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Borkenkäfer und Trockenstress

So ist es um den Wald in Seebach bestellt

Wie hat sich die Situation für private Waldbesitzer in den vergangenen Jahren entwickelt? Wir gehen mit Alfons Schnurr vom Seebacher Schnurrenhof in den Wald.

Zwei Männer an einem Baumstamm
Moritz Schnurr (links) und Alfons Schnurr an der mächtigen Douglasie, die sie nicht für den Holzmarkt fällen werden. Foto: Berthold Gallinat

„Nein, die wird auf keinen Fall gefällt“, versichert Alfons Schnurr, der Besitzer des Schnurrenhofs. Moritz Schnurr, sein Nachfolger, nickt zustimmend.

„Die“, das ist eine an die 100 Jahre alte zwischen 55 und 60 Meter hohe Douglasie, mit einem Stammdurchmesser von 1,20 Meter. Es wäre ohne Frage ein Prachtbaum für den Verkauf, bis 35 Meter hoch ist er entastet. Aber der kerngesunde Baum macht Alfons Schnurr so viel Freude, dass er es nicht übers Herz bringt, ihn dem Mammon zu opfern.

Alfons Schnurr liebt seinen Wald

Bei einem Durchgang durch den Waldbesitz des Schnurrenhofs in der vergangenen Woche vermittelte Alfons Schnurr, wie sich für einen Waldbauern die Verhältnisse im Vergleich zu vergangenen Zeiten geändert haben, mit welchen Einflüssen und Veränderungen ein Waldbesitzer heute und inzwischen seit mehreren Jahren zu kämpfen hat.

Aber immer wieder zeigte sich beim Durchgang, dass Alfons Schnurr seinen Wald liebt und ihn nicht einfach nur als Einkommensquelle sieht. „Die Natur braucht sich nicht anzustrengen, bedeutend zu sein, sie ist es.“

Dieses Wort des Schweizer Schriftstellers Robert Walser spiegelt für ihn seine Einstellung zum Wald wider.

Offen ist, ob uns für das Wachsen eines neuen Walds noch die Zeit bleibt.
Alfons Schnurr
Waldbesitzer

„Grundsätzlich“, so Alfons Schnurr, „war Waldarbeit vor der rasanten Mechanisierung der Landwirtschaft seit den 1950er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sehr viel Handarbeit.

Zwei, drei Monate, den halben Winter sozusagen, waren Waldarbeiterrotten beschäftigt, Holz zu schlagen.“ Das sei schwerste Muskel- und Körperarbeit bei Gefahr für Leib und Leben gewesen und die wurde auch bei nicht idealen Wetterbedingungen wie zum Beispiel bei Schneefall geleistet.

„Heute kann dieselbe Arbeit mit Unterstützung eines Lohnunternehmens dank moderner Technik und Maschinen in einer Woche bewältigt werden“, erklärt Schnurr. Ausgenommen seien die Pflegearbeiten, die sich über das ganze Jahr hinziehen.

Der Wald war einst die „Sparkasse“ des Bauern

Andrerseits, so Schnurr weiter, war der Wald für die Waldbauern und Waldbesitzer ein sicheres Einkommen, er war sozusagen die Sparkasse des Bauern. „Das waren die Wachstumszertifikate der Waldbauern“, bringt Schnurr es auf den Punkt. Das habe sich mit dem Wandel der klimatischen Bedingungen in den vergangenen 30 Jahren grundlegend verändert.

Spätestens seit dem Orkan Lothar 1999 sei der Holzmarkt großen Schwankungen unterworfen. Nach Lothar, so Schnurr, brauchte der Markt etwas mehr als zehn Jahre, bis er sich wieder erholte.

Sechs Jahre nach Lothar schien der Preis für Schnittholz wieder im Aufschwung begriffen, dann kam 2007 Kyrill und der Preis sackte erneut ab. Die Bankenkrise 2008 wirkte sich ebenfalls ungünstig aus. Erst 2011 erholte sich der Holzpreis tatsächlich wieder.

