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„Das ist kein unerwarteter böser Fluch“

GEW-Kreisvorsitzender reagiert auf Bericht über Bewerbermisere bei Schulleitungen in Rastatt

Der Kreisvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft macht die Bildungspolitik der Landesregierungen der vergangenen 20 Jahre für die Bewerberflaute bei Schulleiterstellen verantwortlich. 

Lehrermangel: Auch in Schulen heißt es oft „Fachkräfte dringend gesucht“.
Lehrermangel: Auch in Schulen heißt es oft „Fachkräfte dringend gesucht“. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild

„Man könnte den Eindruck gewinnen, die Schulleitungsmisere wäre wie ein böser Fluch völlig unerwartet über uns gekommen. Tatsächlich aber kam der beklagte Mangel an Schulleitungen nicht über Nacht zustande und die Ursachen sind keinesfalls rätselhaft und nebulös“, reagiert der Kreisvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Bernhard Baumstark auf den Beitrag dieser Redaktion über die vielen unbesetzten Rektorenstellen im Raum Rastatt.

Wie berichtet, sind aktuell im Bereich des Staatlichen Schulamts Rastatt 14 Schulleiterstellen sowie 14 Konrektorenposten verwaist. Teilweise konnten die Stellen trotz mehrmaliger Ausschreibung nicht besetzt werden.

„Grundübel sind der willentlich in Kauf genommene, durch stetige Einsparungen erzeugte Lehrkräftemangel und die mangelnde Investitionsbereitschaft in eine zukunftssichere Ausstattung des Bildungssystems“, findet Baumstark deutliche Worte.

Für Gewerkschaftsvorsitzender war Schulleitermangel zu erahnen

Im Kultusministerium hätte man zumindest ahnen können, dass ein Mangel an Lehrkräften auch einen Mangel an Schulleitungsbewerbungen nach sich ziehen könnte und eine gleichzeitig zurückhaltende Investitionstätigkeit möglicherweise ein Frustrations- und Qualitätsproblem im System erzeugt, meint der GEW-Kreisvorsitzende.

Als ebenfalls wenig überraschend bezeichnet er die Pensionierungswelle mit einer Verjüngung der Kollegien, einem hohen Frauenanteil sowie eine weitere Verschiebung der Altersstruktur.

Baumstark: „Aktuell gibt es somit deutlich weniger Lehrkräfte, die sich aufgrund ihrer Erfahrung berufen fühlen, die Leitung einer Schule zu übernehmen. Junge Kolleginnen arbeiten aufgrund von Kinderbetreuungssituationen in der Regel nicht in Vollzeit und stehen seltener für Funktionsstellen zur Verfügung.“

Potenzielle Bewerber seien nicht motiviert, Funktionen zu übernehmen

Der Gewerkschafter macht aber auch die Anforderungen des Schulbetriebs für die Misere verantwortlich. Aufgrund „der vielfältigen Problemlagen“ seien potenzielle Bewerber nicht sonderlich motiviert, in der derzeitigen Situation eine Leitungsfunktion zu übernehmen.

„Belastend kommt hinzu, dass das Zutrauen in die Verlässlichkeit des Dienstherrn bröckelt, zumal von den ursprünglich mehr als 350 versprochen Stellen zur Entlastung der Schulleitungen lediglich 160 im Landeshaushalt ausgewiesen wurden“, schreibt Baumstark.

Wer möchte für die Kompensation einer prekären Personalsituation durch ständige Mehrarbeit verantwortlich sein?
Bernhard Baumstark, Kreisvorsitzender GEW

„Wer möchte eine Schule leiten, die mit einer Versorgung von knapp oder gar unter 100 Prozent ins Schuljahr startet und im weiteren Verlauf mit einer standort- und schulartspezifischen Unterversorgung von aktuell zehn bis 20 Prozent auskommen muss?“

Weiter sagt er: „Wer möchte für die Kompensation einer prekären Personalsituation durch ständige Mehrarbeit und die Organisation einer verlässlichen Unterrichtsversorgung auf dieser Basis vor Ort verantwortlich sein und täglich zusätzliche neue Herausforderungen wie Corona und Flüchtlingszugang lösen?“, fragt der GEW-Funktionär.

Es sei nicht unüblich, dass Leitungsstelle zurückgegeben werden

Nach Einschätzung von Baumstark werde der eigene Gestaltungsspielraum durch Anweisungen, Vorgaben und stetig zunehmende zusätzliche Aufgaben auf eine kreative Mangelverwaltung beschränkt.

„Zusätzlich zur Aufgabe der Qualitätssicherung und -entwicklung in dieser äußerst kritischen Situation mit einer sprunghaft ansteigenden Zahl befristet beschäftigter Aushilfskräfte ohne Lehramtsausbildung, muss eine Schulleitung gegebenenfalls noch einen verlässlichen Ganztagsbetrieb mit zu wenig hauptamtlichem Personal und nicht ausreichendem Zeitbudget auf den Weg bringen“, lautet seine Analyse.

Baumstark hält es deshalb nicht für verwunderlich, dass so viele Schulleitungsstellen vakant bleiben. Es sei mittlerweile auch keine Ausnahme mehr, dass Leitungsfunktionen zurückgegeben werden. „Die Bereitschaft, eine Funktion auf Kosten der eigenen Gesundheit zu erfüllen, nimmt ab.“

Der Gewerkschafter kritisiert, dass das Land Chancen zur Personalgewinnung ungenutzt lässt, obwohl bis 2035 rund 27.000 Lehrkräfte in Baden-Württemberg fehlen würden. Die GEW-Forderung, die Altersermäßigung für Lehrkräfte zu erhöhen, um einem frühzeitigen Ausscheiden von Lehrkräften entgegenzuwirken, werde weiter abgelehnt.

Auch die regelmäßig geäußerte Notwendigkeit, Verwaltungskräfte zur Unterstützung von Schulleitungen an die Schulen zu bringen, wird laut Baumstark nicht konkret angegangen.

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