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Revolution des Motorsports

Wie der Laufer Rennstall Dinger mit 100 Prozent Biosprit ganz vorne mitfährt

Alles schon mal dagewesen, das lässt sich auch über den Biosprit mit 100 Prozent Ethanol sagen. Doch nun könnte es eine Revolution im Motorsport geben, und die Protagonisten stammen aus Lauf und Achern.

Rennwagen mit 3 Männern
Der Dingersche Bolide beim Test mit Christian Bauer (Mitte) vom AZB, Rennstallchef Thomas Dinger (links) und Fahrer Yannik Dinger. Foto: Tobias Burgert/Dinger Motorsport

Kommt die Revolution des Motorsports aus Lauf und Achern? Es könnte sein. Bioethanol heißt das Zauberwort. Der Charme der Geschichte: Dieser Treibstoff wird aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen und gilt mit Blick auf die Ökobilanz als CO2-neutral. In diesem Fall geht es um einen Rennwagen, der nicht mit ein paar Prozent Biosprit fährt, sondern mit 100.

Es ist eine dieser wunderbaren badischen Tüftlergeschichten, die seit Carl Benz und seinem Patent-Motorwagen immer wieder mit Autos zu tun haben. Nur dachte der gute Herr Benz im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht an Motorsport und schon gar nicht an den Umweltschutz.

Thomas Dinger aus Lauf, Chef des Rennstalls Dinger Motorsport, treiben genau diese Aspekte rund 130 Jahre nach Carl Benz sehr wohl um. Der Mann, der für schnelle Autos brennt, ist von einem Gedanken beseelt: Wie kann Motorsport nachhaltiger und damit zukunftsfähig werden? Der Laufer ist bei aller Begeisterung Realist: Es sei kein Allheilmittel, aber es sei eine Verbesserung. Darauf komme es an.

Wer ein bisschen in die Geschichte blickt, merkt, 85-prozentigen Biosprit (E 85) gab es bis 2015 an der Tankstelle. Dann kam die Ökosteuer und E 85 hatte sich erledigt.

Ethanol als Kraftstoff? - Keine neue Idee

Das wurmt Thomas Dinger heute noch. Aber die Geschichte hatte ihn längst gepackt. Seit 2015 hat Dinger getüftelt, in Christian Bauer vom Acherner Autozentrum Bauer (AZB Racing) fand er einen genialen Partner. Denn der Profi für Tuning und Leistungsprüfung bei so erlauchten Marken wie Porsche, Ferrari und Lamborghini, dazu BMW und Co, ist nicht nur ein Automensch mit Expertise und Herz, seine Firma besitzt auch einen Leistungsprüfstand. Angesichts der Qualität kommt Dinger ins Schwärmen, zumal die AZB seinen Sitz fast vor der Haustür des Rennstalls hat.

Im kurzweiligen (Bio)Benzin-Geplauder mit Rennstallchef, Tuningprofi und nicht zuletzt Rennfahrer Yannik Dinger wird auch dem Außenstehenden klar, die Revolution des Rennsports abseits von Formel E und Co könnte wirklich aus Mittelbaden kommen.

Die Idee, Motoren mit Ethanol zu betreiben, ist nicht neu, wie Christian Bauer erläutert. Dieser Sprit befeuerte im Zweiten Weltkrieg Flugzeugmotoren und ermöglichte das Fliegen in großen Höhen. Als im Rennsport der 1980er Jahre im Rallye- und Formelzirkus die Boliden nicht genug Motorleistung haben konnten, war Ethanol „der einzige Kraftstoff, der das mitgemacht hat“.

Die Voraussetzungen waren also da, aber für Thomas Dinger und Christian Bauer standen trotzdem erst einmal an der Startlinie. Zeitgenössische Konzepte gab es nicht. Es ging in der Entwicklung um viel Chemie und noch mehr Technik. Ethanol zieht Wasser. Das Luft-Kraftstoffgemisch ist ein anderes, ebenso die Verbrennung. „Die ist etwa 30 bis 40 Prozent kälter als beim herkömmlichen Benziner“, sagt der Tuning-Profi aus Achern.

Dann stand noch eine Aufgabe im Raum: Der Dingersche Bolide, ein BMW 328 der Reihe E 36, hat einen Saugmotor. Wäre es ein Turbo, wäre es deutlich einfacher. Was da alles am Motor verändert wurde, wäre wohl in einer Doktorarbeit eines Ingenieurs zu beleuchten. Und bis der passende Sprit-Lieferant gefunden war, könnte ein Buch füllen.

Saison 2021 fuhr Dinger Motorsport komplett mit Biosprit

Aber sie haben es geschafft. Im Jahr 2020, mitten in der Pandemie, ging der Ethanol-Renner erfolgreich auf die Piste. Schon 2021 fuhr Dinger Motorsport die komplette Saison mit Biosprit und vielen Treppchenplätzen. Yannik Dinger, der damals mit dem Nachwuchspiloten Luca Trunk, bei der VFV GLPpro antrat, einem Gleichmäßigkeitsrennen, ist begeistert.

Mit knapp 320 PS hat das Fahrzeug eine „irre Leistung“ und ist „absolut konkurrenzfähig“. Der VW Käfer lässt grüßen. Er läuft und läuft und läuft – auch in der Saison 2022, was Yannik Dinger eindrücklich bewies. Dieses Mal hieß der Nachwuchsfahrer im Team Daniel Wendler. Plätze unter den besten Drei und Starts von der Pole-Position stehen in der Erfolgsbilanz. Stetig wurde, in Zusammenarbeit mit dem AZB, die Motorabstimmung verfeinert. Das Konzept mit 100 Prozent Biosprit stößt in der Szene auf Interesse. „Sogar von Rallye-Legende Walter Röhrl gab es Anerkennung“, freut sich Yannik Dinger.

Rennwagen
Auch in Oschersleben war Dinger Motorsport am Start. Das Team fährt nun seit zwei Saisons erfolgreich mit Biosprit. Foto: Tobias Burgert/Dinger Motorsport

2023 hat Dinger Motorsport große Pläne: „Wir wollen aufsteigen“, sagt Thomas Dinger, entweder in die DTM Classics oder die Tourenwagen Legende. Zwei Formate, in denen die Fahrer wie der Laufer Yannik Dinger dann auch im Fokus der Motorsport-Journalisten stehen.

Termine gibt es noch keine, denn gerade hat der ADAC die DTM aufgekauft. Aber was jetzt schon klar ist, es wird deutlich teurer für die Laufer. Geldgeber sind also gefragt, „mit denen steht und fällt es“, betont Thomas Dinger, der im Gespräch ausdrücklich das Autozentrum Bauer sowie BMW Ratzel in Linkenheim-Hochstetten als unverzichtbare Sponsoren würdigt.

„Wir haben ein Produkt, dass es so nicht gibt und das funktioniert“, sagt der Rennstallchef, „und wir geben die Hoffnung nicht auf“. Das nächste Projekt nimmt bereits konkrete Formen an. Dinger Motorsport will einen weiteren Rennwagen aufbauen. Zur Wahl stehen ein BMW E 30, Baujahr 1992 und ein E 36, Baujahr 1993.

Bei beiden handelt es sich um ehemalige Boliden der DTM. Natürlich soll auch im neuen Renner Bioethanol durch die Adern fließen. Carl Benz hätte definitiv seine Freude gehabt, an so viel badischem Tüftlergeist. Und 2023 könnte es dann sogar eine Nachwuchspilotin im Rennstall geben. Also noch etwas, mit dem der mittelbadische Rennstall für Aufmerksamkeit sorgt.

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