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Stadttour mit Flyer

Frauen auf den Spuren von Frauen: Achernerinnen erkunden Wirkungsstätten interessanter Bürgerinnen

Mit den Straßennamen hatte das Frauenforum Achern keinen Erfolg. Aus der Idee entsprang jedoch eine Spurensuche im Stadtarchiv. Die Recherche dreht sich um acht Frauen.

Bieten ihren Rundgang erstmals auch der Öffentlichkeit an: Gabriele Naendrup, Ursula Wurtz und Angelika Dahlmanns (vorne, von links). Mit im Bild Dorothee Bär, Fabian Alt und Verena Huber (hinten, von links).
Bieten ihren Rundgang erstmals auch der Öffentlichkeit an: Gabriele Naendrup, Ursula Wurtz und Angelika Dahlmanns (vorne, von links). Mit im Bild Dorothee Bär, Fabian Alt und Verena Huber (hinten, von links). Foto: J. Ritter

„Auf den Spuren Acherner Frauen“: So ist eine vom Frauenforum Achern konzipierte „Stadterkundung“ überschrieben, die mithilfe von Flyern privat unternommen werden kann. Am 20. März ab 17 Uhr wird die Tour erstmals auch als öffentliche Führung angeboten.

Dabei war das Anliegen des Forums, konkret von Gabriele Naendrup, Ursula Wurtz und Angelika Dahlmanns, ursprünglich ein anderes: Das Trio wollte erreichen, dass in Acherner Neubaugebieten Straßen verstärkt nach Frauen benannt werden. So erzählen es die drei bei einer Generalprobe der „Stadterkundung“, eigens für die Presse anberaumt.

Mit den Straßennamen hatten sie keinen Erfolg, wie Wurtz sagt. Aus diesem Ansinnen, ergänzt Naendrup, sei aber die Idee entstanden, sich im Stadtarchiv auf Spurensuche zu begeben.

Wir wählten acht Frauen aus, die uns außergewöhnlich erschienen.
Gabriele Naendrup
Mitglied des Frauenforums

„Wir stießen auf Biografien hochinteressanter Frauen und wählten acht aus, die uns außergewöhnlich erschienen.“ Die entsprechenden „Hausaufgaben“ dazu, Kontakte zu Nachkommen und die Suche nach Bildmaterial inklusive, teilten sie untereinander auf.

Die drei ehemaligen Lehrerinnen überlassen sich bei der Tour durch die Stadt wechselweise die „Regie“. An den früheren Wirkungsstätten jener acht Frauen ergeben sich immer wieder lebendige Gespräche rund um deren Lebensläufe und den gesellschaftlichen Kontext.

Pionierin der Naturheilkunde Rosel Heim erhält sogar das Bundesverdienstkreuz

Exemplarisch sollen hier nur einige der Frauen genannt sein. Da wäre Rosel Heim, deren Vater ein Friseurgeschäft am Adlerplatz betrieb: Eine Pionierin der Naturheilkunde und Vorkämpferin für die Selbstbestimmung der Frau, heißt es im Flyer.

Rosel Heim
Als Pionierin der Naturheilkunde und Naturkosmetik gilt die Achernerin Rosel Heim, die für ihre Verdienste sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Foto: Dominic Schüler/Kairos Verlag

Das Interesse Heims an der Naturkosmetik wurde Naendrup zufolge schon im Familienbetrieb geweckt: Der Vater war als Friseur und Bader auch für Aderlässe und Zahnextraktionen verantwortlich – und verwendete für die Wunden heilende Kräuter.

„Dieses Wissen eignete Rosel sich an und erweiterte es etwa in Paris und Berlin.“ Für einen Hautausschlag ihrer Tochter entwickelte sie eine Hautcreme, die bald weit über Achern hinaus begehrt war.

„1935 eröffnete sie in Baden-Baden das erste Kosmetikinstitut Deutschlands, 1939 machte sie ihr Diplom in London und 1951 wurde sie erste Präsidentin des Dachverbandes der deutschen Kosmetikerinnen“, so Naendrup weiter.

