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Oberkirch

Viele Winzer geben auf: Was kommt nach dem Weinbau?

Mit Terassenpatenschaften will die Winzergenossenschaft Oberkirch/Kappelodeck den Wandel mitgestalten

Die gleiche Rebfläche wird über den Neubau von Querterrassen als Weinberg gerettet und in eine wirtschaftliche Nutzfläche überführt.
Die Rebfläche wird über den Neubau von Querterrassen als Weinberg gerettet und in eine wirtschaftliche Nutzfläche überführt. Foto: Winfried Köninger

Die Landschaft der Ortenau mit ihren Tälern, Sonderkulturen und Mischwäldern gilt als Region mit beeindruckenden landschaftsprägenden Alleinstellungsmerkmalen.

Mittendrin die gepflegten Rebhänge in einer charakteristischen Steillagenlandschaft. Dieses gewohnte Bild ist in Gefahr. Immer mehr Winzer „hängen die Rebschere an den Nagel“ und stecken auf.

Die Wirtschaftlichkeit ist eine Seite, vielmehr ist es die „Schinderei“ am Hang mit der Arbeitsschwere und dem hohen Handarbeitsaufwand. Aber was kommt danach?

Ende der 1970er Jahre waren es zwei findige Winzer in Sasbachwalden, die erstmals in der Ortenau am Vorbild vom Duoro in Portugal oder dem Wallis in der Schweiz die Rebzeilen mit einfachem Gerät horizontal in den Hang einbauten. Es war der Startschuss für eine Erfolgsgeschichte im Ortenauer Weinbau.

Winzer arbeitet nun in der Ebene

Der Bottenauer Winzer Franz Benz und die Erdbaufirma Schwörer aus Steinach gelten als Terrassenpioniere und entwickelten in Folge Verfahren zum jetzigen technisch perfekten Entwicklungsstand.

Heute sind über zehn Prozent der Rebflächen zwischen Baden-Baden und Gengenbach mit der arbeitswirtschaftlich effizienten Querterrassierung angelegt. Der Winzer läuft und fährt nicht mehr den steilen Hang rauf und runter, sondern arbeitet in der Ebene. Und hat als wichtigen Nebeneffekt einen Stundenaufwand, der sich nahezu halbiert.

Schon in wenigen Jahren entsteht ein mustergültiges Beispiel von Biodiversität durch blühende Böschungen an den Rebterrassen.
Schon in wenigen Jahren entsteht ein mustergültiges Beispiel von Biodiversität durch blühende Böschungen an den Rebterrassen. Foto: Winfried Köninger

Seither wird im Zuge von Neu- und Wiederbepflanzungen terrassiert „was das Zeug hält“, soweit es von der Steilheit erforderlich- und technisch umsetzbar ist. Nutznießer sind nicht nur die Winzer, sondern die Natur und die Landschaft.

Mit der hohen Böschungsfläche werden unberührte Areale geschaffen, auf der Pflanzen und Kleintiere sich ungestört entwickeln können. Terrassenböschungen sind Kleinbiotope inmitten des Wirtschaftsraumes Weinberg.

Raum mit großer Artenvielfalt entsteht

Professor Thomas Schmitt vom Deutschen Entomologischen Institut Münchberg bezeichnet die Querterrassen im Weinbau als blütenreiche Böschungen, sie sind ein Refugium für gefährdete Insektenarten.

Es entsteht ein spezieller Lebensraum mit großer Artenvielfalt, insbesondere für alle wärmeliebenden Wildpflanzen und Insekten, so der Forscher. Wissenschaftler der Hochschule Geisenheim resümieren, dass bei Terrassenweinbergen wirtschaftliche und ökologische Vorteile zusammenkämen. Das helfe, den Steillagenweinbau zukunftsfähig zu gestalten.

Terrassen sind auch eine Antwort auf den Klimawandel. Der Boden kann mehr Wasser aufnehmen und auch besser im Berg halten. Was die Technik herstellt, wird fortan der Natur überlassen.

Über 100 Hektar dieser mit Bagger und Raupe geschaffenen neuen Landschaftselemente gibt es im vorderen Renchtal. Schwerpunkte sind die Gemarkungen Haslach, Bottenau und Ödsbach.

Oberkirch ist die Hauptstadt der Querterrassen.
Sebastian Hill, geschäftsführender Vorstand der Oberkircher Winzergenossenschaft

„Oberkirch ist die Hauptstadt der Querterrassen“, so bezeichnet Sebastian Hill, geschäftsführender Vorstand der Oberkircher Winzergenossenschaft die Renchtalmetropole. Er gilt als der geistige Vater eines neu ins Leben gerufenen Projektes mit einer Terrassenpatenschaft.

„Wir müssen unsere Bürger und die Gesellschaft noch näher an das Thema Biodiversität am Beispiel des Terrassenbaues ranführen“, so Hill.

„Mit einer Terrassenpatenschaft wird man Teil eines von Biotopen eingebunden Weinberges. Damit helfen sie mit, die Artenvielfalt und das ökologische Gleichgewicht in unseren querterrassierten Weinbergen zu erhalten“, erläutert Projektleiter Frank Männle, der als Qualitäts- und Nachhaltigkeitsmanager der Oberkircher Winzer die Fäden am Patenobjekt zusammenhält.

Patenschaften für Weinberge

Mit einem Euro pro Tag oder 365 Euro jährlich ist man dabei. Damit unterstützen sie die Winzerfamilien darin, mit umweltfreundlichen Anbaumethoden, Spitzenweine zu produzieren.

Der Pate erhält als Gegenleistung jährlich 24 Flaschen eines Sortimentes von hochwertigen Weinen, darunter auch die Terrassenweine. Darüber hinaus darf jeder Pate an einem fachlich geführten Weinbergsrundgang im Terrassenweinberg teilnehmen und kann bei der Weinlese in seinem Patenweinberg mithelfen.

Startschuss ist an diesem Sonntag, 4. Juni, beim „Fest der Sinne“ in der Oberkircher Winzergenossenschaft. Es besteht die Möglichkeit, eine Patenschaft zu zeichnen und sich obendrein eine Magnumflasche eines hochwertigen Spätburgunders als Zugabe sichern.

Das Projekt beginnt 2023 mit den Flächen am Haslacher Klingelberg, dem größten zusammenhängenden Terrassenweinberg in der Ortenau, und soll im kommenden Jahr in Kappelrodeck im Zuge einer Neuterrassierung seine Fortsetzung finden.

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