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Wie ein Kampf gegen Windmühlen

Unterricht für Flüchtlinge: Lehrer und Klassenräume fehlen im Ortenaukreis

Das Kürzel VABO steht für „Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen“. Durch die jüngste Flüchtlingswelle ist die entsprechende Schülerzahl deutlich gestiegen - ein Problem, auch im Ortenaukreis.

Eine Mitarbeiterin der Firma MTO erklärt  in der Kaufmännischen Schule in Waiblingen (Baden-Württemberg) Flüchtlingen, die an einem Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen (VABO) teilnehmen, eine Aufgabe eines Bildungstests.
In VABO-Klassen erhalten Jugendliche mit keinen oder geringen Deutschkenntnissen verstärkt Sprachförderung. Das Jahr schafft Übergänge in das reguläre berufliche Schulwesen und wird mit einer Deutschprüfung abgeschlossen. Foto: Marijan Murat/dpa

Für Landrat Frank Scherer stellt es sich manchmal wie ein Kampf gegen Windmühlen vor, diesen Eindruck jedenfalls vermittelte er zuletzt immer wieder, wenn es um die „Beschulung“ von jungen Geflüchteten geht: immer mehr Migranten, die von den Beruflichen Schulen im Ortenaukreis so unterrichtet werden sollen, dass sie baldmöglichst ordentlich Deutsch sprechen und schreiben können, um am Ende der Fahnenstange auch eine Berufsausbildung beginnen zu können.

Die jüngste Flüchtlingswelle habe zu einer enormen Schülerzahl im VABO-Bereich der Beruflichen Schulen geführt, so Scherer. VABO steht für Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen“.

In diesen Klassen erhalten Jugendliche mit keinen oder geringen Deutschkenntnissen verstärkt Sprachförderung. Das Jahr schafft Übergänge in das reguläre berufliche Schulwesen und wird mit einer Deutschprüfung abgeschlossen.

Guter Wille allein reicht nicht

Doch mit gutem Willen allein sei es nicht getan, sagte Scherer am Donnerstag vor dem Kultur- und Bildungsausschuss des Kreistags. Es war nicht das erste Mal in den vergangenen Monaten, dass er Kritik übte an Beschlüssen, die auf höheren politischen Ebenen gefällt werden. 

Hauptproblem: Es fehle vorne und hinten an den erforderlichen zertifizierten Lehrkräften. Scherer konterte: „Warum sollen in solchen Klassen nur solche Lehrer unterrichten dürfen?“ Das sei ihm unverständlich: „Da stehen wir uns in Deutschland im Weg.“ Warum sollen nicht auch andere Pädagogen – amtierende oder aus dem Dienst ausgeschiedene – qualifizierte Deutschkurse geben können?“

Amtsleiter Bernhard Kohler assistierte: Es scheitere an „Köpfen“. Je mehr Lehrpersonal den jungen Migranten zur Seite stünden, desto schneller könnten sie für eine Ausbildung fit gemacht werden.

Scherer befürchtet, dass die personelle Situation durch den bald eintretenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule weiter verschärft werde, sollte nicht pragmatisch vorgegangen werden: „Wo soll denn das Personal herkommen?“

Respekt vor der anstrengenden Arbeit der Lehrer

Das Problem der VABO-Klassen sei doch, wie auch Wolfram Britz, SPD-Kreisrat und OB von Kehl, kritisierte: Sind weiterhin zu viele Jugendliche in einer Klasse, können sich die Lehrer/innen nicht in der erforderlichen Weise widmen, und es müssten weiterhin viele Jungen und Mädchen die Klasse wiederholen, blieben somit länger dem Arbeitsmarkt fern, könnten sich wirtschaftlich nicht selbst versorgen.

Respekt vor der anstrengenden Tätigkeit vieler Lehrkräfte äußerten auch Edgar Gleiß (Freie Wähler) und Günter Klasen (Grüne). Britz riet Scherer, gegenüber dem Land abermals den Finger in die Wunde zu legen. Eine – immerhin – kleine Hilfe, so Willi Keller (SPD), könnte die Mitwirkung von „Lesepaten“ sein.

Laut Bernhard Kohler sei mit der ersten Flüchtlingswelle vor knapp einem Jahrzehnt die Zahl junger Migranten in VABO-Klassen rapide hochgeschnellt, von 47 auf 390. Die Zahl sei zwischenzeitlich auf 140 gesunken, aktuell bewege sie sich bei rund 500. Diese werden in 29 Klassen unterrichtet, im Schnitt sind es 17 pro Klasse.

35 Prozent von ihnen stammen aus der Ukraine. 40 weitere junge Leute stünden auf einer Warteliste, eine solche gebe es auch für die Analphabetenklasse, die eingerichtet wurde. Für die 29 Klassen stünden insgesamt 40 volle Lehrerdeputate zur Verfügung.

Viele müssen das erste Jahr wiederholen

Die Situation entspanne sich auch aus anderem Grund nicht: „Ungefähr die Hälfte der Schüler muss das erste Jahr wiederholen.“ Hinzu kämen 103 ausländische Schüler aus „Vorbereitungsklassen“: Mit 16 Jahren treten sie in die Verantwortung der Berufsschulen über. Damit stünden bereits 350 Schüler für die im Herbst beginnenden VABO-Klassen fest, nicht eingerechnet jene, die neu hinzukommen: „Wir werden im nächsten Schuljahr keine Entspannung haben.“

Ähnlich dramatisch sei die Situation inzwischen auch an den SBBZ, den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Diese werden aktuell von 194 Kindern besucht: „Auch hier gibt es keine Platzkapazitäten mehr. Alle Möglichkeiten sind ausgeschöpft.“ Man wisse sich nur noch damit zu helfen, den „Klassenteiler“ anzuheben.

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