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Interview

Selina Weiler leitet jetzt das Frauenhaus Baden-Baden und Rastatt

Weil häusliche Gewalt keine Pause macht, sucht das Frauen- und Kinderschutzhaus Baden-Baden und Rastatt dringend Ehrenamtliche. Wieso diese Arbeit so wichtig ist.

Häusliche Gewalt hat viele Facetten: Dabei geht es nicht nur - wie hier (auf diesem gestellten Bild) -  um körperliche Gewalt.
Häusliche Gewalt hat viele Facetten: Dabei geht es nicht nur - wie hier (auf diesem gestellten Bild) - um körperliche Gewalt. Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Leitet das Frauenhaus: Selina Weiler.
Leitet das Frauenhaus: Selina Weiler. Foto: Sabine Wenzke

Häusliche Gewalt findet täglich statt – und macht auch am Wochenende keine Pause. Schutz, Sicherheit und Zuflucht für die betroffenen Frauen und ihre Kinder bieten Einrichtungen wie das Frauen- und Kinderschutzhaus Baden-Baden und Landkreis Rastatt.

Dort gibt es am Wochenende eine Rufbereitschaft. „Wir suchen dafür dringend ehrenamtliche Unterstützung“, sagt die Leiterin Selina Weiler.

Was Interessierte dazu wissen müssen, hat unsere Mitarbeiterin Sabine Wenzke zusammengefasst.

Wie groß ist die Personalstärke im Frauenhaus?

Im Frauenhaus sind acht hauptamtliche Mitarbeiterinnen tätig, drei davon im Beratungsbereich für die Frauen. Die Mitarbeiterinnen unterstützen sie in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens – etwa bei der Beantragung von Arbeitslosengeld 2 (ALG II), bei Fragen zur Existenzsicherung und Sorgerecht, zur Trennung, Scheidung und zu Therapiemöglichkeiten sowie bei der Wohnungssuche. Zudem helfen im Frauenhaus eine Anerkennungspraktikantin und eine FSJlerin. Eine Psychologin ist auf Honorarbasis tätig. Es gibt mehrere Frauen- und Kindergruppen. Auch ehrenamtliche Helferinnen machen in unterschiedlichen Bereichen mit.

Wie viele Menschen kann das Frauenhaus aufnehmen?

Die Einrichtung bietet 20 Plätze für betroffene Frauen und ihre Kinder. Aktuell sind neun Frauen und 13 Kinder untergebracht, darunter auch einige Geflüchtete mit ihren Kindern. Das Haus ist häufig überbelegt, sagt Selina Weiler (Foto: Sabine Wenzke). Das ist aber kein Einzelfall. Es fehle bundesweit an Frauenhausplätzen.

Wer wird aufgenommen?

Aufgenommen werden Frauen und deren Kinder (Jungen nur bis zum Alter von 13 Jahren, bei den Mädchen gibt es keine Altersbegrenzung), die Gewalt erfahren haben. Die Betroffenen müssen einen festen Wohnsitz in Deutschland haben. „Wir sind keine Einrichtung zur Vermeidung von Obdachlosigkeiten, sondern eine Schutzeinrichtung für Frauen und Kinder, die Opfer von Gewalt sind“, stellt Selina Weiler klar. Nicht aufgenommen werden Frauen mit Suchtabhängigkeiten oder akuten psychischen Erkrankungen.

Wie finanziert sich das Frauenhaus?

Wie etwa zwei Drittel der Frauenhäuser in Deutschland wird auch das Haus in der Region über Tagessätze finanziert (Personal-, Sach- und Hauskosten, die dem Frauenhaus entstehen, werden auf die Frauenhausbewohnerinnen umgelegt). Wenn sie ein Einkommen haben, müssen die Frauen selber bezahlen. Bei ALG II-berechtigten/sozialleistungsberechtigten Bewohnerinnen und ihren Kindern zahlt entweder das Jobcenter oder das Sozialamt die Tagessätze. Diese reichen allerdings nicht aus, um den Bedarfen der Frauen und Kinder gerecht werden zu können. „Daher sind wir auf Spenden angewiesen“, sagt Weiler.

Mittel werden zum Beispiel für die Nachbetreuung der Frauen und Kinder, für therapeutische Zusatzangebote, dringende Anschaffungen und vieles mehr benötigt. Träger des Frauenhauses ist der Trägerverein Frauen- und Kinderschutzhaus Baden-Baden und Landkreis Rastatt. Vorsitzende ist Brigitte Schäuble, Carmen Merkel ihre Stellvertreterin. Der Vorstand arbeitet ehrenamtlich. Der Verein ist Arbeitgeber der Mitarbeiterinnen und Mieter des Hauses. Ferner ist er zuständig für die Beantragung öffentlicher Gelder und für die Nachweisführung dieser Gelder. Der Verein ist parteipolitisch und konfessionell nicht gebunden. Institutionen, Gruppierungen und einzelne Personen können Mitglied werden. Die Gemeinnützigkeit des Vereins ist anerkannt.

