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Meinung

von Agnieszka Brugger

Gastbeitrag

Agnieszka Brugger: Eine neue China-Politik muss Menschen-rechte und unsere Interessen verbinden

Agnieszka Brugger aus Ravensburg, Vize-Fraktionschefin der Grünen, warnt: China bewegt sich in Richtung Diktatur. Das muss Folgen mit dem Umgang mit Peking haben.

Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Hauptthemen der 48. Sitzung der 20. Legislaturperiode sind die Abstimmung über den Nato-Beitritt von Schweden und Finnland, die Bundeswehr-Einsätze im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina sowie der Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Afghanistan-Einsatz. +++ dpa-Bildfunk +++
Seit 2018 ist Agnieszka Brugger von den Grünen stellvertretende Fraktionsvorsitzende und zuständig für Internationales und Menschenrechte. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Charta der Vereinten Nationen und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sind kein idealistischer Selbstzweck, sondern es sind universelle Regeln, die sich die Weltgemeinschaft gegeben hat.

Es sollte gerade jetzt nicht nur Überzeugung, sondern zentrales Interesse europäischer und deutscher Politik sein, eine regelbasierte internationale Ordnung zu erhalten.

Die deutsche Außenpolitik war lange von der Idee geprägt, dass umfassende gegenseitige Verflechtung zwischen zwei Staaten zu Vertrauen und Zusammenarbeit führt und gleichzeitig außenpolitische und militärische Aggression einschränkt. Ideologisches Machtstreben und die zunehmende Konkurrenz von Autokratien und Demokratien fordert diesen eigentlich richtigen Grundsatz heraus.

Deutschlands Alleingänge dürfen sich nicht wiederholen

Wenn ein Staat vor allem auf den eigenen, kurzfristigen Machterwerb setzt und sich von den Grundwerten der internationalen Gemeinschaft verabschiedet, kann aus Verflechtung eine riskante Abhängigkeit werden, die schnell zu Verwundbarkeit führt.

Wohin das führen kann und wie hoch nicht nur die finanziellen Kosten sind, wird mit Blick auf Wladimir Putins Russland sehr offensichtlich: Schon lange vor dem 24. Februar war erkennbar, welche Ziele der Kreml eigentlich verfolgt.

Viel zu lange sind kurzfristige Profite einzelner Branchen von den vergangenen Bundesregierungen über unsere Interessen gestellt worden, von unseren Werten ganz zu schweigen.

Statt mit einer europäischen Stimme zu sprechen, hat sich Deutschland trotz zahlreicher Warnungen engster europäischer Partner immer wieder für einen Alleingang entschieden. Diese Fehler dürfen sich nicht wiederholen und das muss dann auch Folgen für unsere Chinapolitik haben.

Unsere Politik kann nicht beim Alten bleiben, wenn China sich derart verändert

Xi Jingping bewegt China in Richtung Diktatur und setzt immer mehr auf Nationalismus. Die chinesische Führung zeigt ihr wahres Gesicht mit den heftigen Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Uiguren, in ihrer autokratischen Willkür gegenüber kritischen Stimmen im eigenen Land und den Menschen in Tibet und Hongkong. Staaten, die nach innen repressiv sind, werden oft außenpolitisch aggressiv.

Die chinesische Außenpolitik ist von militärischen Drohungen gegenüber Taiwan und der Eskalation im südchinesischen Meer geprägt. Die jüngsten Versuche, Kanadas Demokratie durch Korruption und Einflussnahme zu schwächen, machen deutlich, dass es China nicht nur um den Indopazifik geht. Auf dem afrikanischen und südamerikanischen Kontinent werden vermeintlich hilfreiche Investitionen schnell zum Hebel für chinesische Machtinteressen.

Abhängigkeit zu China deutlich komplexer als jemals zu Russland

Unsere Politik muss angesichts globaler Bedrohungen wie der Klimakatastrophe, die die Lebensgrundlage und Rechte aller Menschen bedroht, auch Antworten im Umgang mit Staaten finden, die unsere Werte nicht teilen. Niemand will und kann also alle Verbindungen nach China abreißen lassen.

Umso wichtiger ist es, dass wir Einflussmöglichkeiten begrenzen und keine neuen Schwachstellen zulassen. Unsere Abhängigkeit von China ist heute deutlich komplexer und vielschichtiger als es die von Russland je war.

In kritischen und sensiblen Bereichen müssen wir unseren Staat, unsere Infrastruktur, Technologie und Wirtschaft besser schützen. Konkret bedeutet das beispielsweise, endlich ein gemeinsames europäisches Monitoring von Lieferketten zu etablieren und kritischer bei Investitionen hinzuschauen.

Es bedeutet, wo geboten, auch zu handeln, so wie die Bundesregierung bei der Übernahme der Chipfabrik in Dortmund richtigerweise eine Untersagung ausgesprochen hat.

International diverser aufstellen

Wir sollten auch Gesetze verschärfen, wenn es darum geht, unsere kritische Infrastruktur zu schützen. EU-Maßnahmen wie die Aussetzung des umfassenden Investitionsabkommens mit China, die Einführung eines effektiven europäischen Lieferkettengesetzes oder der vorgeschlagene EU-Bann für Waren aus Zwangsarbeit unterstreichen nicht nur unsere Werte durch unsere europäische Marktmacht, sondern verhindern, dass Menschenrechtsverletzungen zum zynischen Wettbewerbsvorteil werden.

Zugleich braucht es den kritischen Dialog mit deutschen Unternehmen, die sich sehr riskant vom Export auf dem chinesischen Markt abhängig gemacht haben.

International müssen wir uns diverser aufzustellen, wirtschaftliche Risiken breiter streuen und in bestimmten Bereichen durch Relokalisierung Sicherheit erhöhen. Zurecht sagte Vizekanzler Robert Habeck jüngst: „Eine offene Marktwirtschaft ist keine naive Marktwirtschaft.“

Zeit für eine neue Politik, die unsere Souveränität stärkt

Es ist jetzt unsere Aufgabe, unsere Souveränität zu stärken und Allianzen vor allem mit Staaten auszubauen, die unsere Werte teilen. Deutschland muss sich solidarisch an die Seite derer stellen, die Aggressionen ausgesetzt sind und sich auch weiter mit großer Klarheit für die friedliche Lösungen von Konflikten einsetzen, sei es im Indopazifik oder auf dem afrikanischen Kontinent.

Wenn wir diese Herausforderungen mit unseren Partnern in Europa und der Welt angehen, können wir auch in einer unfriedlicheren Welt unsere Handlungsfähigkeit erhalten, Kooperation stärken, Werte schützen und unsere Interessen wahren.

China ändert seine Politik, daher müssen wir unsere Politik ebenfalls verändern. Es ist Ausdruck von kluger Weitsicht und der richtige Schritt für eine Neuausrichtung unserer Haltung gegenüber China, dass Außenministerin Annalena Baerbock eine neue China-Strategie schreibt, die Schluss macht mit „Merkel-Business as usal“.

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