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Nachruf

„Er hat Großes für Ötigheim geleistet“: Volksschauspiele trauern um Johannes Beckert

Beckert prägte die Volksschauspiele als Regisseur und Hauptdarsteller gleichermaßen. Sein Tod mit 75 Jahren hinterlässt eine nur schwer zu schließende Lücke.

Tragische Partien lagen ihm: In Bernward Kölmels Stück „Das Welttheater“ spielte Johannes Beckert 1983 den „Bettler“. Der jetzt verstorbene Volksschauspieler liebte diese Rolle – und auch dieses Bild.
Tragische Partien lagen ihm: In Bernward Kölmels Stück „Das Welttheater“ spielte Johannes Beckert 1983 den „Bettler“. Der jetzt verstorbene Volksschauspieler liebte diese Rolle – und auch dieses Bild. Foto: Willi Panter

„Durch diese hohle Gasse muss er kommen.“ Wer kennt ihn nicht, diesen berühmten Satz aus Friedrich Schillers Freiheitsdrama „Wilhelm Tell“. Johannes Beckert kannte ihn nur allzu gut. Und das nicht nur, weil er 2006 zum 100-jährigen Jubiläum der Volksschauspiele Regie bei dem Ötigheimer Paradestück führte.

Noch bei den Tell-Aufführungen im Jahr 2022 verkörperte er, bereits von schwerer Krankheit gezeichnet, auf sehr berührende Weise den Freiherrn von Attinghausen. Jetzt ist der langjährige Regisseur und Hauptdarsteller von der Bühne des Lebens abgetreten. Bereits am Dienstag vergangener Woche verstarb er nach schwerer Krankheit im Kreise seiner engsten Familienangehörigen.

Beckert wurde 75 Jahre alt. Wer ihn kannte, lobte ihn als einen „Meister der Sprache und der Bewegung“. sagt Markus Wild-Schauber. „Und wer ihn voriges Jahr im Tell noch gesehen hat, der hat gespürt, dass er alle seine Kräfte mobilisierte, um sich leidenschaftlich und treu in den Dienst der Volksschauspiele zu stellen“.

Johannes Beckert – ein Meister der Sprache und Bewegung

„Es ist ein großer Verlust, der mich auch persönlich schmerzt, denn ich war eng mit Hannes Beckert befreundet und stand als Hauptdarsteller in vielen seiner Inszenierungen auf der Bühne“, so Wild-Schauber. Beckert sei während seiner Amtszeit auch Mitglied der Künstlerischen Leitung gewesen.

Über Jahrzehnte hinweg war er als Darsteller und Regisseur eine jener Stützen, auf deren Schultern die Volksschauspiele ruhten.
Markus Wild-Schauber
Volksschauspiele Ötigheim

„Er hat Großes für Ötigheim geleistet. Die Volksschauspiele gedenken seiner in Dankbarkeit. Über Jahrzehnte hinweg war er als Darsteller und Regisseur eine jener Stützen, auf deren Schultern die Volksschauspiele ruhten.“ 2018 würdigte die Josef-Saier-Stiftung sein Wirken mit der Josef-Saier-Medaille.

In Karlsruhe geboren und aufgewachsen, stand Beckert schon als Kind in mehreren Produktionen auf der Bühne des Badischen Staatstheaters. Aufgefallen war seine schauspielerische Begabung seiner Klassenlehrerin in der Grundschule. Gerne erinnerte sich Beckert später daran, dass bei einer dieser Produktionen die später bekannten Schauspieler Marie-Louise Marjan und Gustl Bayrhammer seine Eltern spielten.

Weg zum Berufsschauspieler schien vorgezeichnet

Als Jugendlicher nahm er mehrere Jahre Schauspielunterricht bei der ebenfalls am Badischen Staatstheater engagierten Toni Weidner. Der Weg zum Berufsschauspieler schien vorgezeichnet. Dennoch entschied sich Beckert für einen bürgerlichen Beruf und absolvierte zunächst eine Lehre zum Groß- und Einzelhandelskaufmann.

Ein Besuch der Volksschauspiele 1963 weckte in ihm die Begeisterung für Pferde. Mit Überstunden finanzierte er sich Unterricht am Karlsruher Reitinstitut Egon von Neindorff. Und schon im Folgejahr galoppierte er mit der Reiterei der Volksschauspiele über die Freilichtbühne.

Auf dem Tellplatz lernte Beckert seine Frau Isolde kennen, heiratete und zog nach Ötigheim. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Bei den Volksschauspielen wurde Staatsschauspieler Kurt Müller-Graf zu seinem Förderer. 1978 besetzte er mit Beckert die Hauptrolle des „Zwirn“ im „Lumpazivagabundus“.

Vom Reiter über den Rollenträger bis zum Regisseur

Von da an gab es praktisch keine Produktion, bei der er nicht in tragender Rolle zu sehen war. Tragische Partien wie der „Bettler“ in Bernward Kölmels „Welttheater“ lagen ihm genauso wie das komödiantische Fach als „Doolittle“ in „My Fair Lady“.

Seine Auftritte zu Pferde, etwa als „Scheich Ilderim“ in „Ben Hur“ oder „Zughetto“ in Zuckmayers „Schinderhannes“ waren spektakulär und begeisterten das Publikum. Mehr als 100 Rollen hat Beckert bei den VSÖ gespielt.

Unter anderem war er auch in Goethes „Götz von Berlichingen“, Molières „Der eingebildete Kranke“, Hofmannsthals „Jedermann“, Saiers „Die Passion“, Shakespeares „Romeo und Julia“ oder Schillers „Die Räuber“ zu erleben.

Mehr als 100 Partien gespielt und achtmal inszeniert

Hinzu kamen acht erfolgreiche Inszenierungen – von „Wilhelm Tell“ über „Ben Hur“, „Lumpazivagabundus“, „Andorra“ oder „Hotel zu den zwei Welten“ bis zu „Otello darf nicht platzen“. Auch leitete er mehrere Jahre den Werbe-Ausschuss und war Mitglied des Ausschusses „Künstlerische Leitung“.

Beruflich fand Beckert im Polizeidienst seine Heimat. Auch dort wurde sein schauspielerisches Talent geschätzt. Und zwar so sehr, dass man ihm die Leitung der Puppenbühne der Verkehrserziehung anvertraute. Dass auch seine Tochter, sein Schwiegersohn und die drei Enkelinnen auf dem Tellplatz als Darsteller aktiv sind, war ihm stets eine ganz besondere Freude.

Die Trauerfeier findet am 23. August statt. Seine letzte Ruhestätte findet Beckert auf dem Friedhof in Ötigheim.

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