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Gerangel um Bildungsgut Sprache

Was das drohende Aus des Förderprogramms „Sprach-Kita“ für Kindertagesstätten in Rastatt bedeutet

Kindergartenträger in Mittelbaden müssen sich auf Stopp des Bundesförderprogramms „Sprach-Kita“ einstellen. Was bedeutet das konkret?

Der Schlüssel zur Welt: In der städtischen Kita Amalie Struve wird intensiv Sprachförderung geleistet. Doch die Gelder aus Berlin dafür drohen zu versiegen.
In der städtischen Kita Amalie Struve wird intensiv Sprachförderung geleistet. Doch die Gelder aus Berlin dafür drohen zu versiegen. Foto: Egbert Mauderer

Gerade im Rastatter Rathaus weiß man nur zu gut, wie wichtig Sprachförderung in den Kindertagesstätten ist. In mancher Einrichtung in der Barockstadt haben drei von vier Kindern ausländische Wurzeln. Jetzt kommen noch Flüchtlingskinder aus der Ukraine dazu.

Umso mehr ist man nicht nur in der Stadtverwaltung alarmiert, dass das Bundesförderprogramm „Sprach-Kita“ zum Jahresende ausläuft. Warum das so ist und was das bedeutet – unser Mitarbeiter Egbert Mauderer hat die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.

Was steckt hinter dem Förderprogramm?

Seit 2016 fördert das Bundesfamilienministerium die sprachliche Bildung in den Betreuungseinrichtungen mit dem Programm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“. Auserkoren werden vorwiegend Einrichtungen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf. Für jede Sprach-Kita stellt das Programm eine zusätzliche Fachkraft zur Verfügung, die im Verbund von einer externen Fachberatung begleitet wird. Allein in Rastatt profitieren davon die Kindertagesstätten Amalie Struve, Rheinau-Nord, Maria Königin, Pünktchen sowie Zwölf Apostel. Ebenfalls aufgenommen wurden in das Förderprogramm jeweils zwei Einrichtungen in Hügelsheim und Bühl sowie vier in Baden-Baden, wie aus einer Auflistung des Bundestagsabgeordneten Kai Whittaker (CDU) hervorgeht. Auf eine Landtagsanfrage der SPD-Fraktion informierte das Kultusministerium, dass in ganz Baden-Württemberg derzeit 936 Kindertagesstätten als sogenannte Sprach-Kitas eingestuft seien. Sie würden von rund 57.100 Kindern besucht. 984 halbe Personalstellen dort bezahle der Bund, besetzt seien diese mit 716 Personen. Außerdem würden Beratungsstellen und „Aufhol- und Digitalisierungszuschüsse“ finanziert.

Warum läuft das Programm, das zuletzt mit 200 Millionen Euro ausgestattet war, jetzt aus?

Nach dem Willen von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sollen ab 2023 die Bundesländer die Förderung übernehmen. Sie sollen die Strukturen, die der Bund durch das Modellprogramm angeschoben hat, weiter nutzen und finanzieren. Die Länder hätten bereits jetzt die Möglichkeit, Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz für die Fortführung des Sprachförderprogramms in Anspruch zu nehmen.

Welche Erfahrungen hat die Stadt Rastatt mit dem Förderprogramm gemacht?

Durchweg positive, heißt es aus dem Rathaus, weshalb man die aktuelle Entwicklung in Berlin kritisch sieht. Das Förderprogramm habe zur Qualitätssicherung und weiteren Qualifizierung der Erzieherinnen beigetragen. Man konnte nicht nur die zusätzliche externe Fachberatung in Anspruch nehmen, sondern hat auch einen intensiven Austausch in einem überregionalen Netzwerk ergänzend zu einem lokalen Netzwerk etabliert. Die Stadt Rastatt hatte bereits 2014 der Bundesförderung vorgegriffen und mit „Birke“ (Bildung in Rastatter Kindertageseinrichtungen) ein eigenes Förderprogramm aufgelegt, damit alle Kinder die Schulreife erlangen können. „Sprache gilt als die entscheidende Schlüsselkompetenz für gelingende Bildungsbiografien und gesellschaftliche Teilhabe“, unterstreicht Nadine Daniel, Leiterin der städtischen Kindertagesstätte Amalie Struve, den Anspruch, der mit den Förderprogrammen verknüpft ist.

Was sagen die Kritiker?

Die Gewerkschaft GEW sieht im Plan des Bunds einen Bruch des Koalitionsvertrags. Außerdem würden viele Fachkräfte im Ungewissen gelassen. Sie wüssten nicht, wie es mit ihrer Anstellung weitergeht. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker spricht von einer „kinder- und bildungsfeindlichen Entscheidung“. Es werde die Bedeutung frühkindlicher Bildung für den späteren Erfolg in Schule und Beruf ignoriert.

Wie geht es weiter?

Die Stadt Rastatt, so die Ankündigung aus dem Rathaus, wird in den städtischen Kitas an der Sprachbildung festhalten. Es wird weiterhin eine intensive Sprachförderung ermöglicht, des Weiteren werden die pädagogischen Fachkräfte auch zukünftig im Bereich der alltagsintegrierten Sprachbildung geschult und weitergebildet. Entsprechende Fortbildungen sind bereits in allen vier städtischen Kitas für 2023 geplant. Über das Bundesprogramm „Sprach-Kita“ hatte die Stadt Rastatt fünf Personalstellen in drei städtischen Kitas mit insgesamt 125.000 Euro pro Jahr gefördert bekommen. Dies müsse nun aus kommunalen Mitteln kompensiert werden. Voraussetzung ist, dass der Gemeinderat den Haushalt genehmigt. Weil auch Rastatter Kitas anderer Träger von dem Bundesprogramm profitierten, will die Stadt Rastatt die Personalkosten für die Sprachförderfachkräfte aus dem kommunalen Förderprogramm „Birke“ tragen.

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