentlichkeit, das wirklich wünschen.“

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Nobuhiro Sonoda ist Vorsitzender der Architektenkammer Baden-Baden/Rastatt. Foto: Ulrich Coenen

Hubert Schnurr (Oberbürgermeister und Architekt)

Bühls Oberbürgermeister Hubert Schnurr hat Verständnis für die Sorgen der Architekten, nicht zuletzt, weil er selbst Architekt und Stadtplaner ist. „Wir haben das Urteil zur Kenntnis genommen und warten nach einer Schnellprüfung jetzt auf die Bewertung und Handlungsempfehlung des Städte- und Gemeindetags“, erklärt er. „Wir werden uns auch mit der Gemeindeprüfanstalt abstimmen.“ Schnurr hofft, dass die Bundesregierung einen Weg findet, die HOAI zu erhalten. „Sie steht für Qualität in der Architektur und sichert den Kollegen ein auskömmliches Einkommen“, meint er.

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Hubert Schnurr ist Oberbürgermeister der Stadt Bühl. Foto: Ulrich Coenen

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