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Fachkräftemangel

Gute Geschäfte und besorgter Blick in die Zukunft: Dem südbadischen Handwerk droht Trendwende

Dem Handwerk geht es gut, doch viele Betriebe blicken besorgt in die Zukunft. Die Aussichten in Südbaden sind derzeit so schlecht, wie selbst während der Corona-Krise nicht.

In einer Fleischerei zerlegt ein Metzger einen zuvor geschlachteten Wagyu Ochsen.
Vor allem Metzger und Bäcker leiden unter den gestiegenen Energiepreisen. Doch anders als erwartet, ist die Zahl der Betriebe in Südbaden praktisch stabil geblieben. Foto: Guido Kirchner/dpa

Dem südbadischen Handwerk geht es eigentlich bestens. Noch. Denn der Blick in die Zukunft ist von Pessimismus getrübt. „Es scheint das Vertrauen in die Politik zu fehlen, das notwendig wäre, um hier Ruhe und Verlässlichkeit hereinzubringen“, sagt Kammerpräsident Johannes Ullrich.

In der jüngsten Konjunkturumfrage der Kammer hätten sich die tatsächliche Geschäftslage und die Erwartungen für die Zukunft entkoppelt. Die Erwartungen sind in den Keller gerutscht.

Alarmsignal dabei: Mit einem kurzen Ausreißer im Frühjahr 2021 waren die Betriebe selbst während Corona-Krise und Lockdown optimistischer als sie es heute sind.

Die Unternehmen sehen sich vor einer Fülle von Herausforderungen, beginnend mit dem Fachkräftemangel über steigende Zinsen und hohe Kosten bei der Beschaffung von Material, die sie nur teilweise an ihre Kunden weitergeben können. Dabei steht ein Thema im Zentrum, das man eigentlich längst überwunden haben wollte: massive Lieferzeiten von Komponenten, die die Wirtschaft weiter ausbremsen.

Südbadische Betriebe warten weiter auf Bauteile

Probleme gebe es beispielsweise bei elektronischen Bauteilen, die aus China kommen, aber auch bei hochkomplexen Produkten wie beispielsweise Wärmetauschern. Allein darauf warte man nicht selten bis zu 40 Wochen. „Extrem“, urteilt der Kammerpräsident.

Es gibt aber auch eine gute Nachricht. Die Zahl der Handwerksbetriebe in Südbaden ist weitgehend stabil. Im vergangenen Jahr habe man lediglich 22 Unternehmen verloren. Allerdings ist hinter den Kulissen durchaus Bewegung.

Die Betriebe im Nahrungsmittelhandwerk kämpfen enorm ums Überleben.
Johannes Ullrich, Kammerpräsident

Bei den nach der sogenannten Handwerksrolle A eingetragenen Betrieben, also denen, bei denen Meisterpflicht herrscht, gibt es ein deutliches Minus von etwa 100 Unternehmen, das nur durch den Zuwachs bei den zulassungsfreien Berufen ausgeglichen wird. Hintergrund, so der Kammerpräsident am Donnerstag, ist unter anderem der demografische Wandel, viele Inhaber gehen in Rente und finden keinen Nachfolger.

Gut durchgehalten haben die Bäcker und Fleischer, bei denen die Energiepreissteigerungen den vergangenen Monate besonders eingeschlagen haben. Nur drei Bäckerbetriebe und sieben Metzgereien haben im vergangenen Jahr ihre Türen für immer geschlossen, und das in einem schwierigen Umfeld.

„Die Betriebe im Nahrungsmittelhandwerk kämpfen enorm ums Überleben“, sagt Ullrich. Er sei froh, dass die damit verbundenen eher pessimistischen Erwartungen nicht eingetroffen seien. Trotz der trüben Aussichten, noch geht es dem Handwerk gut. Fast jeder fünfte Betrieb hat bei der jüngsten Konjunkturumfrage der Kammer berichtet, dass er zu mehr als 100 Prozent ausgelastet sei.

Anerkennung ausländischer Abschlüsse ist kompliziert

Dagegen liegt nur jeder zehnte bei unter 60 Prozent, sagt Handirk von Ungern-Sternberg von der Geschäftsführung der Kammer. Das Problem bleiben vor diesem Hintergrund der Fachkräftemangel und das Fehlen von Personal allgemein.

Bedauerlich sei, dass die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen so umständlich sei. Dies sei aber kein Problem der Kammer, die dafür zuständig ist, sondern ein Webfehler im Gesetz, macht Ungern-Sternberg deutlich. „Ein sehr komplexes Verfahren“, sagt er, „und in dieser Form nicht geeignet, die Herausforderungen durch den Fachkräftemangel zu beantworten“.

Wenig Entlastung habe den Betrieben bisher der Zustrom von ukrainischen Kriegsflüchtlingen gebracht. Es handle sich überwiegend um Frauen und Kinder, aber angesichts des Krieges im Land nur um wenige junge Männer, die in Deutschland in eine Ausbildung starten könnten. Man sehe, so Ungern-Sternberg, „keine große Welle, die ins Handwerk strömt“.

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