Ihre Artikel, „bei denen es ihr immer auch um die ganzheitliche Pflege ging“, habe Rosel Heim für die Baden-Badener Firma Sans Soucis kreiert. „1977 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz.“

Brechts Großmutter besucht gern das Kino – ganz gegen gesellschaftliche Konventionen

Ursula Wurtz skizziert kurz darauf das Leben von Karoline Brecht, der Großmutter Bert Brechts väterlicherseits. Die Station: das damalige Haus der Familie in der Hauptstraße 66. „Hier verlebte der Schriftsteller als Kind viele Ferien“, so Wurtz, die auf Ähnlichkeiten der „unwürdigen Greisin“ mit Karoline in Brechts gleichnamiger Erzählung hinweist.

Etwa, dass die Mutter von neun Kindern – vier von ihnen starben – gern ins Kino ging, damals ein „moralisch anrüchiger Ort“. Dass sie dennoch angesehen war, lag wohl an ihrem Fleiß, wie Wurtz mutmaßt: „Sie führte ganz allein einen Riesenhaushalt – bis zu acht Gesellen saßen mit am Tisch – und arbeitete in der Steindruckerei ihres Mannes mit.“

Es habe wohl viele, auch politische Diskussionen im Hause gegeben. „Karoline hielt alles zusammen, sie war der Mittelpunkt der Familie.“ Sie sei für ihre Zeit „mutig“ gewesen, sagt Wurtz. Das trifft auf viele Damen zu, denen die Tour gewidmet ist.

Mutter und Tochter Roller setzen sich für Patienten der Illenau ein

Nicht ganz so sehr passt es indes zu Christiane und Sophie Roller, deren Stärke eher auf ihrem tiefen christlichen Glauben fußte. Als Angelika Dahlmanns über die beiden spricht – inzwischen in der Illenau angelangt –, scheint es manchmal, als habe sie die Frauen und ihr Umfeld persönlich gekannt. „Es gab hier auch unglaubliche Patientinnen“, ruft sie.

Konzentriert hat sie sich dennoch auf Frau und Tochter des Direktors des „Landasyls Illenau“. Die genossen zwar gewiss einen höheren Lebensstandard als viele ihrer Mitbürger, opferten sich aber Dahlmanns zufolge nicht nur für den Mann des Hauses auf, sondern auch für die Patienten.

Was hatten die Frauen es früher schwer.
Angelika Dahlmanns
Mitglied des Frauenforums

Christiane Roller gebar neun Kinder, sechs überlebten. Zudem unterstützte die ausgebildete Pflegerin ihren Mann in der Klinik. Sie starb mit 47 Jahren und wurde als eine der ersten auf dem Illenauer Friedhof begraben.

„Sophie erhielt, ungewöhnlich zu jener Zeit, die gleiche Schulbildung wie ihre fünf Brüder“, so Dahlmanns. Sie sei unverheiratet geblieben, um ihrem verwitweten Vater zur Seite zu stehen, und habe sich wie ihre Mutter selbstlos um die Kranken gekümmert.

Weitere Biografien erzählen etwa von der ersten Stadträtin Acherns, von einer Unternehmerin oder von einer Oberköchin, die niemals freie Tage erhielt und somit nicht einmal ihre Kinder in einer Pflegefamilie besuchen durfte. „Was hatten die Frauen es früher schwer“, sagt Dahlmanns.

Projekt erhält vielseitige Unterstützung auch von den Frauenbeauftragten Acherns

Die Tour vergeht wie im Fluge, nicht zuletzt dank der Begeisterung der drei „Guides“, die jegliche Fragen mit viel Geduld beantworten. Bei ihrem Projekt wurden sie vom Leiter des Stadtarchivs Fabian Alt sowie den Familien- und Frauenbeauftragten Dorothee Bär und Verena Huber unterstützt, wie sie abschließend betonen.

Der Flyer sei mit eigenen Mitteln sowie über Spenden der Bürgerstiftung Achern und der Region sowie der Regionalstiftung der Sparkasse Offenburg/Ortenau finanziert worden.

Treffpunkt am 20. März ist der Adlerplatz 3, Anmeldungen sind erwünscht: engagement@achern.de oder Tel. (07841) 6421263. Flyer für Interessierte sind unter anderem in der Tourist-Info erhältlich.

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