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Nation ist gut gewappnet

Gebürtiger Rastatter lebt in Südkorea und schildert dortige Corona-Maßnahmen

Alex Lungu ist Lifecoach und lebt in Südkorea. Im Interview schildert der gebürtige Rastatter, wie das Land auf das Coronavirus reagiert hat und welche Maßnahmen getroffen wurden. Neben Einschränkungen sieht der 33-Jährige auch positive Seiten der Krise.

Alex Lungu lebt und arbeitet in Südkorea. Der gebürtige Rastatter erzählt, welche Maßnahmen dort gegen das Coronavirus ergriffen werden und welche Einschränkungen er zurzeit in Kauf nimmt.
Alex Lungu lebt und arbeitet in Südkorea. Der gebürtige Rastatter erzählt, welche Maßnahmen dort gegen das Coronavirus ergriffen werden und welche Einschränkungen er zurzeit in Kauf nimmt. Foto: privat

Die Zahlen kennen nur eine Richtung: Im Landkreis Rastatt und in Baden-Baden meldete das Gesundheitsamt am Freitagmittag weitere 42 Corona-Infizierte. Mittlerweile gibt es damit 277 Patienten. Südkorea gilt als Vorbild in der Bekämpfung des Coronavirus.

Lungu hat mit Redaktionsmitglied Patric Kastner über die Maßnahmen, die dort zur Eindämmung getroffen wurden, seine Einschätzung der Lage und die persönlichen Einschränkungen gesprochen.

Herr Lungu, die Zahl der Neuansteckungen ist in Südkorea jüngst wieder leicht angestiegen. Beunruhigt Sie das?

Alex Lungu: Nicht sehr. Wenn ein Land das in den Griff bekommt, dann Südkorea. Das hat es im vergangenen Monat gezeigt. Mehr Sorgen mache ich mir dagegen um Europa und Amerika. Was mich hier eher beunruhigt, ist der Umsatzrückgang in der Gastronomie.

Südkorea hat eine Kultur, in der sich das Leben außerhalb des Hauses abspielt. Es gibt mehr als 650.000 Restaurants und 50.000 Cafés. Aber wegen der enormen Mieten halten sich die Besitzer gerade so über Wasser. Ich weiß nicht, was aus den Menschen und der Kultur wird nach drei bis sechs Monaten Einkommensausfall.

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Wie schätzen Sie persönlich die Lage in Südkorea ein?

Im Vergleich zum Westen äußerst gesittet und diszipliniert. Die Menschen sind sehr selbstverantwortlich. Man ist zwar ängstlicher als sonst, doch als Nation ist Südkorea – nach SARS und MERS (beides ebenso Coronaviren; Anm. d. Red.) – einfach weitaus besser gewappnet.

Das Gesundheitssystem, auch das Trackingsystem der Infizierten, ist sehr gut ausgebildet. Pro 1.000 Einwohner gibt es mehr als zehn Krankenhausbetten, es herrscht Transparenz und definitiv keine Panik.

Unter anderem über GPS und Kreditkartenprotokolle wird das Verhalten des Patienten der vergangenen Tage verfolgt.
Alex Lungu über die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise in Südkorea

Wie werden Sie bezüglich der Erkrankungen im Land auf dem Laufenden gehalten?

Das Land ist super vernetzt. Die Regierung nutzt das und kommuniziert sehr präzise durch tägliche SMS an die Bürger. Darüber erfährt man, welche Regeln zu befolgen sind und wie man sich schützen kann.

Wenn ein Fall einer Corona-Infektion bekannt wird, bekommen alle Bewohner des Bezirks vom zuständigen Gesundheitsamt eine Warnmeldung mit Details über Aufenthalt und kürzlichem Verhalten des Infizierten, um selbst Maßnahmen ergreifen zu können.

Unter anderem über GPS und Kreditkartenprotokolle wird das Verhalten des Patienten der vergangenen Tage verfolgt. Daraufhin werden die wichtigsten Stätten von einem Desinfektions-Team gereinigt – Datenschutz ist ein deutsches Phänomen.

Südkorea begegnet dem Virus auch mit Drive-In Teststationen und Boxen vor Krankenhäusern, in denen sich Leute testen lassen können...

Ich war vor kurzem im Urlaub und habe mir eine Grippe eingefangen. Da ich alle Symptome hatte, die auf das Coronavirus hindeuteten, bin ich in den Drive-Thru. Meine Verlobte – auch krank – ging in die Box. Für die Tests muss man zuerst eine bestimmte Nummer anrufen und die Situation schildern. Um den Test zu erhalten, muss man eine von vier Kriterien erfüllen.

Dann wird man zu einem Drive-Thru beziehungsweise zu einer Box eines der ausgewählten Krankenhäuser gebeten. Am nächsten Tag bekommt man telefonisch das Ergebnis mitgeteilt. Wenn man die Parameter nicht erfüllt, kann man auf eigene Faust in den Drive-Thru oder in die Box und muss umgerechnet etwa 80 Euro zahlen. Wir waren übrigens beide negativ.

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Und wenn man positiv getestet wird...

