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Im Porträt

Künstlerin aus Achern-Sasbachried gewinnt Phoenix-Kunstpreis 2024

Von Sasbachried in die weite Welt und wieder zurück: Stephanie Marie Roos begeistert die internationale Kunstszene mit ihren Keramikskulpturen. Ein Porträt.

Selfie einer Frau
Geboren ist Stephanie Marie Roos 1971 auf der Schwäbischen Alb. Seit 1999 lebt sie in Sasbachried Foto: Stephanie Marie Roos

Von Sasbachried einmal um die ganze Welt und dann wieder zurück nach Sasbachried – das ist eine Kurzfassung des künstlerischen Lebenslaufs von Stephanie Marie Roos. Es gäbe viele andere Möglichkeiten, von ihrem Leben und ihrer Kunst zu erzählen und den Wegen, die sie dabei gegangen ist.

Dies ist also nur eine Variante, eine bemerkenswerte Künstlerpersönlichkeit vorzustellen. Sie beginnt mit dem Staunen darüber, was sich in dem beschaulichen Acherner Stadtteil Sasbachried verbirgt, zunächst hinter grünen Hecken, so dass schon das Wohnhaus von Stephanie Roos kaum zu finden ist.

Zugang über die Kunst

Sie selbst kommt dem neugierigen Besucher hilfsbereit entgegen und zeigt den Eingang ganz real, aber zugleich wie ein Symbol für den Menschen Stephanie Marie Roos: Zurückhaltend, bescheiden, dabei aber gastfreundlich und offen.

Der Zugang zu ihr findet über die Kunst statt: Das erste, worein sie Einblick gibt, ist ihr Atelier, nicht groß, „aber hier habe ich alles, was ich brauche“. Sie ist Keramikerin, ihr Werkstoff ist Ton, dazu Arbeitsflächen, Werkzeuge, Brennofen, mehr braucht es nicht.

Wenige fertige Arbeiten sind im Haus zu sehen, dafür viel Alltagsleben der Familie. Schnell wird klar: Stephanie Marie Roos möchte eigentlich nicht über sich selbst und ihr Leben sprechen, sondern wenn über sich, dann über die Künstlerin und ihre Arbeiten.

Trotzdem, ein paar biografische Hinweise müssen sein, allen voran die Antwort auf die Frage: Wie kommt eine internationale renommierte Künstlerin nach Sasbachried?

Rotkäppchen, hinten
Die preisgekrönten Skulpturen des Phönix-Kunstpreises München: Das Rotkäppchen von hinten. Foto: Stephanie Marie Roos

Geboren ist Stephanie Marie Roos 1971 auf der Schwäbischen Alb, groß geworden ist sie dort in der Werkstatt ihrer Mutter, die Werklehrerin war. Da schon entstand die Faszination für das Material Ton: unendlich formbar, wenn er aber gebrannt ist, quasi unzerstörbar. „Fast alles, was wir über vergangene Kulturen wissen, ist durch Keramikfunde transportiert worden!“, erklärt sie mit hörbarer Begeisterung.

Aber zunächst siegten praktische Gesichtspunkte über die Leidenschaft. Stephanie Marie Roos arbeitete nach entsprechenden Ausbildungen als Grafikdesignerin und Kunstlehrerin, letzteres in Bühl – sie hatte geheiratet und eine Familie gegründet und lebt da, wo auch ihr Mann seinen Arbeitsplatz hat, seit 1999 in Sasbachried.

Seit 2012 freischaffende Künstler

Dort brach dann auch die Liebe zur Keramik wieder auf, und seit 2012 arbeitet sie als freischaffende Keramik-Künstlerin.

„Kunst zu machen ist ein einsamer Job, aber ich mag auch die Vernetzung“, sagt sie, und so hat sie sich 2013 ein Herz gefasst und an einem Keramikwettbewerb im Westerwald teilgenommen, teilgenommen und auf Anhieb unter den Finalisten gelandet.

disaster girl, halbschräg
Diese Figur bezeichnet die Künstlerin als „disaster Girl“. Foto: Stephanie Marie Roos

Stephanie Marie Roos‘ Arbeiten sind ausschließlich figürlich und ausschließlich Menschen. Sie erzählt, dass sie in ihrer Kindheit mit den Großeltern gern die Kirchen in ihrer schwäbischen Heimat besucht hat und fasziniert war von den Heiligenfiguren in den bunten Gewändern voller Falten und Bewegung, obwohl alles aus Holz oder Stein bestand.

Interesse für Kleidung

Das war der Initialpunkt für die Arbeiten, die sie heute herstellt, dazu kommt ihr Interesse für Kleidung. Kleidung drückt viel über die Menschen und ihre Gruppen aus, über Zugehörigkeit, über Individualität und Protest, über Verhüllung und Verletzlichkeit, über die ganze Komplexität einer Person.

„Meine Figuren sind hohl aufgebaut, dünnwandig und meist unglasiert, um die grafischen Strukturen und Arbeitsspuren, Spuren des suchenden Arbeitsprozesses zu erhalten. Farbe verwende ich, wenn sie Informationen als narrativen Akzent oder als Symbol hinzufügt.“

deep affection, detail
Diese Figur nennt die Künstlerin „deep affection“. Foto: Stephanie Marie Roos

Vorlagen sind oft Fotos, die sie in den Medien entdeckt. „Medien finde ich total spannend, sie verändern Realitäten und beeinflussen Sichtweisen und Wahrnehmungen“, erklärt sie. Ihre Skulpturen fordern die Betrachter dazu auf, sich mit dem Sehen und dem Wahrnehmen auseinanderzusetzen.

Als Beispiel berichtet sie von der Reaktion eines älteren Ehepaares aus Neunkirchen auf die große Ausstellung mit 60 Exponaten, die dort gerade in der städtischen Galerie zu sehen ist: „Wir gehen sonst nicht in Museen“, haben sie der Kuratorin erzählt. „Das hier sind ja Menschen wie wir, aber doch so, dass man ins Nachdenken kommt.“

Ausstellungen im Fernen Osten

Diese neue, veränderte Sicht, das Sehen, ohne gleich zu urteilen, vermitteln die Werke von Stephanie Marie Roos, und das tun sie auf der ganzen Welt, wie die schier unendlich lange Liste der Ausstellungen zeigt, die die Künstlerin beschickt hat. Sie reicht von Deutschland, die Beneluxstaaten, Litauen, Slowenien, Kroatien, Portugal bis in den Fernen Osten, nach China, Japan, Korea, Thailand.

Und dann wieder zurück nach Deutschland: Jüngst hat Stephanie Marie Roos den Münchener Phönix-Kunstpreis 2024 gewonnen, der mit 20.000 Euro dotiert ist.

Sie hatte die drei ersten Skulpturen ihrer aktuellen Serie über Liebessymbole eingereicht und hat damit die Jury überzeugt – sagt sie, als ob das nicht so wichtig sei, freundlich bei einer Tasse Kaffee an ihrem Tisch in Sasbachried.

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