Auch aktuell sei der Markt wieder unter Druck. Bei 70 bis 75 Euro liege derzeit der durchschnittliche Ertrag für den Festmeter, wovon 30 Euro als Aufarbeitungskosten anfielen.

Vor eineinhalb Jahren habe der Waldbesitzer noch 100 bis 110 Euro pro Festmeter über alle Sortimente gerechnet erzielen können. Sturmschäden, Schneebruch, Starkregen, die der Wald nicht aufnehmen kann, einerseits und die lang anhaltenden Trockenperioden der vergangenen Jahre andrerseits setzten dem Wald immer wieder zu. Nicht zuletzt drücke auch das globale Spiel mit dem Rohstoff Holz immer wieder auf den Preis.

Bei der Begehung seines Waldes lenkte Alfons Schnurr immer wieder den Blick auf Fichten und Tannen mit lichter Krone und auch auf Rundholzpolder am Weg. Dort liegen Stämme, die der Borkenkäfer schädigte. Markant fiel ein Baum ins Auge, der gewaltig geharzt hatte, um sich gegen den Käfer zu wehren.

„Ich gehe fast täglich in den Wald. Dabei begleitet mich mein Hund und wenn ich einen Baum sehe, der Schadenspuren aufweist, markiere ich ihn gleich, damit er geschlagen wird.“ Gewissermaßen gehe er fast täglich waldbaden. Das heute angepriesene Waldbaden zum Stressabbau habe er schon in seiner Kindheit praktiziert, ohne dass er gewusst habe, dass seine fast alltäglichen Waldgänge mit seinem Vater Franz Xaver Schnurr so etwas wie Waldbaden gewesen seien.

Schäden erstrecken sich über alle Baumarten hinweg

Der Waldumbau zu Mischwäldern, so Alfons Schnurr zur heutigen Waldtheorie, ist selbstverständlich bei den Waldbesitzern ein Thema, aber die Schäden, so betont er, erstrecken sich über alle Baumarten weg. Die Douglasie anstelle von Fichte und Tanne gehöre mit zum Waldumbau, teils würden auch Versuche mit Baumarten wie mit der Libanon-Zeder unternommen.

Am Schnurrenhof habe bereits sein Opa Andreas Schnurr Ende des 19. Jahrhunderts begonnen, erste Douglasien zu pflanzen, aber lange wusste man nicht, wie sich die Douglasie aus dem westlichen Nordamerika hier entwickelt und ob sie überhaupt ein marktfähiger Baum wird. Inzwischen erweist sie sich jedoch als Glücksfall, sie kommt mit der Trockenheit deutlich besser zurecht als Fichte und Tanne, der Borkenkäfer befällt sie kaum und sie liefert beliebtes Nutzholz.

So sehr, wie Alfons Schnurr den Waldumbau in Richtung Mischwald auch befürwortet und für sinnvoll erachtet, macht er auch darauf aufmerksam, dass ein Wald sich in sehr langen Zyklen entwickelt: Für die Waldbauern sei dies im Gegensatz zu vielen Waldliebhabern und Waldbesuchern eine Binsenweisheit. Eine Buche beispielsweise erreiche ihre Schlagreife nach 120 bis 160 Jahren und ist mit 200 Jahren ausgewachsen, was aber je nach Standort etwas variieren könne.

Daher lasse sich heute trotz eines sinnvollen und richtigen Denkansatzes für den Wald nicht mit Sicherheit vorhersehen, wie Klimaveränderung und Waldumbau miteinander korrelieren und wie sich der neue Wald auf lange Sicht entwickeln wird. „Offen ist, ob uns für das Wachsen eines neuen Walds überhaupt noch die Zeit bleibt“, schränkt Alfons Schnurr skeptisch ein.

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