Wie viele Frauen und Kinder hat die Einrichtung seit ihrer Gründung betreut?

Das Frauen- und Kinderschutzhaus hat seit dem 1. August 1994 mehr als 2.000 Frauen und 2.460 Kinder betreut. Manchmal verbringen Frauen nur einige Stunden in der Einrichtung, manche bleiben bis zu einem Jahr. Das ist unterschiedlich, manche kehren auch zu ihrem gewalttätigen Partner zurück. Die durchschnittliche Verweildauer betrug im vergangenen Jahr 76 Tage, sagt Selina Weiler. Ziel ist es, die Frauen in ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Kommen alle Betroffenen aus der Region?

Nein. Es werden Frauen aus ganz Deutschland aufgenommen. „Manchmal macht es Sinn, nicht im Landkreis zu bleiben, in dem der gewalttätige Partner wohnt.“ Weiler zufolge gab es schon Männer, die den Standort des Frauenhauses ausfindig gemacht haben, obwohl dieser streng geheim gehalten wird.

Über die Internetplattform frauenhaus-suche.de können freie Plätze gefunden werden. „Es ist oft erschreckend, wie wenig es davon gibt“, so die Frauenhausleiterin.

Warum werden Ehrenamtliche für die Rufbereitschaft gesucht?

Seit Corona haben sich mehrere ehrenamtliche Mitstreiterinnen zurückgezogen. Die Rufbereitschaft ist garantiert – wenn sie nicht von Ehrenamtlichen geleistet werden kann, übernehmen die Hauptamtlichen zudem diese Aufgabe. Die Rufbereitschaft am Wochenende umfasst zweimal zwei Stunden am Samstag und Sonntag jeweils von 10 bis 12 Uhr und von 16 bis 18 Uhr. Unter der Woche ist das Frauenhaus Montag bis Freitag von 8.30 bis 16.30 Uhr erreichbar. Außerhalb der Bürozeiten ist der Anrufbeantworter eingeschaltet.

Welche Voraussetzungen sind erforderlich?

Ganz wichtig: Es dürfen nur Frauen sein. Und es ist Fingerspitzengefühl notwendig, wenn die Frauen in einer Notsituation anrufen. Ein sensibler Umgang mit den Bewohnerinnen und ihren Kindern, interkulturelle Kompetenz und absolute Verschwiegenheit und Verlässlichkeit sind weitere unabdingbare Kriterien. Außerdem muss die ehrenamtliche Helferin im Besitz eines Pkw-Führerscheins sein, um jemanden im Notfall am Bahnhof mit Kindern und Gepäck abholen zu können. Das geschieht mit dem Fahrzeug der Einrichtung. Und: Man sollte auf die Frauen, die am Wochenende aus einer Gewaltsituation flüchten mussten und sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden, beruhigend einwirken und ihnen das Gefühl der Sicherheit vermitteln können. Die Ehrenamtlichen sind nicht auf sich alleine gestellt. „Es besteht immer die Möglichkeit, sich bei einer der Hauptamtlichen rückzuversichern“, sagt Weiler.

Wie werden die Ehrenamtlichen auf ihre Aufgabe vorbereitet?

Alle erhalten vorab an einem Abend eine Schulung mit Fallbeispielen. Außerdem erhalten die Diensthabenden vor ihrem Dienstwochenende eine Rufbereitschaftstasche, die neben einem Handy nochmals alle wichtigen Informationen enthält. Das erste Mal werden die Ehrenamtlichen von einer erfahrenen Mitarbeiterin begleitet. Außerdem finden regelmäßige Treffen zum Austausch statt. Ferner bietet die Psychologin des Frauenhauses mehrmals im Jahr themenspezifische Seminare an.

Wo gibt es weitere Informationen?

Am 1. September findet um 18 Uhr ein Informationsabend im Rastatter Landratsamt statt. Das Frauenhausteam bittet um telefonische Voranmeldungen unter (0 72 22) 77 41 40. Unter dieser Rufnummer oder per E-Mail an info@frauenhaus-baden-baden-rastatt.de gibt es auch weitere Informationen. Für die ehrenamtliche Aufgabe wird im Übrigen eine Aufwandsentschädigung gewährt.

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