Wenn man positiv getestet wird und in Heimquarantäne muss, werden Stichproben durch GPS und Kreditkartenprotokolle gemacht, ob die Person auch tatsächlich zu Hause bleibt. Wenn Infizierte durch die Krankheit kein Gehalt beziehen können, bekommen sie vom Staat Taschengeld. 14 Tage, maximal etwa 1.000 Euro für eine vierköpfige Familie. Anteilig bei weniger Tagen oder Familienmitgliedern.

Welche Strafen drohen, wenn man sich nicht an die Quarantänevorschriften hält?

Anfangs war es ein Bußgeld von etwa 2.500 Euro, doch da sich viele nicht daran hielten, wurden neue Gesetze erlassen. Meines Wissens nach wurde das Bußgeld auf umgerechnet rund 17.000 Euro erhöht. Es kann auch eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr verhängt werden.

In Südkorea gibt es keine Ausgangssperre und es wird auch nichts gehortet.
Alex Lungu

Italien hat beispielsweise eine Ausgangssperre verhängt, in Deutschland gibt es Hamsterkäufe...

In Südkorea gibt es keine Ausgangssperre und es wird auch nichts gehortet. Das Sanitätswesen ist sehr gut entwickelt und bis jetzt gibt es keine Engpässe. 80 Prozent der Schutzmasken-Verkäufe werden staatlich geregelt. Anhand der letzten Zahl des Geburtsjahres wird bestimmt, an welchen Wochentagen die Leute je zwei Masken bekommen.

Jeder, der unter der Woche noch nicht dran war, darf sich am Wochenende die Masken abholen. In Naver, Südkoreas Google, kann man sehen, wo es Masken gibt – mit Stückzahl und in Echtzeit.

Wenn Sie beispielsweise zum Einkaufen gehen – welche Schutzmaßnahmen nehmen Sie vor?

Atemmaske, den Einkaufswagen desinfizieren – manchmal habe ich auch Sanitätshandschuhe an. Man muss dazu sagen, dass es in Südkorea, wie wohl in ganz Ostasien, eine Art „Maskenkultur“ gibt. Jeder hat beim Verlassen des Hauses eine Atemmaske auf. Das macht in puncto Schutz natürlich schon einen Unterschied. In Deutschland wird man komisch angeschaut, wenn man eine Atemmaske trägt.

Welche persönlichen Einschränkungen haben Sie hinnehmen müssen?

Von beruflichen Einschränkungen mal abgesehen, gehe ich nicht mehr ins Fitness-Center, kaufe möglichst nur noch einmal die Woche groß ein, gehe nicht mehr in Cafés oder Restaurants. Museen und touristische Einrichtungen sind alle zu. Die schlimmste Einschränkung ist wohl, dass meine Verlobte und ich für Mai unsere Hochzeit geplant hatten, die nun auf den Herbst verschoben werden muss.

Sie sind Lifecoach. Mussten Sie Einbußen hinnehmen? Welche Anpassungen haben Sie treffen müssen?

Ich hatte in der ersten Jahreshälfte 20 große Workshop-Sessions geplant, die ich alle absagen musste. Das ist ein riesiger Einschnitt. Ich hoffe sehr, dass ich die Herbst-Workshops wie geplant machen kann.

Ich habe mich entschieden, die Situation so zu nehmen, wie sie ist, und mich auf andere Projekte zu konzentrieren. Beispielsweise mache ich einen Online-Kurs, damit Leute, die zu Hause sind, die Workshops an ihrem Schreibtisch machen können.

In diesem Frühling gibt es kaum Smog aus China.
Alex Lungu über die positive Seite des Coronavirus in Südkorea

Sehen Sie auch positive Seiten der Krise?

In diesem Frühling gibt es kaum Smog aus China. Jeden Frühling weht ein warmer Westwind aus der Mongolei und China rüber, der gelben Sand mit sich bringt. Dieser harmlose Wind mischt sich mit Abgasen und Schadstoffen aus den Fabriken an der chinesischen Ostküste.

Das können sich Leute aus dem Westen kaum vorstellen. In Stuttgart herrscht Alarm, wenn die Feinstaubbelastung mal 50 Mikrogramm pro Kubikmeter übersteigt. Hier in Südkorea sind tagelang Werte von 200 bis 300 Mikrogramm keine Seltenheit. Eine Atemmaske zu tragen ist auch ohne Corona jeden Frühling angesagt.

Luftreinigungsgeräte sind in jedem Raum ein Muss, inklusive dem eigenen Zuhause. Dieses Jahr jedoch, sieht man endlich mal wieder den blauen Himmel. Die Werte rangieren von zehn bis 60 Mikrogramm. Da die Fabriken und Geschäfte sowohl in China, als auch in Südkorea auf Sparflamme arbeiten, kann man tatsächlich einmal aufatmen.

Sie besuchen, wann immer es Ihnen möglich ist, ihre Eltern in Rastatt. Mussten Sie Ihre Reisepläne aufgrund der Krise anpassen?

Ich nicht, aber niemand kann mich besuchen kommen. Heimaturlaub ist im August geplant. Ich hoffe, dass sich bis dahin die Situation aufheitert.

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